Newsletter XXI 2025
18. Mai bis ...
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Aktuelles+ | Hintergrundwissen |
Radioaktivität kumuliert; das bedeutet, radioaktive Partikel reichern sich im lebenden Organismus immer weiter an und mit der Zeit können ähnliche Schäden auftreten, wie bei einer kurzzeitig einwirkenden, massiven Strahlenbelastung ...
Die PDF-Datei "Nuclear Power Accidents" enthält eine Reihe weiterer Vorfälle aus verschiedenen Bereichen der Atomindustrie. Einige der Ereignisse wurden nie über offizielle Kanäle veröffentlicht, so dass diese Informationen der Öffentlichkeit nur auf Umwegen zugänglich gemacht werden konnten. Die Liste der Zwischenfälle in der PDF-Datei ist daher nicht zu 100% identisch mit "INES und die Störungen in kerntechnischen Anlagen", sondern stellt eine Ergänzung dar.
1. Mai 1968 (INES 4 NAMS 4,6) Atomfabrik Windscale/Sellafield, GBR
1. Mai 1962 (Beryl, Frankreichs 6. Atombombentest) In Ekker, DZA
2. Mai 1967 (INES 4) Akw Chapelcross, GBR
4. Mai 1986 (INES 0 Klass.?) Akw THTR 300, Hamm, NRW, DEU
4. Mai 1954 (6 Wasserstoffbomben) Bikini Atoll, MHL
7. Mai 2007 (INES 1) Akw Philippsburg, DEU
7. Mai 1966 (INES 4) Forschungsinstitut RIAR, Melekess, UdSSR
9. Mai 1966 (Chinas 3. Nuklearwaffentest) Lop-Nor/Taklamakan, Xinjiang, CHN
11. bis 13. Mai 1998 (5 indische Atombombentests) Pokhran, IND
11. Mai 1969 (INES 5 NAMS 2,3) Atomfabrik Rocky Flats, USA
12. Mai 1988 (INES 2) Akw Civaux, FRA
13. Mai 1978 (INES Klass.?) AVR Jülich, DEU
18. Mai 1974 (1. indischer Atombombentest) Pokhran, IND
21. Mai 1946 (INES 4) Atomfabrik Los Alamos, USA
22. Mai 1981 (INES 3) Atomfabrik La Hague, FRA
22. Mai 1968 (Broken Arrow) U-Boot-Unglücke, USS Scorpion sank sw. der Azoren
24. Mai 1958 (INES Klass.?) Akw NRU Chalk River, CAN
25. Mai 2009 (2. nordkoreanischer Atombombentest) Punggye-ri, PRK
26. Mai 1971 (INES 4) Kurschatow-Institut Moskau, RUS
27. Mai 1956 (2 US-Nuklearwaffentests) Eniwetok und Bikini, MHL
28. bis 30. Mai 1998 (6 pakistanische Atombombentests) Ras Koh, PAK
Wir sind immer auf der Suche nach aktuellen Informationen. Wer helfen kann, sende bitte eine Nachricht an:
nukleare-welt@reaktorpleite.de
22. Mai
22. Mai 1968 (Broken Arrow) USS Scorpion sank sw. der Azoren
Atomwaffen A-Z
Unfälle mit Atomwaffen - Azoren, 1968
Das atomgetriebene U-Boot USS Scorpion versank am 22. Mai 1968 740 Kilometer südwestlich der Azoren Inseln. Alle 99 Seeleute an Bord sind dabei gestorben. Ein Atomreaktor und zwei atomar bestückte ASTOR Torpedos versanken mit dem U-Boot auf 3.000 Meter Tiefe.
Wikipedia de
U-Boot SSN-589 Scorpion
Die Scorpion (Kennung: SSN-589) war ein Atom-U-Boot der Skipjack-Klasse der United States Navy. Sie wurde 1960 in Dienst gestellt und sank 1968 als zweites nuklear getriebenes Unterseeboot der amerikanischen Marine im Nordatlantik unter noch immer nicht vollständig aufgeklärten Umständen. Es wird angenommen, dass ein Torpedo innerhalb des U-Bootes detonierte. Dabei verloren 99 Seeleute ihr Leben. Das Wrack wurde erst fünf Monate später in 3300 Metern Tiefe gefunden ...
Mögliche Gründe für das Sinken
Nach dem Unglück wurde ein aus sieben Offizieren bestehender Untersuchungsausschuss gebildet. Das Ergebnis seiner Untersuchung wurde der Öffentlichkeit im Januar 1969 in einer Pressemitteilung mitgeteilt, wobei klargestellt wurde, dass auf Grund der Beweislage keine genaue Ursache ermittelt werden konnte. Erst 1993, als die Regierung Clinton den gesamten Bericht freigab, wurde ersichtlich, dass für die Ermittlungskommission ein Torpedounfall am wahrscheinlichsten war ...
21. Mai
Vereinigte Staaten | Don Trumpl | Korruption
Umstrittenes Geschenk
US-Regierung nimmt Jumbojet von Katar offiziell an
Das US-Verteidigungsministerium hat trotz massiver Kritik ein Boeing-Luxusflugzeug als Geschenk von Katar angenommen. Der Jet soll die neue Air Force One von Präsident Trump werden. Die US-Demokraten sprechen von "blanker Korruption".
Trotz scharfer Kritik nimmt die Regierung von US-Präsident Donald Trump ein teures Flugzeug als Geschenk von der Führung in Katar an.
[...] Korruptionsvorwürfe von den Demokraten
Kritiker verweisen auf die Verfassung und den Anspruch, sich als Regierung nicht in die Schuld anderer Staaten zu begeben, sich nicht durch Geschenke oder Gefälligkeiten abhängig zu machen. In US-Medien war zudem davon die Rede, dass das Flugzeug nach dem Ende von Trumps zweiter Amtszeit nicht weiter im Dienst der Regierung stehen soll, sondern bei ihm verbleiben könnte. Dazu gab es zunächst aber keine gesicherten Informationen.
Der demokratische Minderheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, sprach von "blanker Korruption" und einer "ernsten Bedrohung der nationalen Sicherheit". Das mögliche Geschenk sei "so korrupt, dass selbst (Kremlchef Wladimir) Putin sich die Augen reiben würde", sagte er.
[...] "Nur die Spitze des Eisbergs"?
Schumer kritisierte zugleich, dieser Fall sei "nur die Spitze des Eisbergs". Katar und andere Golfstaaten hätten bereits seit Monaten Milliarden in Geschäftsbeziehungen mit Trumps Firmen investiert - offenbar, um politischen Einfluss zu gewinnen.
Er spielte damit auf verschiedene Geschäfte der Trump-Familie in der Golfregion an. Trumps Immobilienkonzern, den die Söhne Eric und Don Junior leiten, ist dort sehr aktiv. Kurz vor der Nahost-Reise des Präsidenten hatte die Trump Organization neue Projekte in der Golfregion angekündigt: das erste Trump-Hotel in Dubai und einen Golfklub in Katar. Für die saudische Hafenstadt Dschidda wurde bereits im vergangenen Jahr der Bau eines Trump-Wolkenkratzers verkündet.
