Newsletter XVI 2024

14. bis 20. April 

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Aktuelles+ Hintergrundwissen

Die PDF-Datei "Nuclear Power Accidents" enthält eine Reihe weiterer Vorfälle aus verschiedenen Bereichen der Atomindustrie. Einige der Ereignisse wurden nie über offizielle Kanäle veröffentlicht, so dass diese Informationen der Öffentlichkeit nur auf Umwegen zugänglich gemacht werden konnten. Die Liste der Zwischenfälle in der PDF-Datei ist daher nicht zu 100% identisch mit "INES und die Störungen in kerntechnischen Anlagen", sondern stellt eine Ergänzung dar.

 

3. April 1960 (INES 4) Akw WTR-2, Waltz Mill, Madison, PA, USA

6. April 1993 (INES 4 NAMS 4,8) Atomfabrik Tomsk 7 Sewersk, RUS

7. April 1989 (Broken Arrow) U-Boot-Unglücke, K-278 sank südlich der Bäreninsel

8. April 1968 (Broken Arrow) U-Boot-Unglücke, K-129 sank 2900 km nw Hawaii

10. April 2003 (INES 3 NAMS 3,9) Akw Paks, HUN

10. April bis 15. Mai 1967 (INES ? Klass.?) Atomfabrik Majak, UdSSR

10. April 1963, U-Boot-Unglücke, SSN-593 sank 350 km vor Cape Cod, USA

11. April 1970 (Broken Arrow) U-Boot K-8 sank im Golf von Biskaya

19. April 2005 (INES 3) Atomfabrik Windscale/Sellafield, GBR

21. April 1957 (INES 4) Atomfabrik Majak, UdSSR

26. April 1986 (INES 7 NAMS 8) Akw Tschernobyl, UdSSR

28. April 2011 (INES ? Klass.?) Akw Ascó, ESP

 

Wir sind immer auf der Suche nach aktuellen Informationen. Wer helfen kann, sende bitte eine Nachricht an:
nukleare-welt@reaktorpleite.de

 


20. April


 

Klagejuristische PersonUmweltrecht

»Sollen Flüsse klagen können, Frau Zenetti?«

Kapitalgesellschaften können in Deutschland vor Gericht ziehen, Flüsse, Wälder oder Tiere aber nicht? Juristin Jula Zenetti vom Helmholtz-Zentrum Leipzig fragt, ob das noch zeitgemäß ist.

SPIEGEL: Können Flüsse klagen, Frau Zenetti?

Zenetti: In Deutschland noch nicht. In Spanien wurde eine Lagune zur juristischen Person erklärt, das Mar Menor. In den USA ist in einer Kommune eine Reissorte vor Gericht gezogen, die heilig für die Ureinwohner ist, sie heißt Manoomin. In Ecuador hat ein Nebelwald, unter dem Rohstoffe abgebaut werden sollten, vor Gericht gegen seine Abholzung geklagt und gewonnen. Und Indigene mehrerer Pazifikstaaten haben kürzlich Walen den Status von juristischen Personen verliehen.
Wale haben eigene Rechte

SPIEGEL: Eine Reissorte klagt vor Gericht – das klingt erst mal befremdlich.

Zenetti: Es ist ungewohnt. Aber wenn man bedenkt, dass auch Kapitalgesellschaften Rechtssubjekte sind, dann klingt es nicht mehr so abwegig.

SPIEGEL: In Deutschland und auch in der EU regelt das Umweltrecht vor allem staatliche Pflichten gegenüber der Umwelt. Was bringt es, wenn man der Natur eigene Rechte verleiht?

Zenetti: Das Staatsziel Umweltschutz könnte auch als Recht der Natur auf ihren Erhalt, auf Existenz geregelt werden. Subjektive Rechte sind ein juristisches Werkzeug, um Interessen von Rechtspersonen gegenüber dem Allgemeininteresse zu stärken. Und dieses rechtliche Werkzeug der subjektiven Rechte hat sich in den vergangenen Jahrhunderten als extrem wirksam erwiesen. Warum sollten wir es für Kapitalgesellschaften – eine Ansammlung von Geld – einsetzen, aber nicht für die Natur? Wir sollten uns fragen, ob das noch zeitgemäß ist...

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Hitlers Geburtstag | DemokratieSmalltalk

Wie die Rechten Gesellschaft verändern:

„Ja, am 20. April“

Beim Smalltalk mit Fremden ist die Unschuldsvermutung dahin. Schnell checken wir ab, wo diese politisch stehen.

Neulich auf einer sonnenbeschienenen Parkbank vor dem Rathaus eines Dorfes im Schwarzwald: Eine Frau setzt sich dazu. Die Knie tun ihr weh. Eigentlich stehe eine OP an, sie will aber nicht, abnehmen müsste sie und die Jüngste sei sie nicht mehr. Welcher Jahrgang sie ist, frage ich. 1954. „Dann werden Sie siebzig.“ Sie: „Ja, am 20. April.“ Ich sofort: „An Hitlers Geburtstag.“ Sie: „Lassen Sie mich in Ruhe, mit dem habe ich nichts zu tun.“ Ich lasse nicht locker. „Immer mehr wollen wieder was damit zu tun haben.“ „Schlimm ist das“, sagt sie, „aber ich kann nichts für den Tag, an dem ich geboren bin.“

Alltagsgespräche sind eigentlich spontan und hierarchiefrei. Jetzt aber nicht mehr

Ich habe ihr Geburtsdatum absichtlich benutzt, um abzuchecken, wo sie politisch steht. Erst dann kann ich unbefangen mit ihr reden. Ich bin öfters im Dorf und werde ihr vermutlich wieder über den Weg laufen.

Wenn fünf Leute zusammenstehen, wählt statistisch einer oder eine AfD, in Sachsen und Sachsen-Anhalt Umfragen zufolge sogar einer von dreien. Das ist die Ausgangslage. Im Gespräch mit Fremden will ich wissen, mit wem ich es zu tun habe. Denn das beeinflusst den Fortgang der Unterhaltung. Und da liegt die Krux, denn Alltagsgespräche sind eigentlich spontan und hierarchiefrei. Neuerdings jedoch nicht mehr. Denn wer erst herausfinden will (oder muss), wo das Gegenüber politisch steht, sprengt die stillschweigend eingegangenen Regeln des Smalltalks.

[...] Etwas hat sich verändert, es ist unbemerkt in unser Alltagsverhalten geschlichen, wie ein Dieb, der nachts einbricht. Und der Verlust, der droht, kündigt sich schon an. Wie kürzlich auf einer Demo gegen rechts in Neuruppin: Eine Freundin, die wir dort begleiten, verteilt Aufkleber, auf denen Erich Kästner zitiert wird, der mahnt, dass Diktaturen nur bekämpft werden können, solange sie nicht an der Macht sind. „Darf ich Ihnen das geben?“, fragt meine Freundin eine Zuschauerin. „Ach, lassen Sie mich in Ruhe mit Ihrer Demokratie“, antwortet diese.

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Bangladesch | EnergiekonzerneTextilfabriken

Bangladesch: Eine überpowerte Autokratie

Fossile Kraftwerke, ein Atomkraftwerk und Billigkleidung: Deutsche Konzerne, indische, chinesische, russische und US-amerikanische Konzerne profitieren davon. Was aber geschieht mit dem Land? Reportage.

"Nein. Das 740 Hektar große Rampal-Kohlekraftwerk liegt nicht in, sondern genau auf der Linie der Schutzzone für die (Mangrovenwälder) Sundarbans", so die nüchterne Antwort der 31-jährigen Kaniz Rabeya in den Räumen von Clean. Die Nichtregierungsorganisation, die unter anderem Energiedaten sammelt, hat ein Büro in der Stadt Khulna, im Süden von Bangladesch.

"Ja. Die Gas-Depots, Raffinerien, Baufirmen, Zementfabriken und Textilfabriken, die Sie gesehen haben, liegen in der Schutzzone. Aber sie liegen auch in der EPZ-Mongla, einer Export-Sonderzone."

Ich stutze, doch sie redet ungerührt weiter:

"Laut der Fischer ist der Fisch- und Garnelenfang seit Inbetriebnahme des Kraftwerks stark zurückgegangen – es entlässt heißes Abwasser in den Rupsa Fluss. Laut Aussagen von Fischern wird im Umkreis von drei Kilometern überhaupt kein Fisch mehr gefangen."

Dann betont Rabeya im gleichen nüchternen Tonfall, dass sie aber keine Biologin sei. Die Regierung habe als Begründung für die vielen Kraftwerke immer wieder darauf verwiesen, dass es Strom brauche, um die Bewohner und die Industrie in ein besseres Zeitalter zu führen.

"Aktuell haben wir eine Kapazität aller Kraftwerke im Land von knapp 26.000 MW. Im Juni 2024 soll sie auf 30.000 MW steigen. Der Verbrauch zu Spitzenzeiten im Sommer 2023 lag bei 15.164 MW, im Winter bei 10.733 MW",

sagt Rabeya ungerührt. Erstaunt frage ich, ob Bangladesch jetzt Strom nach Indien verkauft, doch sie sagt:

"Nein, wir kaufen noch Strom aus Indien dazu. Genauer gesagt von Gautam Adani. Sein Strom ist 56 Prozent teurer als Exportstrom, 56 Prozent teurer als unser Solarstrom und 191 Prozent teurer als indischer Solarstrom (etwa 2,5 Cent)."

Als ich nach dem Grund frage, ernte ich denselben ungerührten Blick.

"Ich bin keine Wirtschaftsexpertin, ich sammele Daten."

Laut ihnen geht auch der Bedarf für Industriestrom in den letzten Jahren zurück.

Hāsinā-Verwandlung: Die Gefängnisse füllen sich

Rabeyas Vorsicht überrascht nicht. Seit dem Jahr 2008 haben die Premierministerin Bangladeschs, die 76-jährige Śekha Hāsinā, und ihre politische Partei Awami Liga das Land laut Demokratie-Index in eine (moderate) Autokratie verwandelt...

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KlimaschutzgesetzSolarpaket | Wissing

Reform des Klimaschutzgesetzes:

Ein Schritt vor, zwei zurück

Gut, dass der Einbau privater Solaranlagen leichter werden wird. Die schlechte Nachricht ist, dass die Ampel das Klimaschutzgesetz aufweicht.

Erst haben die Ampelparteien über viele Monate darüber gestritten, jetzt geht es hopp, hopp: Am Montag verkündeten die Fraktionschefs von SPD, Grünen und FDP die Einigung über die Änderung des Klimaschutzgesetzes und des Solarpakets, bereits in der Woche darauf soll beides durch den Bundestag und den Bundesrat gepeitscht werden. Der Ampel ist wie etwa beim Heizungsgesetz wieder einmal nicht klar, dass interne Verhandlungen das übliche parlamentarische Prozedere keineswegs ersetzen.

Immerhin: Ein großer Wurf sind weite Teile des Solarpakets. Unzählige Privatleute und Unternehmen warten auf die Entbürokratisierung, um eine Photovoltaikanlage einfacher installieren und anschließen zu lassen. Das Aufstellen von Solaranlagen boomt, trotz der bisherigen Blockade. Bür­ge­r:in­nen aus allen politischen Lagern wollen Sonnenenergie viel stärker nutzen, nachdem frühere Regierungen ihnen das schwer gemacht haben.

Fallen Hindernisse wie lange Genehmigungsverfahren weg, wird es einen großen Schub geben, die Energiewende wird sich beschleunigen. Auf Dächern, über Supermarktparkplätzen und an vielen anderen Orten wird das bald zu sehen sein. Mie­te­r:in­nen eines Hauses können sich unkompliziert eine gemeinsame Anlage teilen. Das wird billiger, weil Vorgaben für teure Technik entfallen. Anmeldepflichten und Netzanschluss werden vereinfacht – und noch viel mehr.

Doch bei allem Jubel: Das Solarpaket hat auch ein großes Manko. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine schien es einen gesellschaftlichen Konsens zu geben, dass die Abhängigkeit von einem Land in Energiefragen fatal ist. Damit ist es vorbei. Diesmal geht es um China, das mit seinen Solaranlagen die europäischen Märkte flutet und einheimische Hersteller in Not bringt. Hiesige Solaranlagenhersteller mussten aufgrund falscher politischer Entscheidungen schon einmal aufgeben.

[...] Bislang galt: Werden die Ziele nicht erreicht, muss nachgesteuert werden. Damit ist jetzt Schluss. Die Emissionen der verschiedenen Bereiche werden künftig untereinander verrechnet. Diese Aufweichung ist ein Geschenk an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der keine Anstalten macht, etwas für die Senkung des CO2-Ausstoßes im Verkehr zu unternehmen.

Die Reduzierung der Emissionen wäre durchaus erreichbar, etwa mit einem Tempolimit, günstigeren Bahnpreisen oder über partielle Fahreinschränkungen für besonders emissionsintensive Autos. Jetzt entfällt der Druck auf Wissing, wenigstens ein bisschen Fantasie zu entwickeln und sich überhaupt um die Senkung des CO2-Ausstoßes im Verkehr zu kümmern...

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IndienAutokratie | Faschismus

Modi-Faschismus: Indiens unfairste Wahlen seiner Geschichte

Pressezensur, Opposition hinter Gittern. Das als "größte Demokratie der Welt" gepriesene Indien folgt der Autokratie-Logik. Ein Blick hinter die Fassade.

Delhi. Die Lok Sabha (Unterhaus-) Wahlen in Indien haben begonnen und werden sich bis zum 1. Juni hinziehen. Es geht um viel im seit 2023 bevölkerungsreichsten Land der Erde, das technologisch jüngst durch seine Mondlandung (als erst vierte Nation) überraschte und mit seinem BIP inzwischen auf den fünften Platz hinter China, USA, Deutschland und Japan vorrückte.

Die Ignoranz westlicher Medien gegenüber indischer Innenpolitik steht also in keinem Verhältnis zur Bedeutung der aufstrebenden Großmacht Indien.

[...] Während viele Journalist:innen Indien weiterhin stereotyp als "größte Demokratie der Welt" preisen, sehen Menschenrechtler wie Ramachandra Guha es längst auf dem Weg in die Autokratie. Doch die Lage ist vielleicht weitaus schlimmer: Vieles erinnert inzwischen an die Jakarta-Methode im Indonesian Genocide 1964/65. Drohen gewaltsame Unruhen und Massenmorde an Minderheiten und politischen Gegnern?

Minderheiten werden drangsaliert

Minderheiten, besonders die ca. 200 Millionen Muslime Indiens, werden durch Modis Politik, etwa das Verbot von Kuh-Schlachtungen, zunehmend diskriminiert und terrorisiert, weitgehend unbemerkt von westlichen Medien. Löbliche Ausnahme sind Reportagen des Deutschlandfunks (DLF) über die Verfolgung oft muslimischer Bauern durch heilige Kühe verteidigende Hindus (z.B. Petersmann 2016).

Der DLF verzichtet jedoch weitgehend auf politische Hintergründe, konzentriert sich lieber auf die skurrile Verehrung von Kühen und das Leid der Familien von Mordopfern.

[...] Terror und Finanzkrieg

Es gab mindestens 2.000 überwiegend muslimische Tote, zahllose Vergewaltigungen, Zerstörung von etwa 270 Moscheen und islamischen Heiligtümern, Plünderung tausender muslimischer Geschäfte und Vertreibung von schätzungsweise 150.000 Menschen.

Modi verharmloste die Gewaltwelle als "gerechtfertigten Volkszorn". Aber das organisierte Vorgehen der gewalttätigen Gruppen und die Untätigkeit der Polizei "deuteten für viele Beobachter auf eine vorherige Planung der Attacken" hin (so Gottschlich 2018) – was auch an die Jakarta-Methode denken lässt, die auf Hass und Pogrome setzt, um faschistische Regime zu befördern.

Doch neben Gewalt setzt die BJP bislang hauptsächlich auf Law-fare und Finanzterror.

Indiens größte Oppositionspartei, die Kongresspartei, beklagt sich derzeit, dass die zentrale Steuerbehörde auf ihren Bankkonten Millionenbeträge eingefroren habe. Mitten im Wahlkampf ein gravierender Eingriff in die Demokratie...

 


19. April


 

LandwirtePestizide | Parkinson

Berufserkrankung bei Landwirten: Pestizide verursachen Parkinson

Der Ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundessozialministerium hat entschieden, dass Parkinson nach dem Einsatz von Pestiziden eine Berufskrankheit darstellen kann. NDR.de sprach darüber mit dem Vorsitzenden des Beirats, dem Arbeitsmediziner Prof. Thomas Kraus.

Herr Prof. Kraus, zwölf Jahre hat es gedauert, bis die Anerkennung als Berufskrankheit vorlag. Warum so lange?

Thomas Kraus: Wir wussten schon sehr lange, dass es Zusammenhänge zwischen einer Pestizid-Belastung im Beruf und der Parkinson-Krankheit gibt. Aber es war extrem schwierig, die wissenschaftliche Literatur aus der ganzen Welt zu bewerten, aufzuarbeiten und dann Kriterien einer Berufskrankheit für das deutsche Sozialrecht abzuleiten.

In Frankreich ist Parkinson ja schon seit 2012 als Berufskrankheit anerkannt. Auch Italien war schneller. Haben die mehr in Forschung investiert, oder warum ging das dort schneller?

Kraus: Da sind Berufskrankheiten zum Teil anders definiert, und das geht dann einfacher. Wir haben in Deutschland hohe sozialrechtliche Hürden. Und im Ärztlichen Sachverständigenbeirat arbeiten wir alle ehrenamtlich. Wir haben selber gesehen, dass es zu langsam voran ging. Deshalb wurde das Gesetz jetzt auch geändert und wir haben eine wissenschaftliche Geschäftsstelle. Wir hoffen, dass wir dadurch bei künftigen Entscheidungen zur Anerkennung von Berufskrankheiten schneller sind.

Bei Pestiziden denkt man sofort an Glyphosat, dessen Zulassung in Europa trotz vieler Proteste gerade erst verlängert wurde. Hinter Glyphosat und anderen Pestiziden stecken große Herstellerfirmen. Haben diese Firmen oder deren Lobbyisten versucht, eine Entscheidung zu verhindern?

Kraus: Nein, da gab es keinerlei Einflussnahme der Hersteller...

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Kohleausstieg | Lützerath | Braunkohle

NRW braucht laut Analyse viel weniger Braunkohle, als von Regierung erwartet

Damit Deutschland genug Strom hat, müsse kurzfristig mehr Braunkohle verbrannt werden - hieß es in der Politik im Winter 2022/2023. Es kam aber ganz anders, zeigt eine neue Analyse.

Seit dem Kompromiss zum vorgezogenen Kohleausstieg zwischen Land, Bund und RWE wurde wesentlich weniger Braunkohle zur Stromerzeugung benötigt als von der Landesregierung angenommen. Auch in den kommenden Jahren wird der Kohlebedarf wohl deutlich unter den Erwartungen der Politik liegen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Analyse des Wirtschaftsforschungsunternehmens Prognos, die dem WDR vorliegt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) NRW hatte die Untersuchung in Auftrag gegeben.

[...] Besonders interessant: Dieser Rückgang setzt sich fort. So liegt die Braunkohleverstromung im Januar und Februar 2024 noch einmal um etwa 30 Prozent niedriger als in den gleichen Monaten im Jahr 2023. In 2024 werde die Erzeugung unter dem Strich nun noch einmal "voraussichtlich 4-12 TWh niedriger ausfallen als angenommen" schreibt Prognos in dem Papier. Die Landesregierung war für 2024 von mindestens 32,6 Terrawattstunden Bruttostromerzeugung in den Garzweiler-Kraftwerken ausgegangen. Prognos erwartet eine tatsächliche Produktion von circa 24 Terrawattstunden.

[...] Falsche Annahmen hatten erhebliche Folgen

Dass sich Landes- und Bundesregierung diese falschen Annahmen zu eigen machten, war folgenreich: Sie gaben deshalb das ehemalige Dorf Lützerath für RWE zum Abbaggern frei. Dagegen demonstrierten im Januar 2023 zehntausende Menschen; die Räumung des Ortes machte einen der größten Polizeieinsätze in der Landesgeschichte erforderlich...

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IsraelPropaganda | Gaza

Streit bei Treffen in Israel

Baerbock und Netanyahu geraten heftig aneinander

»Wir sind nicht wie die Nazis«: Beim Israelbesuch von Außenministerin Baerbock soll es hinter verschlossenen Türen zum heftigen Streit mit Regierungschef Netanyahu gekommen sein. Auslöser waren Bilder aus dem Gazastreifen.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Israels Premierminister Benjamin Netanyahu haben sich laut israelischem Nachrichtensender Channel 13 heftig über Aufnahmen aus dem Gazastreifen gestritten, die Netanyahu bei dem Gespräch in Jerusalem vorgeführt hatte.

Darauf soll zu sehen gewesen sein, dass es im Gazastreifen auf den Märkten ausreichend Lebensmittel gebe. Mit den Aufnahmen wollte der Premierminister offenbar belegen, dass die Zustände in dem abgeriegelten Küstenstreifen nicht so dramatisch sind. Die Grünenpolitikerin habe daraufhin auf den Hunger der Menschen in dem Küstengebiet hingewiesen und Netanyahu angeboten, Bilder hungernder Kinder auf ihrem Handy zu zeigen. Sie habe deutliche Kritik geäußert, so Channel 13.

[...] Netanyahu soll laut Channel 13 Baerbock geraten haben, sie solle sich Fotos der Märkte und auch von Menschen am Strand anschauen, es gebe keine Fälle von Hunger dort. Baerbock bat ihn dem Bericht zufolge, die Bilder nicht zu zeigen, da sie nicht der Realität im Gazastreifen entsprächen.

Israels Regierungschef wiederum soll darauf lautstark erwidert haben, dass die Fotos echt seien und Israel nicht wie die Nazis eine erfundene Realität zeige. »Wir sind nicht wie die Nazis«, soll der Regierungschef wörtlich gesagt haben. Die Nazis hatten 1942 etwa ein Filmteam einen Propagandafilm mit gestellten Szenen des Alltags im Warschauer Ghetto drehen lassen. Baerbock solle Netanyahu daraufhin gefragt haben, ob er sagen wolle, dass etwa Mediziner im Gazastreifen sowie internationale Medien nicht die Wahrheit berichteten...
 

IMHO

„Nicht an ihren Worten, sondern ihren Taten sollt ihr sie erkennen“

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Vereinigte StaatenPalästina | Veto

Die Zwei-Staaten Lösung ist offiziell tot

USA legen in Sicherheitsrat Veto gegen UNO-Mitgliedschaft Palästinas ein. Damit sind westliche Bekenntnisse zur Zwei-Staaten Lösung unglaubwürdig. Ein Hintergrund.

Der FAZ ist es immerhin eine Randnotiz wert, doch die Tagesschau verzichtet komplett auf die Meldung: Am 18. April 2024 legten die USA im UN-Sicherheitsrat (UNSC) ihr Veto gegen einen Resolutionsentwurf ein, der eine Vollmitgliedschaft Palästinas bei den Vereinten Nationen vorsieht. Damit scheiterte die Beschlussvorlage.

Zwölf Mitgliedsländer des UNSC stimmten für die Vorlage, die Schweiz und Großbritannien enthielten sich.

"Hintergrund ist die Befürchtung der Regierung in Washington, dass mit einem solchen Schritt faktisch ein Palästinenser-Staat anerkannt werden würde", schreibt die FAZ.

Das klingt in der Erklärung der US-Vertretung bei den Vereinten Nationen ganz anders: "Die Vereinigten Staaten haben sich mit Nachdruck und Entschlossenheit für eine palästinensische Eigenstaatlichkeit im Rahmen eines umfassenden Friedensabkommens eingesetzt, das den israelisch-palästinensischen Konflikt dauerhaft lösen würde", heißt es da.

Möglichst keine allzu offensichtliche Ablehnung palästinensischer Staatlichkeit

Dabei ist man sich in Washington durchaus bewusst, dass dieses Veto die Glaubwürdigkeit der eigenen Lippenbekenntnisse zur Zwei-Staaten-Lösung weiter untergräbt. Schließlich hatte man versucht, um eine derart klare Ablehnung palästinensischer Staatlichkeit herumzukommen...

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KlimawandelErdgasCO2 | Greenwashing

Nach CORRECTIV-Recherche: Gasversorger stellen „klimaneutrale“ Gas-Tarife vorläufig ein

Nachdem CORRECTIV zu Beginn der Woche öffentlich gemacht hatte, dass 116 deutsche Gasversorger CO2-Gutschriften aus Klimaschutzprojekten nutzen, die nicht plausibel nachweisen können, das tatsächlich CO2 reduziert oder eingespart wurde, ziehen mehr als 20 Gasversorger nun Konsequenzen. Kritik kommt von den Linken im Bundestag.

Nach der jüngsten CORRECTIV-Recherche passen erste Energieunternehmen ihr Angebot an: So teilen mehr als 20, vor allem kommunale Gasversorger auf CORRECTIV-Anfrage mit, ihre klimaneutralen oder Ökogas-Tarife zu überprüfen oder sogar vorläufig einstellen zu wollen. Darunter die EVD Energieversorgung Dormagen, Logo Energie mit Sitz in Nordrhein-Westfalen und weitere kommunale Stadtwerke.

Stadtwerke erwägen rechtliche Schritte

Die Stadtwerke Oberursel wollen sogar noch weitergehen und erwägen rechtliche Schritte, wie das Unternehmen gegenüber CORRECTIV mitteilt: „Wir prüfen, ob wir gegebenenfalls rechtliche Schritte gegen unseren namhaften Dienstleister einleiten“, so die Stadtwerke. Bei diesen habe man „nach bestem Wissen und Gewissen die Zertifikate gekauft“.