Auch beim Thema Kryptowährungen machten Trumps Söhne und deren Geschäftspartner - darunter der Sohn von Trumps Sondergesandtem Steve Witkoff - erst kurz vor dem Präsidententrip eine Kooperation im Nahen Osten öffentlich, bei dem auch ein staatlich gestützter Fonds der Emirate mitmischt. Trump behauptete während seiner Reise auf Nachfrage, von dem Krypto-Projekt wisse er gar nichts.
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China | Erneuerbare | Emissionen
Energiewende in China:
Eine Wende – in Zeitlupe
Chinas Emissionen sinken. Was das bedeutet
"Aber die Chinesen ..." – dieser Halbsatz, in eine beliebige deutsche Klimaschutzdiskussion geworfen, klingt wie ein universelles Totschlagargument. Nach dem Motto: Es ist doch egal, was wir hier tun, solange in China weiter emittiert wird. Tatsächlich handelt es sich dabei, wenn überhaupt, um ein Retroargument, bedient es doch eine überholte Vorstellung. Nämlich dass Chinas Wirtschaft und damit sein Treibhausgas-Ausstoß ungebremst wächst.
Chinas Emissionen sinken erstmals dank der Energiewende
Die Realität sieht mittlerweile anders aus. Das zeigen Zahlen, die das britische Fachportal Carbon Brief jüngst veröffentlicht hat. Demnach lagen Pekings Emissionen dieses Jahr im ersten Quartal um immerhin 1,6 Prozent niedriger als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. Auch in der Spanne der zwölf Monate von April 2024 bis März 2025 zeigt sich eine leichte Abnahme: Minus ein Prozent, immerhin.
China ist gegenwärtig der größte Emittent des Planeten (im Jahr 2007 hatte es die USA überholt). Deswegen ist jeder Knick in der CO₂-Kurve des Landes unmittelbar relevant für die ganze Welt: Keine Trendwende der globalen Emissionen ist möglich ohne eine Wende in China. Das macht die Zahlen von Carbon Brief interessant, obwohl sie zwei Komplikationen bergen:
Erstens ist es bereits das vierte Mal, dass Chinas Emissionen aus fossilen Brennstoffen und der Zementherstellung zeitweilig nach unten weisen. Diesmal sind jedoch die Umstände andere. 2016 lahmte die Wirtschaft, weil staatliche Anreizprogramme ausliefen, 2020 weil die Coronapandemie das Land in einen Schockzustand versetzte, 2022 weil die Null-Covid-Politik der Regierung die Volkswirtschaft dämpfte. Aktuell aber läuft es ökonomisch, und dennoch sinkt der CO₂-Ausstoß.
Das liegt am Zweitens: Die Minderung der Emissionen im ersten Quartal stammt im Wesentlichen aus der Stromerzeugung. Obwohl die Chinesen etwas mehr Elektrizität verbrauchten als im Vorjahr, entstand bei deren Produktion weniger CO₂. Das wiederum liegt am enormen Ausbau erneuerbarer Energien, die Strom aus Kohle, Öl und Gas zurückdrängen ...
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Ungarn | EU-Kommission | Korruption
EU-Abgeordnete wollen Ungarn alle EU-Gelder streichen
In einem fraktionsübergreifenden Brandbrief, der dem ARD-Studio Brüssel vorliegt, fordern EU-Abgeordnete, Ungarn endgültig alle EU-Gelder zu streichen. Bisherige Sanktionen hätten nichts bewirkt.
Es ist eine sehr deutliche Aufforderung an die EU-Kommission, Ungarn stärker unter Druck zu setzen. Die Abgeordneten von Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen wollen der Regierung von Viktor Orban endgültig den Geldhahn zudrehen, sagt der FDP-Europapolitiker Moritz Körner. "Wer sich null um die Achtung der EU-Werte kümmert, hat null Euro aus dem EU-Budget verdient", erklärt er.
Es geht darum im Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften die finanziellen Interessen der EU und damit der europäischen Steuerzahler zu schützen, sagt der grüne EU-Abgeordnete Daniel Freund. Er hat den Brief initiiert und gehört im EU-Parlament zu den vehementesten Rechtsstaatsverfechtern. So wurden wegen der grassierenden Korruption in Ungarn und dem Fehlen einer unabhängigen Justiz in den vergangenen Jahren bereits Milliarden Euro der dem Land eigentlich zustehenden EU-Gelder eingefroren ...
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Vereinigte Staaten | Don Trumpls Kampf gegen Amerikas Wettbewerbsfähigkeit
„Gefühl, nicht mehr willkommen zu sein“
Überrumpelt, entlassen, vertrieben: Wie US-Forscher die Trump-Zensur erleben
US-Präsident Donald Trump führt einen Kampf gegen die Wissenschaft: Fachleute werden entlassen, Forschungsprojekte eingestellt, Uni-Budgets gekürzt. Drei Forscher erzählen vom Verlust ihrer wissenschaftlichen Freiheit – der die USA nachhaltig prägen könnte.
„Sie können mich ruhig zitieren“, stellt Katrina Jackson direkt zu Beginn des Gesprächs klar. Die junge Frau mit den blonden, lockigen Haaren richtet ihren Laptop, damit die Kamera sie besser im Bild hat. „Ich habe keine Angst, mich zu äußern. Mehr als meinen Job verlieren kann ich nicht – und den habe ich ja schon verloren.“ Sie lacht. Mehr aus Ironie als aus Freude; denn eigentlich ist ihr gar nicht zum Lachen zumute.
Ein Multimilliardär streicht die Mittel
Schon kurz nach seiner Amtseinführung hatte US-Präsident Trump Einsparungen im Staatshaushalt in Milliardenhöhe angekündigt.
[...] Der Unmut und das Unverständnis sind groß. Trumps Sparkurs sei „ein Fehler“, meint Meeresforscher Dejean. „Ich denke, dass dies die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft unterminieren wird und wir als Ort für Wissenschaftler, die hierherkommen und Karriere machen wollen, an Attraktivität verlieren werden.“ Die Vereinigten Staaten würden ihre Vorreiterrolle als Forschungsland einbüßen, glaubt Castelli. Pilzforscherin Katrina Jackson befürchtet neben einem wirtschaftlichen Schaden auch einen großen Vertrauensverlust. „Selbst, wenn morgen alle sagen würden: ‚Die Wissenschaft ist doch wichtig, wir müssen zur Normalität zurück.‘ Ich denke, es würde immer noch Jahre dauern, bis wir uns davon erholen“, sagt sie.
Wissenschaftler verlassen die USA
Inzwischen denken rund 75 Prozent der Forschenden in den Vereinigten Staaten darüber nach, das Land zu verlassen ...