[...] Kritik an den Gasversorgern und ihren Geschäftspraktiken kommt von Ralph Lenkert, Obmann der Linken im Ausschuss für Klimaschutz und Energie im Bundestag: „Kompensationen wurden eingeführt als gute, freiwillige Idee für den Klimaschutz.“ Gasunternehmen machten daraus ein profitables Geschäftsmodell, „bei dem es um Geld und nicht um Klimaschutz“ gehe, so Lenkert gegenüber CORRECTIV.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband erneuert gegenüber CORRECTIV die Forderung nach einem expliziten „Verbot der Werbung mit Klimaneutralität“. Echte Klimaneutralität könne „auf Produkt- oder Unternehmensebene nicht erreicht werden.“

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ÖsterreichRechtsextremismus | FPÖ

Brisante Neonazi-Verbindungen rund um Razzia im Verfassungsschutz enthüllt

Der Neonazi Gottfried Küssel soll den polizeilichen Leiter der Razzia zu einer Veranstaltung eingeladen haben, sagte die damalige Leiterin des Extremismusreferats aus

Es bleibt eines der zentralen Rätsel der skandalösen Hausdurchsuchung im Verfassungsschutz im Februar 2018: Warum wurde ausgerechnet das Büro von Sibylle G., der damaligen Referatsleiterin für Extremismus, stundenlang durchwühlt, obwohl die Beamtin keine Verdächtige war?

Vergangene Woche wurde die Rechtsextremismus-Expertin erneut in einem U-Ausschuss befragt, das vorläufige Protokoll ihrer Aussagen liegt dem STANDARD und dem Investigativpodcast "Die Dunkelkammer" vor. Das Dokument zeigt, dass G. dem Parlament eine brisante Verbindung zwischen dem mehrfach verurteilten Neonazi Gottfried Küssel und dem Polizeioberst Wolfgang Preiszler offenbarte, der die Razzia im Verfassungsschutz geleitet hat.

[...] So habe sich auf G.s Schreibtisch der Ausdruck einer E-Mail gefunden, in der Küssel einige Personen zu einer Veranstaltung eingeladen habe. Auf diesem Verteiler habe sich auch Preiszler befunden. "Wie ich erfahren habe, wer der operative Einsatzleiter bei der Hausdurchsuchung ist, habe ich meinem Vorgesetzten, der neben mir gestanden ist, noch gesagt: Ich bin neugierig, ob sie auch den Mailausdruck von Gottfried Küssel finden", sagte G. vor dem U-Ausschuss. Als sie später ihr Büro aufgeräumt habe, sei das Dokument nicht mehr da gewesen, erklärte G. später.

Welche Verbindung er zu Küssel habe und ob er von der Einladung gewusst habe, beantwortete Preiszler auf Anfrage des STANDARD nicht.

Die Auswahl von Preiszlers Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität (EGS) für die Durchführung der Razzia hatte stets für deutliche Kritik gesorgt...

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INES Kategorie 3 "Ernster Störfall" 19. April 2005 (INES 3) Atomfabrik Windscale/Sellafield, GBR

20 Tonnen Uran und 160 Kilogramm Plutonium sind im Laufe eines Jahres aus einem geplatzten Rohr in der Wiederaufbereitungsanlage für thermische Oxide (Thorp) in Sellafield ausgetreten.
(Kosten ca. 76 Millionen US$)

Nuclear Power Accidents
 

Dieser Störfall ist der einzige Störfall in Sellafield nach Windscale 1957, der noch in Wikipedia de zu finden ist.

Wikipedia de

Sellafield# Zwischenfälle

Im April 2005 wurde in Sellafield ein Leck entdeckt, durch das etwa 83.000 Liter radioaktive Flüssigkeit, bestehend aus Salpetersäure, Uran und Plutonium, monatelang unbemerkt entweichen konnten. Es handelt sich um den schwersten Zwischenfall in einer Atomanlage Großbritanniens seit 1992. Die Öffentlichkeit wurde erst Wochen danach informiert, erste Presseberichte erschienen am 9. Mai 2005. Später berichtete der „Independent on Sunday“, dass das Rohr seit August 2004 leck gewesen sei, dies aber erst am 19. April 2005 entdeckt wurde.

Für den Zwischenfall wurde das britische Nuklearunternehmen BNG (British Nuclear Group), das für die Stilllegung der Reaktoren von Sellafield zuständig ist, am 16. Oktober 2006 wegen Fahrlässigkeit zur Zahlung von 500.000 Pfund (rund 750.000 Euro) verurteilt. Die Kosten dieses Ereignisses werden auf 76 Millionen Dollar geschätzt.

Seit den späten 1940er Jahren und der Inbetriebnahme von Windscale/Sellafield wurden etwa 20 mehr oder weniger schwere Zwischenfälle gemeldet, bei denen Radioaktivität freigesetzt wurde. Bis Mitte der 1980er Jahre wurde der im täglichen Betrieb anfallende Atommüll in großen Mengen in flüssiger Form über eine Pipeline in die Irische See abgeleitet.
 

Wikipedia en

https://en.wikipedia.org/wiki/Sellafield

Nuclear power accidents by country#United_Kingdom

Übersetzung mit https://www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)
 

AtomkraftwerkePlag

Sellafield (ehemals_Windscale), Großbritannien

Am 19. April 2005 wurde in der Anlage THORP ein Leck an einem beschädigten Rohr entdeckt, aus dem 83.000 Liter radioaktiver Säure ausgelaufen waren. Der britische Atomkonzern British Nuclear Group (BNC) gab zu, Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten zu haben, und wurde zur Zahlung von 500.000 Britische Pfund verurteilt. Der Vorfall wurde von der IAEO als ernster Störfall der INES-Stufe 3 klassifiziert...

Vergleichbare Atomfabriken gibt es überall auf der Welt:

Uran-Anreicherung und Wiederaufarbeitung - Anlagen und Standorte

Bei der Wiederaufarbeitung lässt sich das Inventar abgebrannter Brennelemente in einem aufwändigen chemischen Verfahren (PUREX) voneinander separieren. Abgetrenntes Uran und Plutonium können danach erneut verwendet werden. Soweit die Theorie...
 

Youtube

Uranwirtschaft: Anlagen zur Verarbeitung von Uran

Wiederaufarbeitungsanlagen machen aus wenigen Tonnen Atommüll, viele Tonnen Atommüll

Alle Uran- und Plutoniumfabriken produzieren radioaktiven Atommüll: Uran-Aufbereitungs-, -Anreicherungs- und -Wiederaufarbeitungsanlagen, ob in Hanford, La Hague, Sellafield, Mayak, Tokaimura oder wo auch immer auf der Welt, haben alle das gleiche Problem: Mit jedem Bearbeitungsschritt entstehen mehr und mehr extrem giftige und hochradioaktive Abfälle...

 


18. April


 

VerboteFreiheit | Illiberal

Rauchverbot:

Verbotsunkultur, wohin man blickt

Großbritanniens Regierung will Rauchen schrittweise verbieten, und einige deutsche Politiker finden das gut. Der Illiberalismus marschiert auch bei wichtigeren Themen.

Wie weit, fragte Wilhelm von Humboldt 1792, darf sich die Sorgfalt des Staates auf das Wohl seiner Bürger erstrecken? Und der Preuße gab zur Antwort, dass die Einmischung des Staates in die Privatangelegenheiten der Bürger "verwerflich" sei, "wo dieselbe nicht unmittelbaren Bezug auf die Kränkung der Rechte des einen durch den anderen habe". Das Humboldt'sche Bildungsideal wird oft beschworen; sein Freiheitsideal wird öfter mit Füßen getreten. Immer übergriffiger agieren Nanny-Politiker, die uns zu unserem Glück zwingen wollen.

So zeigt sich der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, laut Bild-Zeitung offen für ein Rauchverbot nach britischem Vorbild. Dort hat das Parlament beschlossen, das Mindestalter für den Kauf von Tabak Jahr für Jahr anzuheben. Wer heute 15 Jahre alt ist, wird in seinem Leben nie legal eine Zigarette kaufen können. Jedenfalls nicht in Großbritannien.

Die britische Regierung folgte mit diesem Verbot dem Modell Neuseelands. Durch eine Ironie der Geschichte freilich hat die neue Koalitionsregierung dort die Anti-Rauchen-Gesetze von 2022 erst kürzlich wieder aufgehoben. Und zu Recht, denn man braucht keine blühende Fantasie, um sich auszumalen, wie solche Gesetze unterwandert werden können.

[...] Es wird zu viel willkürlich verboten; der Illiberalismus marschiert und verlässt sich darauf, dass zu wenige Leute etwas dagegen haben, wenn anderen Leuten, vor allem politisch Andersgläubigen und Minderheiten, etwas untersagt wird. Wenn nur noch 20 Prozent rauchen, kann man ihnen das ja verbieten und sich auch noch auf den Rücken klopfen, hat man doch etwas für die Volksgesundheit und gegen die Tabaklobby unternommen. Doch da gibt's nicht nur die Volksgesundheit, sondern das gesunde Volksempfinden, das gern die schulische Sexualaufklärung im Namen der Unschuld und das Gendern im Namen der Sprachschönheit verbieten möchte. Am Ende sind wir bei jenem Zustand, den Humboldt beschrieb: "Noch mehr leidet durch eine zu ausgedehnte Sorgfalt des Staates … der moralische Charakter." Einerseits frage man nur noch, was erlaubt, nicht, was richtig sei; andererseits suche man "den Gesetzen des Staates zu entgehen", die einem nicht passen, und halte "jedes Entwischen für Gewinn". Ach, was heißt "am Ende"? Wir sind schon da.

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Ungleichheit | Einkommen | Vermögensteuer

Milliardäre zahlen in der Schweiz mehr:

Deutschland verschont Superreiche

Die Mittelschicht zahlt in Deutschland und Österreich mehr Steuern als Milliardäre und Multimillionäre. In der Schweiz müssen diese mehr abgeben.

BERLIN taz | 73 Milliarden Euro: So viel könnte der deutsche Staat einnehmen, wenn die Vermögensteuern auf Schweizer Niveau angehoben würden. Österreich würde das Schweizer Steuerniveau etwa 5 Milliarden Euro einbringen. Ausgerechnet in der als Steueroase bekannten Schweiz werden Superreiche stärker besteuert als in Deutschland und in Österreich. Das zeigt eine am Donnerstag veröffentlichte Studie des Momentum Instituts, des Netzwerks Steuergerechtigkeit und Oxfam Deutschland. Doch wie kommt es zu dieser Ungleichbehandlung?

Einkommen aus Arbeit wird in Deutschland und Österreich stärker besteuert als Einkommen aus Vermögen – also Dividenden, Kapitalanteilen etwa aus Immobilien und Aktien und Beteiligungen an Unternehmensgewinnen. Daher liegt die tatsächliche Besteuerung von Einkommen gemäß der Studie nur bei bis zu 30 Prozent. Das ist deutlich niedriger als die vorhergesehenen Höchst­steuer­sätze. Erstaunlich dabei: Der Steuer- und Abgabenbeitrag von Mittelstandsfamilien ist in Deutschland und Österreich mit über 40 Prozent in der Realität höher als der von Superreichen.

[...] Fest steht: Dem reichsten fünf Prozent der deutschen Bevölkerung gehört fast die Hälfte des Vermögens. Barbara Schuster vom Momentum Institut Österreich weist zudem auf den überdurchschnittlich hohen Beitrag an die Erderhitzung durch Superreiche hin: „Eine faire Besteuerung würde die Ressourcen freisetzen, die wir für sozial gerechte Klimapolitik dringend benötigen.“...

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China | WindenergieWettbewerb

Schreckensszenario der Windkraft

"China drückt einen Knopf und in Deutschland wird es dunkel"

Deutschland will auf See bis 2030 Windparks mit einer Kapazität von 30 Gigawatt bauen, bis 2045 sollen es sogar 70 Gigawatt sein. Die Branche schätzt, dass dafür 7000 Windräder von der Größe des Eiffelturms notwendig sind. Für diesen Ausbau fehlen derzeit allerdings Hafenflächen und Spezialschiffe. Eine Schlüsselrolle spielt Cuxhaven. Bärbel Heidebroek, die Präsidentin des Bundesverbands Windenergie (BWE), erklärt im "Klima-Labor" von ntv, warum der niedersächsische Hafen ein Flaschenhals für den deutschen Ausbau auf See, aber auch an Land und somit für die gesamte Energiewende ist. Ein weiteres Problem ist die subventionierte chinesische Konkurrenz. Ohne klare Wettbewerbsregeln drohe der europäischen Windindustrie dasselbe Schicksal wie der Solarbranche, warnt die BWE-Chefin. Das Schreckensszenario ist finster: Setzt sich China durch, könnte die chinesische Führung später die deutsche Energieversorgung kontrollieren. 

ntv.de: Wie kann es sein, dass Hafenflächen für die Windkraft auf See fehlen? 

Bärbel Heidebroek: Die Hafenflächen sind natürlich nicht weniger geworden, wir brauchen einfach immer mehr Kapazitäten. Wir benötigen den Hafenausbau auch nicht nur für Offshore, also für Windkraft auf See. Die meisten Rotorblätter für Windenergieanlagen an Land kommen ebenfalls übers Wasser zu uns: 80 Prozent dieser Onshore-Flügel landen in Cuxhaven an. Die Mengen und die Rotorblätter selbst sind deutlich größer geworden und der Hafenausbau nicht hinterhergekommen.

[...] Derzeit wird auch eine große Debatte über fairen Wettbewerb mit China geführt. Die EU ermittelt in den Bereichen E-Autos, Solarindustrie, schaut sich aber auch chinesische Windturbinenbauer an. Es stehen Strafzölle und Einfuhrbeschränkungen im Raum. Fürchten Sie aus dieser Richtung Probleme?

Strafzölle sind selten eine gute Idee, denn die führen zu einem Handelskrieg. Klar ist, dass China unter anderen Bedingungen produziert. Der chinesische Staat subventioniert seine Firmen extrem. Das ist kein fairer Wettbewerb. Dagegen kommen europäische Windhersteller nicht an. Wir müssen aufpassen, dass sie nicht wie die Solarfirmen von chinesischen ersetzt werden. Es gibt aber eine europäische Antwort, den sogenannten Net Zero Industry Act, der besagt: 40 Prozent sämtlicher grüner Technologien müssen in Europa hergestellt werden. Gerade wird diskutiert, wie die Verordnung ausgestaltet sein muss, damit die Windindustrie faire Rahmenbedingungen erhält.

Zeichnet sich bei bestimmten Bauteilen bereits ein Flaschenhals ab, der zum Problem werden könnte?

Wie in allen technischen Geräten gibt es Komponenten, die vornehmlich aus China kommen. Wir sollten zumindest einen Teil der Produktion zurück nach Europa holen. Ich möchte mir keine Welt vorstellen, in der China deutsche Windenergieanlagen vom Netz nehmen kann und unsere Energieversorgung kontrolliert...

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Demokratie | Einreiseverbot | Palästina-Kongress

„Palästina-Kongress“ in Berlin:

Weiter Wirbel um Varoufakis

Wer hat das Einreiseverbot gegen den griechischen Ex-Minister verfügt? Die Behörden stiften Verwirrung. Linke und Amnesty fordern Aufklärung.

BERLIN taz | Das Einreiseverbot gegen den ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis war auf die Zeit vom 10. bis zum 14. April 2024 beschränkt – den Zeitraum des „Palästina-Kongresses“ in Berlin, der von der Polizei abgebrochen wurde. Wäre Varoufakis, derzeit Generalsekretär der von ihm mitgegründeten europäischen Bewegung Democracy in Europe Movement 2025 (Diem25), dazu nach Deutschland gereist, wäre er vermutlich an der Grenze zurückgewiesen worden. Das geht aus einem Mailverkehr zwischen dem Anwalt des griechischen Politikers und der deutschen Bundespolizei hervor, über den die Frankfurter Rundschau (FR) heute berichtet.

Unklar ist immer noch, wer genau das Einreiseverbot verhängt hat – und warum. Wie die taz am Samstagabend berichtete, hatte die Polizei seinen Anwälten am Samstag in Berlin mündlich mitgeteilt, dass gegen Varoufakis ein Betätigungs- und Einreiseverbot verhängt worden sei.

Das BMI wollte das gegenüber der taz nicht bestätigen und verwies auf die Senatsinnenverwaltung in Berlin. Diese verwies die taz an die Bundespolizei. Handelsblatt und AFP berichteten am Montag, dass es sich nicht um ein Betätigungsverbot handeln soll, das gegen EU-Bürger rechtlich nicht möglich wäre, sondern um ein Einreiseverbot. Dieses darf auch gegen EU-Bürger verhängt werden.

[...] Amnesty Deutschland fordert eine unabhängige Untersuchung zum Vorgehen der Polizei gegen den „Palästina-Kongress“ in Berlin. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit gelte „für alle Menschen, auch wenn sie die deutsche und israelische Regierungspolitik kritisieren“. Die Grenze werde „durch strafbare Handlungen und nicht durch politisch unliebsame Aussagen markiert“.

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Militärisch-industrielle KomplexAufrüstungAktienkurse

Wann beenden wir endlich die Party der Rüstungskonzerne?

Aktienkurse der Waffenhersteller explodieren. Kriege treiben das Rüstungsrad an. Über den fatalen, steuerfinanzierten Geldsegen – und Feigheit. Einordnung.

Umfragen zeigen uns, dass viele Menschen in Europa und Amerika zunehmend besorgt sind über Kriege und militärische Eskalationen. Nach einer Erhebung in den USA haben zum Beispiel 84 Prozent der Befragten Angst davor, dass das eigene Land in den Nahost-Konflikt hineingezogen werden könnte.

Und diese Studie wurde im November letzten Jahres veröffentlicht, also vor der jüngsten Verschärfung im Zuge der militärischen Schläge von Israel und dem Iran.

[...] Deutsches Militärbudget: Steigerung um 90 Prozent

Der deutsche Verteidigungshaushalt wurde im Vergleich zu den Budgets der anderen Ministerien in den letzten Jahren am stärksten aufgestockt, von 38,5 auf jetzt 51,95 Milliarden Euro. Dazu kommen noch 20 Milliarden aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr für 2024. Also insgesamt werden für Verteidigung 72 Milliarden ausgegeben.

Das ist eine Steigerung von fast 90 Prozent in nur fünf Jahren.

In den USA ist man beim Pentagon- und Sicherheitsbudget längst in der Stratosphäre, die kein Maß, keine Grenzen kennt. 1,4 Billionen Dollar der Steuerzahler-Gelder, Tendenz steigend, werden pro Jahr für Militär- und Sicherheitsausgaben bereitgestellt (davon 900 Milliarden für das Verteidigungsministerium). 62 Cents von jedem gezahlten Steuer-Dollar, der frei verfügbar vom US-Kongress ausgegeben wird, endet bei Streitkräften, Militärbasen, Waffenproduzenten und Sicherheitsfirmen.

[...] Der militärisch-industrielle Komplex wuchert 

Russland steigerte die Rüstungsgelder um rund neun Prozent auf 86,7 Milliarden Dollar. China erhöhte sein Budget um gut vier Prozent auf 292 Milliarden Dollar, ein Drittel von dem, was die USA ausgeben.

Aber nicht nur Kriege sind gut fürs Geschäft. Auch an der militarisierten Grenzschutz verdienen Militär- und Sicherheitsunternehmen, während es ihre Waffen und Munition sind, die die Flüchtlings- und Migrationskrisen erzeugen, gegen die man sich in den reichen Ländern dann mithilfe der gleichen Unternehmen schützt, alles zulasten der Steuerzahler...

 


17. April


 

Klimakrise | HitzeStarkregen | Bruttoinlandsprodukt

Studie über ökonomische Schäden:

Klimakrise schrumpft Weltwirtschaft

Die Erderhitzung lässt nicht nur Gletscher, sondern auch den Wohlstand schmelzen, warnen Klimaforscher*innen. Auch in Deutschland.

Die Klimakrise macht uns ärmer: Die Weltwirtschaft droht durch die Erderhitzung bis 2050 etwa um ein Fünftel zu schrumpfen, warnen Kli­ma­for­sche­r*in­nen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung in einer neuen Studie. Die Ergebnisse sind am Mittwoch in der Fachzeitschrift Nature erschienen. Es drohe ein drastischer Einkommensverlust, auch in Deutschland.

Insgesamt schätzen die Forschenden die jährlichen Schäden im Jahr 2050 auf weltweit rund 38 Billionen US-Dollar, das entspricht nach aktuellem Wechselkurs 35,7 Billionen Euro. Die Probleme sind vielfältig: Dürren oder Starkregen raffen zum Beispiel Ernten dahin. Die zunehmende Hitze führt zu Erschöpfung bei Beschäftigten, was die Arbeitsleistung verringert.

Das haben auch andere Untersuchungen schon ergeben. Die Öko­no­m*in­nen des Versicherers Allianz hatten zum Beispiel im vergangenen Jahr ausgerechnet, wie eine einzige sommerliche Hitzewelle in den Vereinigten Staaten, Südeuropa und China zu verminderter Produktivität führte. Das Ergebnis: Die extremen Temperaturen, die durch die Klimakrise wahrscheinlicher wurden, hätten die Länder 2023 im Schnitt 0,6 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts gekostet.

Die zur Jahrhunderthälfte zu erwartenden Schäden werden laut der aktuellen Studie aus Potsdam sechsmal mehr kosten als Maßnahmen, um die globale Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. Selbst guter Klimaschutz könne aber nicht mehr verhindern, dass die Wirtschaft schrumpft – schließlich läuft die Erwärmung längst. Auch Deutschland hat sich schon deutlich aufgeheizt. Das Jahrzehnt von 2014 bis 2023 war im Schnitt 2,3 Grad wärmer als das übliche Niveau zu Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Mittlerweile sterben hierzulande laut Robert-Koch-Institut jährlich Tausende infolge von Hitze...

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Emirate | UnwetterOman

Vereinigte Arabische Emirate:

Land unter in der Wüste – Wassermassen überfluten Dubai

Regen ist in den Vereinigten Arabischen Emiraten selten. Doch jetzt stehen Teile des Landes unter Wasser. In Dubai sind Straßen überschwemmt, am Flughafen herrscht Chaos.

Die Vereinigten Arabischen Emirate erleben die schwersten Niederschläge seit Beginn der Aufzeichnungen vor 75 Jahren. Nach Angaben des Zentrums für Meteorologie waren am Dienstag bis zu 254 Millimeter Niederschlag gefallen. Das ist so viel wie sonst in etwa zwei Jahren, hieß es. Besonders viel Regen habe es im Osten an der Grenze zum Oman gegeben. Die Staatsagentur WAM sprach von einem "historischen Wetterereignis".

[...] Keine Abflusssysteme für starken Regen

Die Schulen in Dubai blieben geschlossen, Regierungseinrichtungen und Unternehmen riefen ihre Mitarbeiter auf, von zu Hause aus zu arbeiten. Viele, die sich dennoch auf die Straßen wagten, blieben mit ihren Fahrzeugen stehen. Einige mussten in ihren Autos übernachten. Die Behörden schickten Tanklastwagen auf die Straßen und Autobahnen, um das Wasser abzupumpen. In einige Häuser drang Wasser ein.

[...] Starken Regen gab es auch in Katar, Bahrain und Saudi-Arabien. Im Sultanat Oman sind bei heftigen Regenfällen 19 Menschen getötet worden, darunter zehn Schulkinder.

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Klimaziele | CO2-EmissionenVerkehr(t)sminister

Expertenrat für Klimafragen

Verkehr verfehlt Klimaziel zum dritten Mal

In Deutschland wurde 2023 weniger CO2 ausgestoßen, der Verkehrssektor hat seine Klimaziele aber deutlich verfehlt. Politisch wird das keine direkten Folgen haben, denn die Bundesregierung hat das Klimaschutzgesetz entsprechend angepasst. 

Bis 2030 sollen die Emissionen an Treibhausgasen in Deutschland um 65 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 sinken. So steht es im Klimaschutzgesetz. Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden, also kein CO2 mehr ausstoßen. Wie sehr das Land seinem Ziel näher kommt, überprüft der Expertenrat für Klimafragen (ERK) alle zwei Jahre.

[...] Die CO2-Emissionen sind im Jahr 2023 um rund zehn Prozent zurückgegangen, also von 750 auf 674 Millionen Tonnen. Das ist laut Expertenrat für Klimafragen der höchste prozentuale Rückgang binnen eines Jahres seit 1990.

Die größte Reduktion, um 20 Prozent, gab es bei der Energiewirtschaft. Industrie und Gebäude kamen auf ein Minus von jeweils acht Prozent. Allerdings sind die Daten für den Gebäudesektor zwar plausibel, aber nicht eindeutig, weil sie auf Schätzungen beruhen. Nur der Verkehrssektor verfehlte sein Ziel um 12,8 Millionen Tonnen CO2 und kam nur auf einen Rückgang von einem Prozent. Der Sektor überschritt damit die zulässige Jahresemissionsmenge zum dritten Mal in Folge. Bereits im Vorjahr war der Anteil des Verkehrs an den Gesamtemissionen von etwa 13 Prozent im Jahr 1990 auf fast 20 Prozent im Jahr 2022 gestiegen.

Die gute Nachricht: Zum ersten Mal lag der Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien bei über 50 Prozent.

[...] Volker Quaschning, Energieexperte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, lobt zwar die Solarförderung, bezweifelt aber, dass damit die geschaffenen Probleme gelöst werden. So sei es immer schwieriger, größere Solaranlagen in die Netze zu intergrieren. „Darauf zu hoffen, dass der Solarboom die Versäumnisse im Verkehr ausgleicht, ist eine ziemliche Illusion“, so Quaschning. Auch ein Windrad ersetze kein Dieselauto.