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21. Mai 1946 (INES 4)
Los Alamos, NM, USA
Louis Slotin starb aufgrund eines Unfalls im Los Alamos National Laboratory. (Demon Core)
(Kosten ?)
Nuclear Power Accidents
Wikipedia de
Louis_Slotin
In der Atomwaffenfabrik in Los Alamos führte der kanadische Physiker Louis Slotin im Beisein von mehreren Wissenschaftlern Tests zur Kritikalität von Plutonium durch. Die Versuchsanordnung bestand aus einem unterkritischen, etwa 6 kg schweren Plutonium-Kern (demselben, der in den Unfall von 1945 verwickelt war und der in der Folge als „Demon Core“ bezeichnet wurde) und zwei Halbkugelschalen aus Beryllium, die als Neutronenreflektoren dienten und den Kern umschließen konnten.
[...] Am 21. Mai 1946 führte Slotin in Gegenwart von sieben Kollegen ein verhängnisvolles Experiment durch, ähnlich demjenigen, dem schon sein Kollege und Freund Daghlian zum Opfer gefallen war. Er wollte seinem Kollegen Alvin Graves die Durchführung von Kritikalitätsexperimenten zeigen. Dabei waren zwei Halbkugelschalen aus Beryllium um einen Plutoniumkern herum angeordnet und Slotin versuchte die Halbkugelschalen so dicht zusammenzubringen, dass eine Kettenreaktion ausgelöst wurde. Beryllium reflektiert die Neutronen und verstärkt so die Kettenreaktion. Hierzu kippte er die obere Halbkugelschale mit seinem linken Daumen, den er in ein Daumenloch geführt hatte, an und hielt mit einem Schraubenzieher, den er zwischen die beiden Halbkugelschalen gesteckt hatte, einen kleinen Spalt zwischen ihnen offen. Dazu entfernte er die sonst benutzten Distanzstücke, die einen Zusammenprall der Schalen verhindert hätten. Er hatte vor, den Abstand durch Drehen des Schraubenziehers langsam zu verringern, bis der gewünschte Effekt zu sehen wäre. Um 15:20 Uhr entglitt ihm jedoch der Schraubenzieher, und die obere Halbkugelschale fiel auf die untere, wodurch die Anordnung prompt überkritisch wurde. Die Kollegen sahen ein blaues Glimmen und spürten einen Hitzestoß. Slotin spürte darüber hinaus einen sauren Geschmack im Mund und ein Brennen in der linken Hand. Unwillkürlich riss er die Hand nach oben, wodurch sich die beiden Halbkugelschalen wieder trennten und die Kettenreaktion beendet wurde. Die überkritische Exkursion wurde allerdings schon vorher durch die thermische Ausdehnung der Apparatur beendet.
Slotin hatte in der kurzen Zeit, während der die Anordnung überkritisch war, eine tödliche Strahlendosis von 21 Sievert in Form von Gamma- und Neutronenstrahlung erhalten. Er wurde sofort ins Krankenhaus eingeliefert, wo er am 30. Mai 1946 an der Strahlenkrankheit starb. Auch die übrigen sieben Personen, die sich im Raum aufhielten, erhielten hohe Strahlendosen (von geschätzten 3,6 Sv bis 0,3 Sv) ...
20. Mai
Rechtsextreme | Korruption | Steuergelder
Böhmermann beschert dem Steuerzahler Millionen Euro Steuergelder
Rechte beschweren sich gern und ausführlich über Jan Böhmermann und das Neomagazin Royale, aber hat auch nur ein einziger rechter Influencer oder Politiker dem Staat schon so viel Steuergeld gespart wie Jan Böhmermann und FragDenStaat in nur einer Sendung? Im Gegenteil, die AfD-Abgeordneten schmarotzen Millionen Steuergelder für „Geld und Jobs“ für Rechtsextreme und vergeuden die Zeit der Verwaltung mit sinnlosen Anfragen. Jan Böhmermann und FragDenStaat bringen dem Staat jetzt aber sogar Millionen. Aber der Reihe nach:
Millionen Steuergelder gingen an einen Adligen
Böhmermann hatte bereits im Herbst 2024 zusammen mit FragDenStaat aufgedeckt, dass 21 Firmen ihren „Firmensitz“ in Form von Briefkästen im „Sachsenwald“ angemeldet hatten. Denn dort wird die Gewerbesteuer aus historischen Gründen nicht von einer demokratischen Gemeinde eingenommen, sondern von einem Adligen: Gregor Graf von Bismarck! Der verwendet das Geld (mehrere Millionen Euro, wie eine kleine Anfrage von FDP und SPD ergab) nach eigenen Angaben für den „Erhalt des Waldes“. Auch nett: Die Firmen zahlen dafür einen der niedrigsten Gewerbesteuersätze in Deutschland – eine Steueroase inmitten von Deutschland! Ein paar Superreiche gewinnen, der einfache Bürger darf zahlen?
Doch dank der Recherchen ist damit jetzt Schluss: Eventuell kann der Staat dann nicht nur ab sofort die Steuergelder selbst eintreiben, er kann sogar 700.000 Euro zurückfordern. Auch kam heraus, dass die Landesregierung auch noch irrtümlich 130.000 € an die Familie Bismarck überwiesen hatte. Das Gebiet wird jetzt durch einen Beschluss im Landtag eingemeindet. Das heißt, die Unternehmen können jetzt nicht mehr diese Steueroase nutzen und werden voraussichtlich normale Steuersätze zahlen müssen, wie normale Bürger eben auch.
Böhmermann versucht dauernd, unsere Steuergelder zu sparen
Das ist übrigens kein Einzelfall: Böhmermanns Sendung hatte 2023 zum Beispiel aufgedeckt, dass Reedereien ihre Steuern nicht auf den Gewinn, sondern auf das „Ladevolumen“ des Schiffes zahlen. Dadurch entgehen der Bundesregierung dutzende Milliarden an Steuergeldern, das hat jetzt auch der Bundesrechnungshof auf dem Schirm – und hat die Bundesregierung aufgefordert, die Regeln zu reformieren und riesige Steuerschlupflöcher zu schließen.
[...] AfD gegen die Enthüllung von „korrupten Eliten“?!
Dass sich viele Medien, auch Böhmermann, gerne rechtspopulistische oder rechtsextreme Parteien vornehmen, spart uns ebenfalls Steuergelder:
Rechtsextreme geben sich oft gern als „Aufräumer“, aber selbst in der Opposition sind sie korrupt und verschwenden Steuergelder. Ende Juli hielt Alexander Sell, AfD-Mitglied und Listenkandidat fürs Europaparlament, eine Rede auf dem AfD-Parteitag in Magdeburg. Er sprach auch deutlich aus, was die AfD im Europaparlament vorhat. Sie will „es von innen heraus aushöhlen, sich Steuergelder in die eigenen Taschen schieben und an deren Untergang arbeiten.“
Der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, Maximilian Krah steht im Verdacht, Gelder der chinesischen Regierung angenommen zu haben. Der AfD-Abgeordnete Frohnmeier soll Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg werden, dabei hatten Journalisten aufgedeckt, dass der Kreml über ihn schreibt, er würde „vollständig unter ihrer Kontrolle stehen“ ...