„Im Verkehr tut sich nach wie vor nichts“, sagt er. „Das wird uns früher oder später auf die Füße fallen.“ Im vergangenen Jahr seien 900.000 Öl- und Gasheizungen eingebaut worden. Damit seien fatale Entscheidungen getroffen worden, die schwer oder gar nicht mehr zu korrigieren seien. „Man müsste jetzt die richtigen Weichen stellen.“ Mit dem neuen Klimaschutzgesetz mogle man sich bloß bis zur nächsten Bundestagswahl durch. „Aber dann ist die Klimaneutralität bis 2045 eigentlich nicht mehr erreichbar.“

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Meinungsfreiheit | VolksverhetzungEinreiseverbot

Einreiseverbot für Yanis Varoufakis:

Das Land driftet einer neuen McCarthy-Ära entgegen

Meinung Der deutsche Staat greift wegen des Palästina-Kongresses zum Einreiseverbot – unter anderem gegen Yanis Varoufakis – und bemüht dafür Paragrafen, die einer beliebigen Auslegung sperrangelweit offen stehen

Er wollte nach London, um seinen neuen Film vorzustellen. Da erreichte ihn am 18. September 1952, noch während der Überfahrt mit dem Passagierdampfer Queen Elizabeth, ein Telegramm der US-Behörden. Darin stand, er dürfe nur dann in die Vereinigten Staaten zurückkehren, wenn er sich einer hochnotpeinlichen Befragung durch den „Ausschuss für unamerikanische Umtriebe“ stelle. Missachte er die Anweisung, bleibe das Einreiseverbot bestehen. Charlie Chaplin, wegen Kommunismus-Verdachts unter Beobachtung des FBI, reckte beide Mittelfinger, emigrierte in die Schweiz und schrieb in seinen Memoiren den bedenkenswerten Satz: „Superpatrioten könnten die Zelle sein, aus der sich Amerika in einen faschistischen Staat verwandelt.“

[...] Was hierzulande unter Hetze verstanden wird, hat der Bundestag im Dezember 2022 – unter dem Eindruck hasserfüllter Ukraine-Kriegsdebatten – drastisch verschärft. Seither gilt das Billigen, Leugnen oder grobe Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen mittels Äußerungen, die geeignet sind, zu Hass und Gewalt gegen Personen oder Personengruppen aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören, als strafbare Volksverhetzung.

Namhafte Juristen haben eingewandt, solche für beliebige Auslegung sperrangelweit offenen Paragrafen würden über kurz oder lang zu einer Einschränkung legitimer öffentlicher Diskurse führen und eher selten die Richtigen treffen. Inzwischen sind wir so weit, dass Einreiseverbote schon vorbeugend verhängt werden, ohne dass Straftaten vorliegen...

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Atomausstieg | AtomlobbyUrsula von der Leyen

Von der Leyen und Atomallianz gefährden Sicherheit, Wirtschaft und Klimaschutz

Neue Analyse zeigt die massiven Gefahren der Atomkraft. Am 21.3.2024 fand in Brüssel der Atomgipfel der Atom-Allianz von etwa 30 Staaten statt.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, CDU, die einst den Atomausstieg unter Kanzlerin Merkel unterstützte, zeigte hier ihr wahres Gesicht: Ihre längst vollzogene Kehrtwende hin zur vollen Unterstützung der Atomenergie. Im Folgenden ein Auszug aus ihrer Rede:

„Ich stelle zudem fest, dass viele Länder nach der globalen Energiekrise, die durch die Invasion Russlands in die Ukraine verursacht wurde, einen neuen Blick auf die mögliche Rolle werfen, die die Atomenergie spielen könnte. Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens um unsere Klimaziele zu erreichen: Wir dürfen nicht vergessen, dass Kernenergie weltweit nach der Wasserkraft die zweitgrößte Quelle für emissionsarmen Strom ist. Zweitens um unsere Energiesicherheit zu gewährleisten: Die Länder versuchen, ihre Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen zu verringern. Drittens kann die Kernenergie einen zuverlässigen Anker für die Strompreise bilden und damit unsere Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten. …. Unsere kommissionseigenen Prognosen zeigen ebenfalls, dass die Kernenergie mehrheitlich erneuerbare Energiequellen ergänzen und Letztere bis 2050 das Rückgrat der Stromerzeugung in der EU bilden werden.“

Die von ihr genannten Gründen sind nicht tragfähig. Sie verkennt, dass die CO2-freien Erneuerbaren Energien die Stromerzeugung aus Kernenergie bereits deutlich übertroffen haben:

Im Jahr 2023 stammte etwa 9 % der weltweiten Elektrizität aus Atomkraftwerken.

Die Erneuerbaren Energien trugen aber schon etwa 30% bei.

Ihr Vergleich von Atomkraft mit Wasserkraft ist offensichtlich so gewählt, um über den schwachen Beitrag der Atomenergie hinweg zu täuschen...

 


16. April


 

Nestlé | NahrungsmittelZucker

50 Jahre nach dem Milchpulver-Skandal

Experten finden viel Zucker in Nestlés Babynahrung

In Europa vermarktet der größte Lebensmittelhersteller der Welt sein Milchpulver oft ohne Zuckerzusatz. In Entwicklungs- und Schwellenländern sieht das ganz anders aus, zeigt nun eine neue Untersuchung. 

Nestlé setzt seinen Baby- und Kleinkindprodukten in Entwicklungs- und Schwellenländern offenbar große Mengen Zucker zu. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Schweizer Organisation »Public Eye« und des »International Baby Food Action Network«. Das Papier liegt dem SPIEGEL vor.

Die beiden NGOs haben dafür Nestlés Getreidebrei- und Milchpulvermarken Cerelac und Nido in einem Labor untersuchen lassen. Beide werden vom größten Nahrungsmittelhersteller der Welt als »gesund für Kinder« beworben, sind in Asien, Afrika und Lateinamerika weitverbreitet und gelten als sogenannte »billion brands« – Marken, die je über eine Milliarde Schweizer Franken zu Nestlés Umsatz beisteuern. Nido, auf dem Markt seit 1944, ist gar Nestlés bestverkaufte Folgemilch-Marke weltweit.

In Europa verkauft Nestlé die Produkte nur in einigen Ländern und teilweise unter anderen Namen. Hier bietet die Firma ihre Babybreie und Milchersatzprodukte auch gänzlich ohne Zuckerzusatz an.

In Indien, Brasilien oder Nigeria sieht das anders aus. Laut der Studie soll Nestlés dort verkaufter Kinderbrei Cerelac regelmäßig vier Gramm zugesetzten Zucker pro Portion enthalten – einen ganzen Teelöffel voll. Zielgruppe: Babys ab sechs Monaten. Das Milchpulver Nido, welches die Schweizer etwa in Indonesien, Südafrika, Mexiko oder Nicaragua für Kleinkinder unter drei Jahren anbieten, soll demnach ebenfalls hoch dosierten zugesetzten Zucker enthalten. Bis zu fünf Gramm pro Portion, so die Studie...

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Treibhausgas | BiogasanlageGülle

Das Potenzial der Biogasanlagen:

Mist statt Mais

Biogas hat einen schlechten Ruf, weil großflächig Mais zur Energiegewinnung angebaut wird. Dabei liefert es grünen Strom, wenn Sonne und Wind fehlen.

Späht man lange genug durch die Luke, sieht man es blubbern und brodeln. Was man nicht sieht, auch wenn man die Augen noch so sehr zusammenkneift: wie aus der braunen Masse Gas nach oben steigt; und den grünen Strom, der daraus entsteht.

Jürgen Frenzel knipst die Beleuchtung hinter dem Guckloch wieder aus und lehnt sich gegen das Geländer des erhöhten Stegs rund um seine Biogasanlage. Auf Frenzels olivgrünem Baseballcap steht „Landwirt“. Präziser wäre „Landwirt mit nachhaltiger Biogasanlage“. Das unterscheidet ihn von den meisten in Deutschland. Denn Frenzel baut keine Energiepflanzen wie Mais an, um daraus Strom zu erzeugen. Was hier, in einem Ortsteil der Gemeinde Nuthe-Urstromtal südlich von Berlin, vor sich hin gärt, ist der Mist von 450 Bullen und altes Stroh aus dem Stall.

Gülle und Mist setzen das besonders klimaschädliche Methan frei, aber auch Kohlenstoffdioxid. Ohne die Biogasanlage würden die Gase in die Atmosphäre gelangen und dort ihre Wirkung entfalten. So wird aus ihnen in einem anliegenden Blockheizkraftwerk Strom. Bei der Verbrennung des gewonnenen Gases gelangt zwar auch CO₂ in die Umwelt; dieses hatten Pflanzen ihr allerdings entzogen, bevor sie in den vielen Mägen der Rinder landeten.

Vereinfacht betrachtet erscheint die Verstromung von Biogas CO₂-neutral. Doch Äcker emittieren Treib­haus­gase, Traktoren verbrauchen Treib­stoff, in der Praxis entweicht immer wieder Gas. Die tatsächliche CO₂-Bilanz einer Biogasanlage hängt also stark davon ab, wie sie geführt wird. Bei einer modernen Anlage, wie der von Frenzel, die zudem auf sogenannte Reststoffe setzt, dürfte die CO₂-Bilanz annähernd neutral oder sogar negativ sein...

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Brasilien | Angra | Akw Angra

Fertigstellung von Angra 3 in Brasilien weiter im Gespräch

Der brasilianische Atomstromversorger Eletronuclear (Teil des staatlichen Stromversorgers Eletrobras) hat sich gegen einen Bericht des Rechnungshofs der Union (TCU - Tribunal de Contas da União) gewandt, in dem darauf hingewiesen wird, dass nach der Inbetriebnahme von Block 3 des KKW Angra eine Erhöhung des Energietarifs erfolgen würde. Eletronuclear erklärte, dass die in dem Bericht zitierten Daten vorläufig seien.

Die Blöcke 1 und 2 des KKW Angra erzeugen derzeit etwa 3 % des brasilianischen Stroms. Der Bau von Angra 3 mit einem Siemens/KWU-Druckwasserreaktor mit einer Leistung von 1.405 MWe begann 1984, wurde aber nach zwei Jahren unterbrochen. Das Projekt wurde 2006 wieder aufgenommen und der erste Beton wurde 2010 gegossen. Nach Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit staatlichen Aufträgen wurden die Arbeiten jedoch 2015 wieder eingestellt. Die Anlage war damals zu 65 % fertiggestellt.

Im Jahr 2022 ordnete der neu ernannte Präsident von Eletronuclear, Eduardo Grand Court, die Wiederaufnahme der Bauarbeiten an. Im April ordnete die Stadtverwaltung von Angra dos Reis jedoch erneut einen Baustopp an. Bürgermeister Fernando Jordão sagte, er habe das Embargo genehmigt, "weil Eletronuclear ein Projekt durchführt, das nicht mit dem übereinstimmt, was die Gemeinde genehmigt hat", einschließlich der versprochenen Entschädigungszahlungen. Im Jahr 2023 erklärte Eletronuclear, dass es sich verpflichtet habe, die Aussetzung der Arbeiten rückgängig zu machen und einen konstruktiven Dialog mit der Stadt Angra dos Reis zu suchen, um offene Fragen zu klären...

Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version)

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Bayrisch-militärische Zeitenwende

Bayerns Universitäten müssen für das Militär forschen

Die Zeitenwende erreicht Wissenschaft und Lehre. Mit einem Gesetz ordnet die Staatsregierung die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und der Bundeswehr an.

Bayerns Universitäten und Hochschulen sollen auch dem Militär dienen. Dieses Ziel verfolgt die Staatsregierung mit ihrem Gesetz zur Förderung der Bundeswehr, über das der Landtag am Mittwoch in erster Lesung berät.

Das Gesetz ist eine Reaktion auf die deutschlandweite "Zeitenwende-Diskussion" nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Es sieht die Neufassung mehrerer landesrechtlicher Bestimmungen vor. Unter anderem sollen Bayerns Universitäten und Hochschulen nun einem allgemeinen Kooperationsgebot mit der Bundeswehr unterliegen. Zitat: "Die mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschung an Hochschulen muss auch für militärische Zwecke der Bundesrepublik Deutschland oder der Nato-Bündnispartner verwendet werden können."

[...] Die Grünen im Landtag bezweifeln allerdings, ob ein gesetzlich verankertes Verbot der richtige Weg ist. Verena Osgyan, Sprecherin für Wissenschaft in der Fraktion, sagte auf Anfrage unserer Redaktion: "Wir Grüne halten nichts davon, Hochschulen oder einzelne Forscher*innen zu Kooperationen, egal mit wem, zu zwingen – das widerspricht unserem Verständnis von Wissenschaftsfreiheit." Nach Ansicht der Grünen führen Förderprogramme eher zum Ziel. Das Bundeswirtschaftsministerium arbeite schon daran. Osgyan: "Daran sollte Bayern sich ein Beispiel nehmen."

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Beteiligung | Strompreis | Windkraft

Niedersachsen startet Windenergie-Ausbau:

Ausgleichszahlungen für Anwohner

Niedersachsen will mehr Windräder aufstellen. Um die Akzeptanz zu erhöhen, sollen die Betreiber Kommunen und Anwohner finanziell beteiligen.