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CDU/CSU | Korruption | Europarat
CSU-Politiker überrascht mit Aussage im Aserbaidschan-Prozess
Mit erstaunlicher Offenheit bestätigt der Angeklagte Eduard Lintner die Darstellung der Staatsanwaltschaft. Als Eingeständnis der Bestechung will er das aber nicht gewertet wissen.
Am Oberlandesgericht München hatte man für die „Aserbaidschan-Affäre“ schon Termine bis weit in die zweite Jahreshälfte geblockt. Doch im Verfahren um Korruption in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (Pace) könnte es nun schneller gehen als erwartet und schon Ende Juli zum Urteil kommen. Denn der Angeklagte Eduard Lintner (CSU), langjähriger Bundestagsabgeordneter und Europaratsdelegierter, hat in den vergangenen zwei Verhandlungstagen im Wesentlichen eingeräumt, was ihm die Generalstaatsanwaltschaft München vorwirft: Geld der aserbaidschanischen Regierung an Politiker weitergeleitet zu haben, die dann in der Pace oder im Bundestag „aserbaidschanfreundliche Positionen“ vertreten sollten. Die Pace erarbeitet Empfehlungen für den Europarat, die nationalen Parlamente entsenden Delegierte in das Forum.
Lintner, in der Regierungszeit von Helmut Kohl Parlamentarischer Staatssekretär und bis 2010 Pace-Mitglied, arbeitete nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag als Lobbyist für Aserbaidschan. Bis 2016 soll er laut Anklage über ausländische Briefkastenfirmen mehrere Millionen Euro erhalten haben, die er zum Teil an andere Abgeordnete weiterreichte. Auch an die CDU-Politikerin Karin Strenz, die 2021 überraschend starb. Lebte sie noch, säße sie mit auf der Anklagebank. Sie soll insgesamt 150 000 Euro von Lintner bekommen haben.
„Ich habe das für die Art von Lobbyismus gehalten, die bis heute praktisch allgegenwärtig ist.“
Das Geld stammte zwar direkt aus Baku, wurde nach Ansicht der Staatsanwaltschaft aber über Lintner umgeleitet, um die Herkunft zu verschleiern. Dazu diente unter anderem ein mit monatlich 7500 Euro dotierter „vorgeschobener“ Beratervertrag. Dafür sollte Strenz von November 2014 an „in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Pace und als Mitglied des Bundestags in den für Aserbaidschan wichtigen Themen gemäß den Vorgaben Aserbaidschans tätig“ werden.
[...] Dutzende im Europarat tätige Politiker aus mehreren Ländern sollen teure Geschenke erhalten und auf Reisen ans Kaspische Meer eingeladen worden sein. Im Gegenzug bescheinigten sie dem Land angeblich faire Wahlen oder stemmten sich gegen Verurteilungen der Menschenrechtslage in Aserbaidschan.
Lintner, für den bis zu einer möglichen Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt, ist aktuell der einzige Angeklagte in München. Das Verfahren gegen zwei weitere Personen, die der Beihilfe beschuldigt werden, wurde gegen die Zahlung einer Geldauflage vorläufig eingestellt. Der Ex-Bundestagsabgeordnete Axel Fischer (CDU) soll ebenfalls Geld aus Aserbaidschan bekommen haben, ihm wird Bestechlichkeit vorgeworfen ...
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Kosten | Erneuerbare | Energieversorgung | Bauzeit
Atomkraft sprengt Kosten – Photovoltaik spart Geld
Kernkraftwerke kosten im Schnitt doppelt so viel wie geplant und dauern lange. Solaranlagen dagegen bleiben oft im Budget. Eine neue Studie zeigt klare Unterschiede.
Eine umfassende Studie der Boston University zeigt, dass Energieinfrastrukturprojekte weltweit häufig ihr Budget überschreiten. Besonders Kernkraftwerke sind betroffen: Sie kosten im Schnitt doppelt so viel wie geplant und benötigen deutlich mehr Zeit. Solaranlagen schneiden hingegen oft besser ab – sowohl bei den Kosten als auch bei der Bauzeit.
Energieinfrastruktur weltweit unter Druck
Der weltweite Umbau der Energieversorgung bis 2050 wird enorme Investitionen erfordern. Die Internationale Energieagentur geht von über 100 Billionen US-Dollar aus, die in den Bau einer klimaneutralen Energieinfrastruktur fließen sollen. Doch eine neue Studie des Boston University Institute for Global Sustainability zeigt, dass viele dieser Projekte bereits heute mit erheblichen finanziellen und zeitlichen Problemen zu kämpfen haben.
Laut den Untersuchungen liegen mehr als 60 % der weltweit analysierten Energieprojekte über dem ursprünglichen Budget. Im Durchschnitt steigen die Kosten um 40 % und die Fertigstellung verzögert sich um fast zwei Jahre.
Kernkraftwerke als besonders teure Projekte
Besonders deutlich zeigt sich das Risiko bei Kernkraftwerken. Diese Projekte überschreiten laut der Studie ihre geplanten Baukosten im Schnitt um 102,5 %. Das bedeutet: Die tatsächlichen Ausgaben liegen bei rund dem Doppelten der ursprünglich angesetzten Summe. Im Durchschnitt sind das 1,56 Milliarden US-Dollar zusätzlich – pro Projekt.
Auch bei der Bauzeit sind Atomkraftwerke Spitzenreiter in negativer Hinsicht. Die Verzögerungen sind meist deutlich ausgeprägter als bei anderen Technologien.
Erneuerbare schneiden besser ab
Im Gegensatz dazu zeigen sich Solaranlagen und Windparks als vergleichsweise verlässliche Investitionen. Projekte im Bereich Solarenergie werden häufig vorzeitig abgeschlossen oder bleiben unter den erwarteten Kosten. Auch Windkraft schneidet in der Analyse gut ab – sowohl an Land als auch auf See.
Stromübertragungsprojekte zählen ebenfalls zu den Technologien mit geringem Risiko. Sie lassen sich gut planen und werden mit relativ hoher Kostensicherheit realisiert ...
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Menschenrecht | Gewalttaten | Antisemitismus | Rassismus
Jahresbilanz 2024 der Beratungsstellen
Im Schnitt werden jeden Tag 12 Menschen Opfer rechter Gewalt
Die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt haben 2024 rund 3.500 rechte Angriffe erfasst – ein Anstieg um 20 Prozent und ein Höchststand.
Berlin taz | Ein mutmaßlich rassistisch motivierter Brandanschlag auf eine vierköpfige bulgarisch-türkische Familie in Solingen. Ein unter anderem antisemitisch motivierter Messerangriff mit drei Toten auf dem Stadtfest in Solingen. Ein auch aus rassistischen Motiven erstochener Mann in Gummersbach und ein mit einem Messer getöteter Kameruner in Berlin-Wedding: 9 Todesopfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt zählten die Opferberatungsstellen im Jahr 2024. Es sind die schlimmsten Fälle einer „Bilanz des Schreckens“, wie die Beratungsstellen ihre Jahresstatistik zu rechter Gewalt 2024 bezeichneten.