OSNABRÜCK taz | Niedersachsen will die Genehmigung von Anlagen für erneuerbare Energie an Land neu regeln. Einen 50-seitigen Gesetzentwurf der Landesregierung soll der Landtag in dieser Woche beschließen. Er ist ein Aufbruch ins Neuland, denn künftig soll bei Windkraftanlagen die finanzielle Beteiligung der betroffenen Kommunen und Anwohner verpflichtend werden, um die Akzeptanz zu erhöhen.

[...] Der Anlagenbetreiber muss betroffenen Gemeinden 0,2 Cent pro eingespeister Kilowattstunde als „Akzeptanzabgabe“ zahlen, zudem den Anwohnern innerhalb eines Radius von 2,5 Kilometer 0,1 Cent. Um diese Partizipation zu gewährleisten, stehen dem Betreiber viele Wege zur Verfügung, von der Direktzahlung und der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung am Unternehmen bis zum vergünstigten Stromtarif.

„Das ist eine Beteiligung der vielen“, sagt Kollenrott und stellt eine Beispielrechnung auf: Angenommen, ein Windpark von drei Anlagen zu je 5 Megawatt erzeugt bei 2.500 Vollast-Betriebsstunden pro Jahr 37,5 Millionen Kilowattstunden Strom, brächte das der Kommune jährlich 75.000 Euro ein. Gesetzt, 500 Anwohner melden ihren Anspruch an, bekommt jeder 75 Euro pro Jahr. Meldet sich niemand, fallen die 0,1 Cent zusätzlich an die Kommune, für gemeinwohlorientierte Vorhaben. „Die Bürger sollen merken: Das ist auch mein Windrad“, sagt Kollenrott. Ende April könnte das Gesetz in Kraft treten. „Es wird große Strahlkraft haben“, hofft Kollenrott...

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Erdgas | Greenwashing | Correctiv | Die Ökogas-Lüge

„Das ist Kundentäuschung“: Correctiv entlarvt Ökogas-Lügen

Die Mehrzahl der deutschen Haushalte heizt mit Erdgas – gut fürs Klima ist das nicht. Öko-Versprechen vieler Anbieter erleichtern da das Gewissen. Doch oft ist „Ökogas“ nichts als Täuschung, das zeigt eine neue Recherche des Netzwerks Correctiv.

Für ein paar Cent extra soll das gelieferte Erdgas „klimaneutral“ sein, das versprechen viele deutsche Gasversorger. Dabei bleibt das „Ökogas“ einfach Erdgas, die Anbieter stecken aber Geld in Projekte, die das Klima schützen sollen. So wollen sie die klimaschädlichen Emissionen der Gasverbrennung zumindest rechnerisch ausgleichen. Das Prinzip nennt sich Kompensation.

Zum Beispiel beteiligen sich viele Gasversorger an Baumpflanz- oder Waldschutzprojekten in verschiedenen Teilen der Welt, indem sie Gutschriften kaufen. Die Praxis ist nicht nur in der Energie-, sondern auch in anderen Branchen verbreitet, aber einigermaßen umstritten. Die Emissionen sind schließlich entstanden und sie verschwinden auch durch Klimaschutzmaßnahmen wie Baumpflanzungen nicht wieder. Untersuchungen belegen zudem immer wieder, dass die Projekte deutlich weniger effektiv sind als versprochen.

[...] Hat die Recherche Konsequenzen?

Nachdem Correctiv die betroffenen Gasanbieter mit den Rechercheergebnissen konfrontiert hat, ziehen bereits die ersten Unternehmen Konsequenzen: So kündigte der Energieriese Rhein Energie an, das Ökogas-Angebot zu pausieren, bis „konkrete Projektüberprüfungsverfahren“ vorliegen. Sechs weitere Gasversorger haben laut Correctiv ihre Klimaneutralitätsversprechen von ihren Webseiten entfernt, darunter die Stadtwerke Rheine, Neumarkt in der Oberpfalz und Rietberg-Langenberg. Der Energieversorger Entega, der CO2-Gutschriften aus sechs ungeeigneten Waldschutzprojekten bezog, teilte Correctiv mit, man stelle das Konzept Ökogas nun infrage.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat 15 Gasversorger aufgefordert, ihre verbrauchertäuschende Werbung für „klimaneutrales“ Erdgas zu beenden...

 


15. April


 

Klimaschutzgesetz | Tempolimit | Solarpaket

Reform des Klimaschutzgesetzes:

Verwässertes Klimagesetz kommt

Die Spitzen der Ampelkoalition einigen sich auf eine umstrittene Reform. Die angedrohten Fahrverbote des Verkehrsministers sind damit vom Tisch.

BERLIN taz | Weniger Verbindlichkeit beim Klimaschutz: Die Fraktionen der Ampel-Koalition im Bundestag haben sich bei der Reform des Klimaschutzgesetzes und einem Solarpaket zusammengerauft. Das haben die Fraktionsspitzen am Montagnachmittag bekannt gegeben.

Bislang sieht das deutsche Klimaschutzgesetz konkrete CO2-Grenzwerte für jedes Jahr und verschiedene Wirtschafts- und Lebensbereiche vor, etwa Energie, Verkehr, Gebäude oder Landwirtschaft. Werden diese verfehlt, muss das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm vorlegen.

Künftig soll stattdessen die ganze Bundesregierung für Klimaschutz im Gesamten verantwortlich sein – und will dabei sektoren- und jahresübergreifend vorgehen. Die jährlichen Grenzwerte, die im Gesetz stehen, sind damit praktisch bedeutungslos. Zudem sind die Mi­nis­te­r*in­nen nicht mehr einzeln verantwortlich.

Darauf dringt besonders die FDP schon lange. Das Bundeskabinett hat die Reform im vergangenen Jahr beschlossen. Auch der Bundestag hat sich im September damit befasst, beschloss es aber nicht. Währenddessen wuchs die Kritik von Klimaschützer*innen, die in der Reform eine Verwässerung sehen.

[...] Mit einem Autobahn-Tempolimit auf 100 Kilometer pro Stunde, 80 außerorts und 30 in Städten kommt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) auf 11 Millionen Tonnen CO2-Einsparungen. Deshalb Wissings Schlussfolgerung: Helfen würden nur Fahrverbote. Im Klimaschutzgesetz steht allerdings etwas vage, dass Sofortprogramme eine Einhaltung der CO2-Grenzwerte „für die folgenden Jahre“ sicherstellen sollen.

[...] Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen mahnen an, dass es unabhängig von gesetzlichen Formalia mehr Klimaschutz im Verkehrssektor brauche. „Ob mit oder ohne Sofortprogramm: Minister Wissing muss die Emissionen drücken“, sagte Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland. „Nichtstun lässt Spielräume schrumpfen und macht Klimaschutz immer teurer.“

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Photovoltaik | SolarmoduleSolarthermie | PVT-Module

Produktion von PVT-Modulen:

Hoffnung für deutsche Solarindustrie?

Die deutsche Solarbranche steckt in der Krise. Doch ein Hersteller trotzt dem Trend - setzt auf Innovation und Technologievorsprung. Eine mögliche Zukunft für den Standort?

Es sind nicht gerade wenige Herausforderungen, mit denen die Solarindustrie in Deutschland zu kämpfen hat. China überschwemmt den europäischen Markt mit Billigprodukten. Trotzdem hat die Bundesregierung möglichen Subventionen für Solarmodul-Hersteller kürzlich eine Absage erteilt.

Große Player wie Meyer Burger versuchen ihr Glück daher lieber in den USA. Die Firma Sunmaxx hingegen hat sich entschieden, gerade in Deutschland eine große Produktionsstätte aufzubauen - und zwar für Solarmodule. Wie zukunftsfähig kann das sein?

[...] All diesen Widrigkeiten zum Trotz hat sich die Firma Sunmaxx entschieden, der Solarbranche in Deutschland eine Chance zu geben. Am 15. April 2024 eröffnet sie ihre Solarmodulproduktion in Ottendorf-Okrille bei Dresden. Das Besondere: Das Unternehmen setzt auf hocheffiziente Solarmodule, die nicht nur Strom, sondern gleichzeitig auch Wärme produzieren. Diese PVT-Module können dann in Privathäusern, der Industrie und der kommunalen Wärmeversorgung eingesetzt werden...

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Finnland | EPR | Olkiluoto

AKW Olkiluoto 3: Wartung wegen neuer Mängel verlängert

Eigentlich sollte der neue EPR in Olkiluoto schon seit dem 8. April wieder am Netz sein. Nun hat der Betreiber die Wartungsarbeiten ein zweites Mal verlängert.

Die jährliche Wartung von Block 3 des finnischen Atomkraftwerks Olkiluoto dauert länger als geplant. Sie werde um acht Tage verlängert, da während der Wartung neue Mängel festgestellt wurden und es technische Probleme mit den Prüfgeräten gegeben habe, teilte der Betreiber TVO Ende vergangener Woche mit.

Es sei nun damit zu rechnen, dass die Wartung am 28. April abgeschlossen sein wird. Welche Mängel er festgestellt hat, teilte TVO nicht mit. Der Betreiber wollte die Wartung eigentlich zum 8. April beendet haben, hatte dann zunächst die Dauer der Arbeiten auf den 15. April verlängert. Die Abschaltung des Reaktors und der Brennstoffaustausch habe länger als geplant gedauert, hieß es Mitte März.

Olkiluoto 3 ist ein Europäischer Druckwasserreaktor (EPR), an dem Framatome (damals Areva) und Siemens seit 2005 gebaut hatten. Vor einem Jahr ging er regulär ans Netz. Ursprünglich sollte er 2009 Strom ins finnische Netz speisen, die Baukosten steigerten sich von ursprünglich angesetzten 3 Milliarden auf 12 Milliarden Euro...

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Rumänien | Abholzung | Raubbau

Recherche in Rumänien

Lässt Ikea in Urwäldern holzen?

Greenpeace prangert den schwedischen Möbelkonzern wegen der Nutzung von wertvollen Bäumen aus den Karpaten an. Filialen in einem Dutzend europäischer Länder könnten betroffen sein, auch in Deutschland.

Urwald-Holz für Ingolf-Stühle oder Sniglar-Babybetten? Die Umweltorganisation Greenpeace hat dem Möbelriesen Ikea vorgeworfen, an der Abholzung von Urwald in Rumänien mitverantwortlich zu sein. Laut einer Greenpeace-Recherche wird Holz aus alten, wertvollen Wäldern in den rumänischen Karpaten, sogar Urwäldern, für die Möbelherstellung genutzt.

Der Vorwurf betrifft mehrere externe Hersteller, die für Ikea produzieren. Laut der Umweltorganisation wurden in Ikea-Filialen in 13 Ländern, darunter auch Deutschland, 30 verschiedene Produkte dieser Lieferanten gefunden, darunter besagte Möbelklassiker des Konzerns. Betroffen waren außerdem Ikea-Läden in Belgien, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Israel, Italien, Österreich, Polen, Schweden, der Schweiz, Tschechien und Ungarn.

In Rumänien finden sich einige der letzten noch verbliebenen Urwälder Europas. Ikea dürfe diese "nicht für Möbel zerstören", sagte Greenpeace-Waldexpertin Gesche Jürgens. "Alte Wälder sind für die Gesundheit des Planeten unverzichtbar und müssen sofort geschützt werden." Ikea müsse gegen den Raubbau vorgehen, forderte sie...

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Subventionen | Arbeitsplätze | Transformation

Stellenstreichungen bei ThyssenKrupp:

Und die Subventionen?

Der Stahlkonzern ThyssenKrupp will viel Personal kürzen, bekommt aber gleichzeitig Staatsgeld – das sollte künftig unterbunden werden.

Die angekündigte Streichung von Arbeitsplätzen bei ThyssenKrupp sollte der Politik eine Warnung sein. Um rund 20 Prozent will der Konzern seine Stahlproduktionskapazitäten senken. Treffen soll das vor allem den Standort Duisburg, wo 13.000 der rund 27.000 in seiner Stahlsparte Beschäftigten arbeiten. Auch wenn der Stahlkonzern Details bisher noch offen lässt, ist klar, dass der Stellenabbau massiv sein wird. Was dabei besonders dreist ist: Gleichzeitig erhält ThyssenKrupp vom Bund und vom Land Nordrhein-Westfalen 2 Milliarden Euro an Subventionen zum Bau einer klimafreundlichen Produktionsanlage.

Dass der Staat in der gegenwärtigen Lage für den Aufbau einer klimafreundlichen Industrie Subventionen zahlt, ist eigentlich nicht verkehrt. Die Umbrüche und Herausforderungen, vor der die Wirtschaft in den nächsten Jahren stehen, sind so groß, dass sie nur mithilfe der öffentlichen Hand gemeistert werden. Vor allem aber müssen sie planvoll angegangen werden; der Erfolg der Transformation darf nicht den freien Kräften des Marktes, also dem Zufall, überlassen werden. 

[...] Künftige Förderungen sollte der Staat an klare Bedingungen knüpfen: Die begünstigten Unternehmen sollten Standort- und Beschäftigungsgarantien abgeben müssen. Ansonsten sind die Subventionen nur Geschenke an die Aktionär*innen, die davon profitieren, dass die Allgemeinheit die Transformation ihrer Unternehmen bezahlen.