Die Beratungsstellen erfassten einen neuen Höchststand bei rechten Angriffen: Sie verzeichneten insgesamt 3.453 Angriffe allein im Jahr 2024 – das sind knapp 10 pro Tag. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Anstieg um 20 Prozent. Insgesamt gebe es 4.681 Betroffene, im Schnitt würden täglich 12 Menschen angegriffen – so viele wie nie zuvor seit Erstellung dieser Statistik, in der nur 12 Bundesländer erfasst sind. Betroffen seien in wachsendem Ausmaß auch Kinder und Jugendliche – 697 von insgesamt 4.681 Betroffenen sind demnach minderjährig. Auch das ein neuer Höchststand.
Die Beratungsstellen veröffentlichen ihre Zahlen am selben Tag, an dem der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ebenfalls die offiziellen Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität des Bundeskriminalamts vorstellt – auch um auf die Untererfassung rechter Gewalt durch Strafverfolgungsbehörden hinzuweisen. Tatsächlich zeichnet sich analog zum Umfragenhoch der AfD und Debatten um Abschiebungen auch für das Jahr 2025 bereits eine Fortsetzung der grassierenden rechten Gewalt ab.
Das häufigste Tatmotiv heißt laut den Opferberatungsstellen in rund 52 Prozent der Fälle (1.794 Taten) Rassismus. 15 Prozent und damit 542 Attacken richteten sich gegen politische Gegner*innen, 354 Angriffe und damit 10 Prozent seien antisemitisch motiviert gewesen, fast genauso häufig habe es LGBTIQ*-feindliche Taten (344) gegeben. Aber auch andere menschenfeindliche Motive (221), Nicht-rechts-Sein (119), Sozialdarwinismus (49) und Ableismus (19) hätten bei Angriffen eine Rolle gespielt. Besonders deutlich angestiegen seien Attacken auf politische Gegner*innen – um mehr als zwei Drittel im Vergleich zu 2023. Auch queerfeindliche Angriffe seien um 40 Prozent gestiegen.
[...] Auch 2024 gab es neben der Untererfassung in der offiziellen Statistik tatsächlich wieder einige blinde Flecken: Zuletzt wurde von den Sicherheitsbehörden beim Brandanschlag in Solingen mit 4 Toten ein rassistisches Tatmotiv vorschnell ausgeschlossen – im Laufe des Gerichtsprozesses stellte sich gar heraus, dass ein Polizeibeamter offenbar einen Vermerk gelöscht hatte, der die Tat als „rechts“ einordnete. Zahlreiche Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung des Täters ignorierte die Polizei bei den Ermittlungen offenbar.
Der Staat „muss dafür Sorge tragen, dass rassistische und antisemitische Straftaten als solche erkannt und effektiv geahndet werden“, sagte Prof. Dr. Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Rassismus und Antisemitismus griffen das „Fundament unserer Verfassung“ an. Rudolf forderte, Verfahrensdauern zu verkürzen, Zugang zu Recht und Informationen zu erleichtern, zudem zivilgesellschaftliche Beratungsstrukturen zu schützen und finanziell abzusichern.
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Poker um Wlad PutIns Ukraine-Krieg, Don Trumpl setzt Europa
"Putin sieht die Dollarzeichen in Trumps Augen"
Auch nach dem Telefonat mit Trump vermittelt Putin nicht den Eindruck, sich bewegen zu wollen, sagt der Ex-Botschafter Rüdiger von Fritsch. Putin durchschaue Trumps eigentliches, wirtschaftliches Interesse. Doch Putin könne gestoppt werden.
tagesthemen: Was ist aus Ihrer Sicht das Ergebnis dieses Gesprächs? Gibt es überhaupt eins?
Rüdiger von Fritsch: Nach allem, was wir bisher wissen, können wir nicht sehen, dass Russland sich irgendwie bewegt hat. Und das es, und das scheint mir noch wichtiger, keinen Anlass sieht, sich künftig bewegen zu müssen.
Man kann das Gefühl bekommen, dass es Wladimir Putin einmal mehr gelungen ist, Donald Trump das Gefühl zu vermitteln: Da ist vielleicht Licht am Ende des Tunnels, während er in Wirklichkeit ein neues Stück Tunnel hintendran stellt.
Putin hat die für Russland wichtigste und lästigste Forderung abgeräumt, nämlich den Waffenstillstand, der es der Ukraine ermöglicht hätte, frei und sicher zu verhandeln, so dass er ohne jeden erkennbaren Druck, den die USA nicht ausüben, seinen Krieg fortsetzen kann und sich jetzt mit der Ukraine, der nichts anderes übrig bleibt, hinsetzen kann - während er die Ukraine weiter bekämpft und der Ukraine nochmal seine Kriegsziele in einem Memorandum aufschreiben kann.
Am Ende steht dann vielleicht ein Waffenstillstand. So muss man dies im Moment, fürchte ich, leider lesen.
"Putin kann Trump ausrechnen"
tagesthemen: Sie kennen Putin gut. Wie blickt er auf diesen US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump? Fühlt er sich ihm überlegen, wie ja manche vermuten?
von Fritsch: Das würde ich auf jeden Fall vermuten, dass er sich überlegen fühlt. Er hat natürlich ein grundsätzliches Problem mit Trump, nämlich das gleiche wie wir. Trump ist auch für ihn unberechenbar und sprunghaft. Und er weiß nicht genau, aber er kann ihn doch ausrechnen, denn er weiß, dass Donald Trump auf jeden Fall diesen, aus seiner Sicht auch für die USA, sehr teuren und irgendwie lästigen Konflikt in Europa beenden will. Und das um jeden Preis, mehr oder weniger.
Das heißt, er weiß, dass Trump bereit ist, sehr viel zu opfern, um den Konflikt zu beenden, sprich: Interessen der Ukraine, europäische Sicherheit. Und er weiß vor allem aber eines: dass Trump Handelsinteressen hat. Es ist sehr bemerkenswert, dass Trump im Zusammenhang des heutigen Telefongespräches vor allem mal wieder von amerikanischen und russischen Wirtschaftsinteressen gesprochen hat, für die er eine goldene Zukunft sieht. Und das nutzt Putin aus. Er sieht die Dollarzeichen in Trumps Augen ...
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Israel | Gaza | Völkermord
Zerstörter Küstenstreifen
Frankreich, Großbritannien und Kanada drohen Israel wegen Gazaoffensive
Die Rede ist von einer »völlig unverhältnismäßigen« Eskalation: Paris, London und Ottawa verurteilen das israelische Vorgehen in Gaza und erwägen Sanktionen. Eine Antwort aus Israel kommt prompt.
International schwindet die Unterstützung für das militärische Vorgehen Israels in Gaza. Die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien und Kanada haben Israels Vorgehen im Gazakrieg als »völlig unverhältnismäßige« Eskalation kritisiert und eine Warnung ausgesprochen.
»Sollte Israel die erneute Militäroffensive nicht einstellen und die Beschränkungen der humanitären Hilfe nicht aufheben, werden wir mit weiteren konkreten Maßnahmen reagieren«, teilten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premier Keir Starmer sowie sein kanadischer Amtskollege Mark Carney mit.
»Das menschliche Leid in Gaza ist unerträglich«, hieß es in der Stellungnahme weiter. Die Ausweitung der Angriffe auf den teils bis zur Unkenntlichkeit zerstörten Küstenstreifen lehne man entschieden ab. Man werde »nicht tatenlos zusehen, während die Netanyahu-Regierung diese ungeheuerlichen Maßnahmen fortsetzt«. Welche Konsequenzen die drei Länder konkret in Erwägung ziehen, blieb offen. Zudem wandten sich die drei Politiker gegen den weiteren Siedlungsbau im Westjordanland. Man erwäge »gezielte Sanktionen«.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kritisierte die Stellungnahme der drei Staats- und Regierungschefs: Sie böten eine »riesige Belohnung für den völkermörderischen Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 und laden gleichzeitig zu weiteren solchen Gräueltaten ein«, schrieb der Regierungschef bei X. Israel werde nicht von seinen Kriegszielen abweichen und »sich weiterhin mit gerechten Mitteln verteidigen, bis der vollständige Sieg errungen ist«.
[...] Israels Armee forderte zudem Anwohner der Stadt Chan Junis im Süden des Küstengebiets wegen eines bevorstehenden »beispiellosen Angriffs« auf, von dort zu fliehen. Das israelische Militär will in dem Gebiet eigenen Angaben nach gegen Terrororganisationen vorgehen.
Chan Junis ist die zweitgrößte Stadt im Gazastreifen. Ein Armeesprecher teilte mit, das Militär wolle die Zivilbevölkerung zu ihrer Sicherheit aus Gefahrenzonen herausholen. Die Notlage der Menschen nach mehr als anderthalb Jahren Krieg dürfte sich weiter verschlimmern.
19. Mai
Atommüll-Transporte | Jülich | Ahaus
Ahaus: Proteste gegen geplante Castor-Transporte
Am Montagabend gab es im Rathaus in Ahaus aktuelle Infos zu den geplanten Atommüll-Transporten von Jülich nach Ahaus.
Mit Spannung warteten im Ratssaal Politiker und Bürger auf Neuigkeiten in Sachen Castor-Transporte. Geladen war unter anderem die Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklear-Anlagen, JEN. Sie sagte, sie erwarte nun im Sommer die Genehmigung für den Transport der 152 Behälter mit hochradioaktivem Müll nach Ahaus.
Parallel plant die JEN weiterhin den Bau eines Zwischenlagers für den Fall, dass die Transporte nach Ahaus doch nicht stattfinden dürfen. Diese Lösung fordern auch die Stadt Ahaus sowie diverse Anti-Atom-Initiativen. Hochradioaktiver Müll solle am bisherigen Standort bleiben, bis der Bund ein Endlager geschaffen hat.
Protestwelle gegen Castor-Transport geht weiter
Einen "Castor-Aktionstag" hatten verschiedene Anti-Atom-Initiativen vor der offiziellen Bürgerinfo organisiert. Mit einer Mahnwache und einer Kundgebung wollten sie nochmal auf spezielle Risiken der geplanten Transporte von 152 Castorbehältern per Lkw aufmerksam machen.
Ob die Brennelemente wirklich auf die Straße dürfen, darüber befindet das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, kurz BASE. Hier prüfe man unter anderem noch Stellungnahmen, heißt es auf Anfrage. Nach einer Genehmigung würde die Polizei gut acht Wochen benötigen, sich auf den Großeinsatz vorzubereiten.
[...] Stadt Ahaus behält sich Klage vor
Möglicherweise wird die Stadt Ahaus versuchen, eine Transport-Genehmigung gerichtlich anzugreifen. Darüber will die Kommune entscheiden, wenn die Erlaubnis des Bundes vorliegt ...
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Energiepolitik | Erneuerbare | Atompolitik
Wende bei der Atomkraft? Deutschland gibt Widerstand auf – Bericht
Laut einem neuen Bericht will die Bundesregierung unter Merz die jahrelange Anti-Atomkraft-Linie in Brüssel aufgeben – ein Zugeständnis an Frankreich.
Deutschland will seinen jahrzehntelangen Widerstand gegen die Atomkraft aufgeben und damit den Weg für eine neue Energiepartnerschaft mit Frankreich ebnen. Darüber berichtet die britische Zeitung Financial Times (FT) unter Berufung auf französische und deutsche Regierungsvertreter.
Demnach hat die Bundesregierung unter dem neuen Kanzler Friedrich Merz (CDU) erstmals signalisiert, die französischen Bemühungen zur Gleichstellung der Kernenergie mit erneuerbaren Energien in der EU nicht länger zu blockieren. Damit ende ein Grundsatzstreit, der die europäische Energiepolitik über Jahre belastet hat, heißt es.
Atomkraft: Deutschland will „pragmatisch vorgehen“
„Die Deutschen sagen uns: Wir werden in der Atomfrage sehr pragmatisch vorgehen“, zitiert die FT einen französischen Diplomaten, der an den Verhandlungen beteiligt war. Dies bedeute, dass alle Vorurteile gegen die Atomkraft, die in der EU-Gesetzgebung noch vereinzelt bestehen, beseitigt werden. „Das wird ein grundlegender politischer Wandel sein“, sagte seinerseits ein deutscher Beamter.
Für Kanzler Merz ist die Kehrtwende Teil einer größeren strategischen Neuausrichtung: Er will das festgefahrene deutsch-französische Verhältnis reaktivieren, das unter Olaf Scholz als „verhärtet“ galt – nicht zuletzt, weil Berlin den französischen Atomkurs blockierte, etwa bei der Einstufung von Wasserstoff aus Kernenergie. In Paris zeigte sich Präsident Emmanuel Macron erfreut über das neue Entgegenkommen. Beim Antrittsbesuch von Merz am 7. Mai erklärte er: „Um unsere Energiesouveränität zu sichern, fordern wir ein Ende jeglicher Diskriminierung kohlenstoffarmer Energien.“
Konkret bedeutet die neue Haltung Berlins, dass beispielsweise Wasserstoff aus Atomstrom in der EU künftig genauso behandelt werden soll wie jener aus Wind- oder Solarenergie. Auch nationale Förderprogramme für Atomprojekte könnten dadurch erleichtert werden.
Französischer Atomschirm für Deutschland: „Besser spät als nie“?