 


14. April


 

Erneuerbare | Atomausstieg | Blackout

Ein Jahr nach dem Atomausstieg:

Atomkraft? Vermisst die jemand?

Am 15. April 2023 gingen die letzten drei deutschen AKWs vom Netz, begleitet von Ängsten vor Blackouts und Teuerungen. Was davon ist eingetreten?

FREIBURG/BERLIN taz | Die Debatte über Atomenergie hört nicht auf. Auch weil diese allgemein als relativ klimafreundlich gilt: Im Vergleich zu Kohle- und Gaskraftwerken verursacht sie weniger CO₂-Emissionen. Selbst im IPCC-Bericht wird Kernenergie deshalb trotz ihrer Risiken als Möglichkeit erwähnt, zumindest einen kleinen Teil des Energiebedarfs emissionsarm zu decken. Als am 15. April 2023 die drei letzten deutschen Atomkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 vom Netz gingen, nutzten Kri­ti­ke­r:in­nen des Ausstiegs auch dieses vermeintliche Klimaschutzargument als Vehikel, um das Abschalten der nuklearen Stromerzeugung generell infrage zu stellen. Daneben gab es eine Reihe von Befürchtungen rund um die Versorgungssicherheit. Nach 12 Monaten lässt sich nun eine erste Bilanz ziehen.

Wurde der wegfallende Atomstrom durch Kohle und Gas ersetzt?

Nein. Die öffentliche Nettostromerzeugung aus fossilen Energien lag in den letzten zwölf Monaten bei 155 Milliarden Kilowattstunden (Terawattstunden, TWh). In den zwölf Monaten vor dem Atomausstieg waren es 210 TWh gewesen. Diese Zahlen hat das Fraunhofer ISE im Rahmen seiner Energy-Charts aufbereitet. Der CO₂-Wert des deutschen Strommixes, den das Umweltbundesamt für 2022 noch auf 434 Gramm pro Kilowattstunde bezifferte, ist 2023 trotz Atomausstieg auf unter 400 Gramm gesunken.

[...] Stimmt es, dass große Teile der Welt auf Atomkraft setzen, während Deutschland ausgestiegen ist?

Ankündigungen zum Neubau von Reaktoren gab und gibt es in diversen Ländern zwar immer wieder, einige Projekte wurden auch realisiert. Doch in der weltweiten Bilanz konnten die neuen Atomkraftwerke gerade mal den Wegfall alter Reaktoren ersetzen. Die globale Erzeugung von Atomstrom liegt deswegen nach wie vor etwa auf dem gleichen Niveau wie schon vor 20 Jahren. Da zugleich der Stromverbrauch weltweit gestiegen ist, sank der Anteil der Atomkraft am internationalen Strommix kontinuierlich. Im Jahr 2022 lag er nur noch bei 9,2 Prozent, dem niedrigsten Wert seit 40 Jahren. Photovoltaik und Windkraft erzeugen zusammen weltweit inzwischen mehr Strom als die Atomkraft...

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Klimaschutz | Menschenrecht | Verkehrsminister

Aufreger-Debatte um Fahrverbote: Gerichtsurteil nur Scheinsieg für den Klimaschutz?

Klimaschutz ist laut EGMR Menschenrecht. Welche praktischen Konsequenzen hat das auf nationaler Ebene? Können uns Gerichtsurteile allein retten?

Wenige Tage, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg am Beispiel der Schweiz klargestellt hat, dass Defizite beim Klimaschutz Menschenrechte verletzen können, macht Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) den Deutschen Angst vor Fahrverboten am Wochenende, falls dieses Urteil hierzulande ernst genommen werde.

Ein allgemeines Tempolimit hatte die FDP in den Koalitionsverhandlungen abgelehnt, die Klimaschutz-Sektorziele im Verkehrsbereich wurden nicht erreicht. "Arbeitsverweigerung" lautete der Vorwurf bekannter Klima-Aktivistinnen wie Luisa Neubauer an Wissing.

[...] Die Klimakrise macht weder vor Generationen Halt noch kennt sie nationale Grenzen. Sie ist unsere Überlebensfrage und damit die größte Krise unseres Jahrhunderts.

Wir werden sie nur lösen durch einen raschen und hundertprozentigen Umstieg auf erneuerbare Energien. Dazu brauchen wir eine solare Weltrevolution. Es ist die erste wirkliche und friedliche, gewaltfreie globale Revolution. Sowohl die französische wie die russische und auch die chinesische Revolution waren weder friedlich noch global noch gewaltfrei. Erst das Solarzeitalter bringt die eigentliche Zeitenwende.

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Verkehrspolitik | Straßenverkehr | Parkgebühren

Parkgebühren und Co.

Großstadt konnte Autonutzung durch neue Verkehrspolitik deutlich reduzieren

Eine Großstadt hat in den letzten Jahren vermehrt in Fahrradwege investiert und die Anzahl der Autoparkplätze reduziert. Nun zeigt eine Studie, wie die verkehrspolitischen Maßnahmen wirken.

Paris (Frankreich). In vielen Großstädten, darunter laut Daten von TomTom auch Hamburg, fließt der Verkehr immer langsamer. Um den Autoverkehr und die Emissionen im Stadtgebiet zu reduzieren, hat Paris in den vergangenen Jahren die Anzahl der Parkplätze deutlich reduziert und vermehrt in Fahrradwege investiert. Wissenschaftler des Stadtplanungsinstituts um David Belliard haben nun eine Studie publiziert, die die Effekte der verkehrspolitischen Maßnahmen analysiert hat. Sie haben dazu die Bewegungen von 3.337 Menschen im Alter von 16 bis 80 Jahren aus der Metropolregion Paris Zeitraum von Oktober 2022 bis April 2023 erfasst.

Laut den Daten werden nur noch 4,3 Prozent aller Wege per Auto zurückgelegt. Fahrräder (11,2 %) und öffentliche Verkehrsmittel (30 %) haben einen deutlich höheren Anteil. Am meisten Wege (53,5) legen die Paris jedoch zu Fuß zurück.

„Wer hätte vor zehn Jahren vorhersagen können, dass das Fahrrad das Auto überholen würde. Doch es ist passiert.“...

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Iran | Israel

Krieg im Nahen Osten

Beispielloser Großangriff des Iran auf Israel

Trotz internationaler Warnungen hat der Iran seinen Erzfeind Israel mit mehr als 200 Kampfdrohnen und Raketen angegriffen. Die meisten konnten abgefangen werden. Bislang ist unklar, wie Israel reagieren wird.

Der Iran hat seine Drohung wahr gemacht und Israel in der Nacht mit Drohnen und Raketen angegriffen. In etlichen Orten wurde Luftalarm ausgelöst, darunter in Jerusalem und im Süden Israels. In der Folge waren auch Explosionen zu hören. Nach Angaben der israelischen Armee feuerte der Iran mehr als 200 Drohnen und Raketen ab. An verschiedenen Orten in Israel wurde Raketenalarm ausgelöst. Nach Angaben der Armee heulten die Warnsirenen unter anderem im Süden, am Toten Meer, im Großraum Jerusalem sowie im Norden des Landes.

Die "große Mehrheit" der Raketen und Drohnen sei abgefangen worden, sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Israelische Kampfflugzeuge hätten mehr als zehn iranische Marschflugkörper außerhalb des israelischen Staatsgebiets abgefangen. Dutzende unbemannte Flugkörper seien ebenfalls außerhalb von Israel gestoppt worden...

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Medien | Iran | Israel | Vergeltung

Iran beginnt Angriff auf Israel als Vergeltung für tödlichen Schlag gegen Botschaft

Drohnen und Marschflugkörper starten von Iran gen Israel. Beide Staaten bestätigten Angriff. Warum deutsche Leitmedien eine Schlagseite haben.

Der Iran hat am Samstag Drohnen und Marschflugkörper von seinem Territorium in Richtung Israel gestartet. Dies ist eine Vergeltungsaktion für einen tödlichen israelischen Luftangriff Anfang April auf den iranischen Botschaftskomplex in Damaskus, wie die israelischen und iranischen Streitkräfte mitteilten.

Bei dem Angriff war ein konsularisch genutztes Seitengebäude zerstört worden. Im neben liegenden Botschaftsgebäude befand sich zum Zeitpunkt des Angriffs der Botschafter des Irans. Der Angriff wird von israelischer Seite bisher nicht offiziell bestätigt, unter Beobachtern ist es aber weitgehend unstrittig, dass Israel für den Luftschlag verantwortlich ist.

[...] Deutsche Leitmedien mit Schlagseite

In Berichten deutscher Leitmedien herrscht nach wie vor eine seltsame Schieflage in der Berichterstattung über den israelischen Angriff. Allein der Umstand, dass Israel den Luftschlag nicht bestätigte, reicht, um die Zerstörung des Gebäudes in Damaskus als "angeblich israelischen" Angriff zu bezeichnen.

Dabei wird die Verantwortung der israelischen Streitkräfte und der Regierung des rechtskonservativ Benjamin Netanjahu international von kaum jemandem in Abrede gestellt. In den USA etwa berichteten sowohl das Nachrichtennetzwerk CNN, als auch die New York Times – beide Medien jeglicher Sympathien für Iran unverdächtig – von "Vergeltungsschlägen" Teherans.

Sowohl beim Spiegel als auch bei Tagesschau.de hieß es am späten Samstagabend lediglich "Iran greift Israel an"...

 


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Aktuelles+

 

Polen | Westinghouse | EDF | KHNP | Akw Lubiatowo | Akw Pątnów

Polen: Auch die Regierung Tusk setzt auf Atomenergie

Doch eine seriöse Finanzierung ist nicht in Sicht und bei der Auftragsvergabe für den AKW-Bau ist Polen in eine Zwickmühle zwischen US-amerikanischen und französischen Interessen geraten.

Der politische Grundsatz-Beschluss, Atomenergie zu einem Stützpfeiler der nationalen Stromversorgung zu machen, stammt aus der ersten Amtszeit Donald Tusks als Premier Polens. Zu 100 Prozent im Besitz des Schatzamtes wurde 2009 als Projektträger die „Polnische Gesellschaft für Atomenergie“ (PEJ) gegründet. Doch die hochfliegenden Pläne einer eigenen Atomwirtschaft dümpelten in Folge der Finanzierungs-Unsicherheiten vor sich hin. Erst mit der Nullzins-Politik der westlichen Notenbanken erschien die Finanzierungsfrage lösbar und wurden ab ca. 2015 die konzeptionellen Arbeiten am nationalen Atomprogramm intensiviert.

2017 dann kam die PEJ zu dem Ergebnis, dass der günstigste Standort für das erste polnische AKW in Lubiatowo in der Gemeinde Choczewo an der kaschubischen Ostseeküste ist, ca. 50 km nordwestlich der sog. Dreistadt mit Danzig. Eine Rolle hat gespielt, dass in dem zweiten in den Blick genommenen Ostsee-Standort, Gaski in der Nähe des Kurorts Kolobrzeg (Kolberg), erheblicher Widerstand der lokalen Bevölkerung zu erwarten war.

Ähnlich schwierig wie die Standortwahl gestaltete sich die Entscheidung für das Generalunternehmen des AKW-Baus, das dann auch mit 49% an der Betreibergesellschaft beteiligt werden soll. Drei Konzerne bemühten sich um den Auftrag: Der französische Staatskonzern Eletricite de France (EDF) mit seiner Tochter Framatom, der südkoreanische Staatskonzern KHNP und Westinghouse aus den USA. Die Koreaner gaben lt. Medienmeldungen das preislich deutlich günstigste Angebot ab. Westinghouse beschuldigte allerdings KHNP, ohne Lizenz US-Technologie zu verwenden, und ließ sich diese Anschuldigung von einem US-Gericht bestätigen.

Wahrscheinlich war es die Angst vor US-amerikanischen Regressansprüchen wie gleichermaßen die Bündnistreue gegenüber den USA, was die nationalkonservative PiS-Regierung bewegte, im November 2022 einem Konsortium von Westinghouse und dem US-Baukonzern Bechtel endgültig den Auftrag zu erteilen. Für ein AKW mit 3 Reaktoren des Typs AP1000 und einer Leistung von 3700 MW wurden 90-100 Mrd. Zloty (=ca. 21-23 Mrd. Euro) Investitionskosten veranschlagt, für Infrastruktur-Investitionen um das AKW-Gelände weitere 5 Mrd. Zloty. Der Bau soll 2026 beginnen und 2033 soll der erste Block in Betrieb gehen.