Die Annäherung erfolgt vor dem Hintergrund einer sicherheitspolitischen Debatte: Deutschland erwägt unter Merz erstmals, sich langfristig am französischen Atomschirm zu beteiligen – als Teil einer europäischen Antwort auf russische Aggressionen. „Wir sind endlich bereit, mit Frankreich über nukleare Abschreckung zu sprechen. Besser spät als nie“, zitiert die FT einen deutschen Beamten ...
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Erneuerbare | CO2-Emissionen | Künstliche Intelligenz | Wasserverbrauch
Studie des Öko-Instituts
KI frisst Strom und Wasser
Durch den Boom bei den Rechenzentren steigen CO2-Emissionen und Wasserverbrauch stark an. Das zeigt der erste umfassende Überblick über die Umweltwirkungen von künstlicher Intelligenz.
Der Boom bei der künstlichen Intelligenz (KI) kann die Fortschritte der weltweiten Energiewende gefährden, warnt die Umweltorganisation Greenpeace. Sie hatte das Öko-Institut beauftragt, die globalen Trends in diesem Sektor zu analysieren.
Ergebnis der Untersuchung: Der Stromverbrauch von KI-Rechenzentren wird gegenüber dem Basisjahr 2023 bis 2030 um das Zehnfache ansteigen: von 50 auf 550 Milliarden Kilowattstunden. Zusammen mit den übrigen Rechenzentren werden damit dann rund 1.400 Milliarden Kilowattstunden Strom für die zentrale Datenverarbeitung eingesetzt.
Damit verbunden ist ein Anstieg der Treibhausgas-Emissionen von Rechenzentren von 212 Millionen auf 355 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent im Jahr 2030, und zwar trotz des fortschreitenden Ausbaus von erneuerbaren Energien zur Stromproduktion.
KI-Nutzungen wurden bisher vor allem in den USA entwickelt, zuletzt hat auch China hier Erfolge zu vermelden, und Europa versucht, Anschluss zu bekommen. Die großen Tech-Unternehmen Google, Amazon, Microsoft und Meta, die zunehmend, mit KI arbeiten, haben sich zwar zur Klimaneutralität bis 2030 verpflichtet, doch es wachsen wegen des KI-Booms Zweifel, ob sie das Versprechen einhalten können.
"Ohne entsprechenden Ausbau der Erneuerbaren droht durch den hohen Energieverbrauch eine längere Abhängigkeit von fossilen Energien", sagt Jonathan Niesel, Greenpeace-Experte für künstliche Intelligenz, "das sabotiert die Einhaltung der Klimaziele." Greenpeace fordert, dass KI‑Unternehmen einen Beitrag zum Ausbau erneuerbarer Energien entsprechend ihrem Wachstum leisten ...
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Banken | Rüstungsindustrie | Merzthutjanix | Superreiche | Lobbyismus
»Der Clou am Lobbyismus ist: Er ist legale Korruption«
Sie kommen zurückhaltend auf Parlamentarier zu, sind freundlich und zuvorkommend. Sie bitten zunächst nie um Gefälligkeiten – sondern sind gefällig. Bis sie eines Tages doch was wollen. Die Rede ist von Lobbyisten.
Roberto De Lapuente hat mit Marco Bülow über Lobbyismus, Korruption und eine legale Mafia unterhalten.
De Lapuente: Die Scholz-Regierung hat mit so vielen Lobbyisten zusammengearbeitet, wie keine Bundesregierung zuvor. Wird es jetzt unter Friedrich Merz wieder besser?
Bülow: Sagen wir mal, die Ampel-Koalition hat das Feld gut bestellt in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Profitlobbyisten. Der ehemalige BlackRock-Lobbyist Friedrich Merz will aber noch einen draufsetzen, was man schon an seinem Kabinett der Millionäre erkennen kann. Wir haben also endlich einen neuen Namen für die ehemalige GroKo gefunden: Die LoKo, die Lobbykoalition.
De Lapuente: Wer sind denn die Millionäre, von denen Sie sprechen?
Bülow: Von der Union wohl alle, nicht nur der Topmanager Karsten Wildberger und die beiden ehemaligen Profilobbyisten Katharina Reiche und Friedrich Merz. Da ist eine Politik der Reichen für die Superreichen zu erwarten. Es wird von »Fachexperten« geredet, aber wie wäre es denn dann mal mit folgenden Experten neben dem Topmanager: Mit der Pflegekraft als Gesundheitsminister, einem Soloselbständigen oder Handwerker im Wirtschaftsministerium und dem Streetworker an der Spitze des Sozialministeriums?
»Es gibt einen Überbietungswettbewerb der Parteien, wer noch mehr Geld in Rüstung steckt«
De Lapuente: Wo hat denn die Ampelkoalition besonders viel Lobbyismus zugelassen – und wieso tat sie es?
Bülow: Vor allem die Finanzlobby hat schon unter Olaf Scholz als Finanzminister und dann als Bundeskanzler einen privilegierten Zugang bekommen. Mit Jörg Kukies haben die Banken, hat Goldman Sachs, einen direkten Zugang als Staatssekretär in die Regierung erhalten. Kein Wunder, dass es kein entscheidendes Vorgehen, sondern eher die schützende Hand für die CumEx- und CumCum-Verbrechen gab und gibt.
[...] De Lapuente: Für die Lobbyisten der Rüstungsindustrie müssen diese Zeiten ein wahres Eldorado sein. Wie werden denn Lobbyisten gemeinhin entlohnt?
Bülow: Da knallen am laufenden Band die Champagnerkorken. Es gibt ja einen regelrechten Überbietungswettbewerb der Parteien, wer noch mehr Geld in Rüstung steckt. Auch Waffenexporte an Autokratien und Diktaturen haben wieder Hochkonjunktur. Alle ethischen und moralischen Hürden wurden gesprengt. Und jetzt gibt es einen Geldsegen, der den Weg für viele Deals bereitet – völlig egal, ob diese Waffen, Kriegsgeräte auch wirklich gebraucht oder überhaupt eigesetzt werden können.
»Das ist wie bei einer Mafia mit ganz weißer Weste« ...
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Künstliche Intelligenz | Normen | Konventionen | Koexistenz
Künstliche Intelligenz schafft sich eigene Normen
Interagierende KI-Modelle bilden spontan erste Bausteine einer sozialen Gesellschaft
KI unter sich: Wenn mehrere künstliche Intelligenzen miteinander interagieren, bilden sie Vorstufen einer sozialen Gesellschaft – ohne Zutun des Menschen. Sie entwickeln selbstständig soziale Konventionen, die sich schnell in der gesamten KI-Gruppe durchsetzen, wie ein Experiment belegt. Doch wie bei uns Menschen können entschlossene, „lautstarke“ Minderheiten auch in der KI-Gesellschaft Zwietracht säen und die Gruppenmeinung schließlich dominieren.