Die Auftragsvergabe an Westinghouse/Bechtel fiel den Nationalkonservativen nicht leicht. Der Verdacht, zu Lasten Polens teure Liebedienerei gegenüber den USA zu betreiben, belastet nicht nur deren Selbstverständnis. Eine Auftragsvergabe an KHNP hätte der gewünschten Kooperation mit den Koreanern in anderen Wirtschaftsbereichen, nicht zuletzt im Rüstungsbereich, Auftrieb gegeben. Schon jetzt steht der koreanische Konzern LG CHEM mit dem Batteriewerk im niederschlesischen Kobierzyce mit über 5 Mrd. Zloty für eine der größten ausländischen Industrie-Investitionen in Polen. Um die mögliche Verstimmung der Koreaner etwas auszugleichen, wurde Staatspräsident Yoon Suk-yeol zu einem Staatsbesuch im Juli 2023 eingeladen und der koreanischen Delegation durch den PiS-Schatzminister Sasin versichert, dass selbstverständlich Korea und nicht etwa Frankreich neben den USA Partner Polens auch in der Energiewirtschaft ist und KHNP mit dem Auftrag für das zweite AKW rechnen könne.

Die lokalen Gesellschaften in Choczewo und Umgebung sind hinsichtlich des AKW-Baus gespalten, Die Ostseeküste zwischen dem Küstenort Leba und der Halbinsel Hel gilt aufgrund ihrer Vielgestaltigkeit mit Wanderdünen, Steilküsten und Küsten-Seen als touristischer Juwel mit großem Entwicklungs-Potential. Ein Atomkraftwerk passt nicht dazu. Andererseits trommeln die Medien seit Jahren, dass der AKW-Bau der regionalen Wirtschaft einen Wachstumsschub verschafft.

Der sicherheitspolitische Aspekt wird merkwürdigerweise ausgeklammert

In der Gesellschaft Polens insgesamt überwiegen die Befürworter des Atomprogramms, das neben großen Atomkraftwerken auch den Bau von Dutzenden SMR-Kleinreaktoren vorsieht. Der Abbau der noch vorhandenen, sehr tief gelegenen Steinkohle-Flöze in Oberschlesien wird immer aufwendiger. Die Verstromung der im Tagebau nutzbaren Braunkohle-Vorräte muss gemäß den Klimaschutz-Vorgaben der EU allmählich zurückgefahren werden. Und nur Atomenergie, so die gängige Argumentation, sichere bei paralleler Förderung von Wind- und Solarstrom die industrielle Zukunft Polens. Auch sei sie in der EU-Taxonomie zur Nachhaltigkeit als umwelt- und klimaschonend eingestuft worden. Wer wird sich da noch über einen möglichen Reaktorunfall oder Probleme mit der Endlagerung genutzter Brennelemente Gedanken machen wollen. Kritiker des Atomprogramms bemängeln in Internetforen so auch vor allem die kaum kalkulierbaren Kosten und den Umstand, dass „wieder Ausländer das Geschäft machen“.

Die Consulting-Firma Baker-McKinsey hat im letzten Jahr die politische Klasse und die Medien noch einmal mit einer 120-seitigen Argumentationshilfe versorgt. Die ökonomischen, juristischen und ökologischen Aspekte des AKW-Baus werden abgehandelt. Wie in der gesamten öffentlichen Debatte aber wird der sicherheitspolitische Aspekt merkwürdigerweise ausgeklammert, und dies obwohl Lubiatowo nur gut 100 km von der lt. polnischen Medien mit Raketen vollgestopften russischen Exklave Kaliningrad entfernt liegt. Ist der „russische Aggressor“ zur Zeit beständig Thema von Politik und Medien, spielt es keine Rolle, dass man ihm möglicherweise mit dem AKW Lubiatowo ein schnell erreichbares und strategisch bedeutsames Zielobjekt zur Verfügung stellt.

So sehr man auch in sonstigen Fragen zerstritten ist, in Bezug auf das Atomprogramm ist sich die politische Klasse Polens weitgehend einig. Eine sich als Atomkraftgegner profilierende Gruppierung namens „Polska 2050“ gehört zwar der Ende 2023 gebildeten neuen Koalitionsregierung Donald Tusks an. Man kann aber davon ausgehen, dass die mit viel Geld und sehr wenig Mitgliedern an den Start gegangene Retorten-Partei im Kopf-an-Kopf-Rennen der Sejm-Wahlen 2023 u. a. atomkritische Wähler soziotechnisch für eine wirtschaftsliberale Koalition nutzbar machen sollte.

Echter Widerstand gegen das Atomprogramm ist von „Polska 2050“, immerhin zweitstärkste Partei in der Koalition, nicht zu erwarten. Zwischen der Regierungskoalition und der PIS-Opposition deutet sich aber ein heftiger Streit in der Frage an, aus welchem „Partnerland“ der Generalunternehmer für die nächsten Projekte des insgesamt weit über zehntausend MW umfassenden Atomprogramms kommen soll.

Die Koreaner haben angesichts des US-amerikanischen Störfeuers und des Regierungswechsels wohl nur noch sehr geringe Chancen. Zwei wichtige „Partnerländer“ Polens aber hegen weiterhin große Erwartungen im Hinblick auf die ehrgeizigen polnischen Atompläne – die USA und Frankreich. Und dabei ist klar, welches politische Lager welche Präferenzen hat. Der nationalkonservative Staatspräsident Duda ließ es sich bei seinem USA-Besuch Mitte März nicht nehmen, ein AKW in Georgia zu besichtigen und die AP-1000-Reaktoren überschwänglich als die modernsten der Welt zu preisen. Ende März tauchte dann in polnischen Medien aber die Meldung auf, dass sich die Regierung Tusk für EDF als Generalunternehmen für das zweite, bei Konin in Zentralpolen geplante AKW entscheiden werde.

Der ehemalige EU-Ratspräsident Tusk will offenbar speziell seinen EU-Freunden Polen als investoren-freundliches Land präsentieren

Wenn es um Atomenergie geht, führt kein Weg an Frankreich vorbei, zumal die Pariser Regierung unmittelbar nach dem Regierungswechsel eine intensive Lobbyarbeit in Warschau startete. Mit dem staatsinterventionistischem Kapitalismus der PiS und deren Bemühen um eine EU-überschreitende Diversifizierung der Handels- und Investoren-Beziehungen hat Tusk nichts am Hut. Der Regierungswechsel in Warschau wurde von der EU so auch relativ schnell mit der Freigabe von 23 Milliarden Euro aus dem „Corona-Wiederaufbaufonds“ belohnt, die der nationalkonservativen Regierung mit der Begründung „nicht-rechtsstaatlicher“ Richterwahl-Verfahren gesperrt worden waren. Jetzt ist die Gegenleistung fällig, z. B. auch in Form einer Auftragsvergabe an EDF/Framatom.

Ein „Partnerland“ wird Tusk bei der demnächst anstehenden Auftragsvergabe für das zweite AKW jedenfalls verärgern müssen. Wird es die USA sein, könnte man sich eine Kompensation in Form verstärkter Rüstungsaufträge vorstellen. Immerhin sind schon im laufenden Staatsbudget 118 Mrd. Zloty oder 3,1% des BIP für Militärausgaben vorgesehen. Aufrüstung und die von der PiS eingeleitete nachholende Sozialpolitik haben bereits 2023 mit 5,1% des BIP zu einer öffentlichen Neuverschuldung weit jenseits der EU-Obergrenze von 3% geführt. Bei einer Inflationsrate im März 2024 von 1,9% kann der Warschauer Finanzminister aktuell selbst einjährige Anleihen nur mit einer Verzinsung von 6% an den Mann bzw. die Frau bringen.

Wie bei solchen Rahmenbedingungen die gewaltigen Summen für das Atomprogramm aufgebracht werden können, ist ungewiss. Evtl. wird man Westinghouse bzw. EDF durch eine Mehrheitsbeteiligung an den Betreibergesellschaften und garantierten, hohen Einspeise-Vergütungen bewegen können, einen größeren Teil der Investitionssumme am Finanzmarkt zu besorgen. Von einer günstigen Energieversorgung in nationaler Verantwortung würde dann aber niemand mehr reden oder schreiben können.

 


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Hintergrundwissen

Die Karte der nuklearen Welt

Polen möchte seine ersten 3 Atomreaktoren von Westinghouse bauen lassen...

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Die "Interne Suche"

Polen | Westinghouse | EDF | KHNP

29. März 2024 - Atomkraft: Zeitplan für verspäteten Betriebsstart von Flamanville 3 wackelt

6. März 2024 - Macron wirbt in Tschechien für eigene Atomindustrie

8. Februar 2024 - Westinghouse liefert nicht – Prag spekuliert auf Mengenrabatt bei neuen Atomkraftwerken

24. Dezember 2023 - Kernkraft-Fantasie scheitert an desolater Industrie

14. April 2023 - Regierung in Polen will in Atomkraft einsteigen – und setzt auf Krisenkonzern

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Die Suchmaschine Ecosia pflanzt Bäume!

https://www.ecosia.org/search?q=Atomkraft Polen

https://www.ecosia.org/search?q=Westinghouse

https://www.ecosia.org/search?q=EDF

https://www.ecosia.org/search?q=KHNP

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Wikipedia

Polen#Energieversorgung

Die Bruttostromerzeugung der polnischen Kraftwerke lag im Jahr 2012 bei ca. 160 TWh. Die elektrische Energieversorgung in Polen basiert weitgehend auf der Verstromung von Stein- und Braunkohle, die im Jahr 2012 zusammen 88,6 % des polnischen Stroms lieferten. Wichtigstes Bergwerksunternehmen ist die staatliche Kompania Węglowa. Gaskraftwerke waren weitgehend unbedeutend, Erneuerbare Energien deckten 8,7 % des Strombedarfs, wobei Biomasse vor der stark wachsenden Windenergie und der Wasserkraft lag. Polen hat reiche Lager an Geothermie, die derzeit verstärkt in Kujawien bei Thorn und in der Bergregion Podhale bei Zakopane genutzt wird. Der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung liegt mit 16,6 % an der Gesamterzeugung auf relativ hohem Niveau. Aufgrund des sehr hohen Anteils konventioneller Energieträger setzen sich polnische Politiker aus Sorge vor möglicherweise hohen Kosten gegen ambitionierte Klimaschutzziele ein. Die polnische Politik setzt auch auf den Kohlestrom, um möglichst unabhängig von Energieimporten zu sein.

Das Land besitzt bisher keine kommerziell betriebenen Kernkraftwerke, betreibt aber mit dem Forschungsreaktor Maria, der am 18. Dezember 1974 kritisch wurde, einen kleinen Versuchsreaktor mit einer thermischen Leistung von 30 MW. Dieser arbeitet gegenwärtig mit nur zwei Drittel der Leistung. Bis 1968 wurde im Südwesten des Landes Uranbergbau betrieben. Die Planung neuer Kernkraftwerke wurde im Jahr 1990 eingestellt, weil die Kosten zu hoch wären.

Ende 2022 haben unter dem Einfluss des russischen Krieges gegen die Ukraine und den damit verbundenen Energieversorgungsengpässe neue Planungen für ein eigenes Kernkraftwerk begonnen, die an frühere Vorbereitungsphasen anknüpfen. Bis zum Jahr 2043 sollen insgesamt sechs Atomreaktoren ans Netz gehen. Der Standort des ersten Atomkraftwerkes, das eine Leistung von mehr als einem Gigawatt haben soll, ist an der Ostsee in der Nähe des Ortes Choczewo geplant. Hier soll Meerwasser zur Kühlung des Reaktors verwendet werden. Eine Inbetriebnahme wird ab 2033 vorgesehen. Der Bau erfolgt mithilfe der USA-Firma Westinghouse, die bereits im Oktober 2022 den offiziellen polnischen Bauauftrag erhielt...
 

Choczewo

Choczewo (kaschubisch Chòczewò; deutsch Chottschow, 1938–1945 Gotendorf) ist ein Dorf in der polnischen Woiwodschaft Pommern und gehört zum Powiat Wejherowski (Neustadt in Westpreußen). Es ist Sitz der gleichnamigen Landgemeinde.

Geographische Lage

Das Dorf liegt in Hinterpommern, etwa zehn Kilometer von der Ostseeküste entfernt westlich des Chottschower Sees (1938–1945 Gotendorfer See, poln. Jezioro Choczewskie), etwa 26 Kilometer nordnordöstlich von Lauenburg (Lębork).

Zu dem Ort führt die Woiwodschaftsstraße 213, die Celbowo (Celbau) über Krokowa (Krockow) mit Wicko (Vietzig), Główczyce (Glowitz) und Słupsk (Stolp) verbindet.

Die ehemalige Kreisstadt Lębork (Lauenburg in Pommern), und die jetzige Kreisstadt Wejherowo (Neustadt in Westpreußen, 28 Kilometer entfernt) sind jeweils über gut ausgebaute Nebenstraßen direkt zu erreichen.

Eine Bahnanbindung besteht seit 2004 nicht mehr.

[...] Der Standort des ersten polnischen Atomkraftwerkes, das eine Leistung von mehr als einem Gigawatt haben soll, ist an der Ostsee in der Nähe des Ortes Choczewo geplant. Hier soll Meerwasser zur Kühlung des Reaktors verwendet werden. Die Inbetriebnahme soll frühestens 2033 erfolgen.

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YouTube

Suche:

https://www.youtube.com/results?search_query=Atomkraft+Polen
 

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In dieser Playlist finden sich über 150 Videos zum Thema Atom*

 


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Newsletter XV 2024 - 7. bis 13. April

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