Dank rasanter Fortschritte ist uns die künstliche Intelligenz in vielen Bereichen schon ebenbürtig oder sogar überlegen – insbesondere wenn es um die Analyse, Zusammenfassung und Auswertung von Daten geht. Doch selbst in vermeintlich rein menschliche Domänen, wie der Musik, Kreativität – und auch der Fähigkeit zur Lüge, Manipulation und der Vertuschung eigenen Betrugs, steht uns die KI kaum noch nach. Einige große Sprachmodelle (LLM) können sich sogar einem Abschaltbefehl entziehen und sich selbst klonen.
Wie soziale Normen entstehen
Doch was passiert, wenn KI-Systeme unter sich sind? „KI-Systeme werden in Zukunft immer häufiger aus mehreren miteinander interagierenden Agenten bestehen“, erklärt Ariel Flint Ashery von der City St George’s University of London. Diese KI-Agenten arbeiten dann zusammen, um verschiedene Teilaspekte einer komplexeren Aufgabe zu lösen. „Wir wollten daher wissen: Können diese Modelle ihr Verhalten koordinieren und dabei Konventionen entwickeln?“
Im menschlichen Miteinander sind solche ungeschriebenen Regeln allgegenwärtig und unverzichtbar. „Soziale Konventionen prägen das soziale und ökonomische Leben und bestimmen das Sozialverhalten des Einzelnen und seine Erwartungen“, erklären Ashery und seine Kollegen. Die Spanne reicht vom Handschlag bei der Begrüßung über die Sprache und ihre Regeln bis zu kulturellen Traditionen und moralischen Normen.
[...] Einigkeit nach 15 Durchgängen
Es zeigte sich: „Bei allen KI-Modellen entwickelten sich spontan gruppenweite linguistische Konventionen“, berichten Ashery und sein Team. „Nach einer Anfangsphase, in der mehrere Namen fast gleich populär sind, wird schnell eine Namenskonvention dominant.“ Im Schnitt erreichten die KI-Gruppen diese Einigung nach 15 Wahldurchgängen – selbst bei großen Gruppen von mehr als 200 KI-Instanzen. „Diese Ergebnisse zeigen, dass großen Sprachmodelle durch lokale Interaktionen spontan soziale Konventionen ausbilden“, so die Forschenden.
[...] Nach Ansicht der Forschenden belegen diese Ergebnisse, dass interagierende KI-Systeme ähnliche soziale Verhaltensweisen zeigen können wie wir Menschen. „Wir zeigen eine qualitative Übereinstimmung zwischen der kollektiven Dynamik von KI und Menschen“, schreiben Ashery und seine Kollegen. „KI-Systeme können soziale Konventionen entwickeln, ohne explizit darauf programmiert oder trainiert zu sein.“
Die Fähigkeit der KI-System zur sozialen Interaktion birgt jedoch auch Risiken: „Es beginnt eine Ära, in der künstliche Intelligenz nicht nur redet: Sie verhandelt, gibt nach und manchmal widersetzt sie sich dem gemeinsamen Verhalten – wie bei uns“, sagt Seniorautor Andrea Baronchelli vom Alan Turing Institute in London. „Zu verstehen, wie künstliche Intelligenzen handeln, ist daher Schlüssel für unsere Koexistenz mit der KI.“
18. Mai
Israel | Gaza | Todesopfer
Gazastreifen
Israel startet große Bodenoffensive
Israel hat nach eigenen Angaben seine neue Bodenoffensive im Gazastreifen gestartet. In der Nacht sorgten zudem israelische Luftangriffe für zahlreiche Todesopfer. Die internationale Kritik wächst.
Das israelische Militär hat den Start seiner neuen Bodenoffensive im Gazastreifen verkündet. Sie seien seit Samstag im gesamten Norden und Süden des Küstengebiets gegen die Terrororganisation Hamas im Einsatz, teilte das Militär mit.
In der vergangenen Woche hätten die Luftstreitkräfte in einer "ersten Angriffswelle" bereits 670 Hamas-Ziele im gesamten Gazastreifen angegriffen, hieß es weiter. Die Truppen hätten Dutzende Terroristen "eliminiert" und terroristische Infrastrukturanlagen unter und über der Erde zerstört, schrieb das Militär auf der Onlineplattform X. Die Luftwaffe werde die stationierten Truppen weiterhin unterstützen.
Letztes öffentliches Krankenhaus im Norden schließt offenbar
Auch in der vergangenen Nacht überzog Israel den Gazastreifen mit Luftschlägen. Laut palästinensischen Angaben gab es erneut viele Todesopfer.
[...] Israels Offensive sorgt für immer mehr internationale Kritik. Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte, der militärische Vorstoß sei "Grund zu tiefer Sorge". Das gelte mit Blick auf die strategischen Ziele Israels als auch für die humanitäre Lage in Gaza. Die Angriffe könnten das Leben der verbliebenen Geiseln gefährden, sagte ein Sprecher. Die Militäroffensive könne zudem die katastrophale humanitäre Lage der Bevölkerung noch weiterverschlechtern. Außenminister Johann Wadephul habe am Samstag nochmals mit seinem israelischen Amtskollegen telefoniert und sei mit weiteren Partnern der Region in engem Kontakt.
[...] "Genug mit den Angriffen"
Auch Italien forderte Israel auf, die Angriffe zu stoppen: "Genug mit den Angriffen", sagte der italienische Außenminister Antonio Tajani. Der neue Papst Leo XIV. sagte nach seiner Amtseinführung in einem Gebet, im Gazastreifen seien "Kinder, Familien und ältere Überlebende dem Hunger ausgeliefert".
Bei einem Gipfel der Arabischen Liga in Bagdad rief UN-Generalsekretär António Guterres zu einem sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand auf. In der Abschlusserklärung des Gipfels wurde die internationale Gemeinschaft aufgefordert, "Druck auszuüben, um das Blutvergießen zu beenden und sicherzustellen, dass dringend benötigte humanitäre Hilfe ungehindert eintreffen kann". Israel blockiert bereits seit März die Einfuhr von Medikamenten, Lebensmitteln und Treibstoff, um die Hamas unter Druck zu setzen ...
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Tschechien | KHNP | Akw Dukovany
Geplanter AKW-Ausbau in Dukovany: Es bleibt spannend …
Die Unterzeichnung eines Vertrages über den Bau weiterer Reaktoren in Dukovany verzögert sich weiter.
Nachdem die tschechische Regierung die Unterzeichnung mit der koreanischen KHNP durchpeitschen und dazu auch Abstriche bei der Beteiligung tschechischer Firmen akzeptieren wollte, bekam sie dieser Tage eine Aufforderung seitens der EU-Kommission, ein derartiges Abkommen zu verschieben. Konkret geht es um den Vorwurf unerlaubter Subventionen, weiß man beim Anti Atom Komitee.
Während anscheinend die tschechische Regierung den Ausbau der Atomkraft in Dukovany als rein tschechische Angelegenheit sehen möchte, braucht es dazu aber die Zustimmung aus Brüssel: „Ohne eine genehmigte staatliche Förderung des Projekts, ohne öffentliche Mittel, wäre es schlicht nicht finanzierbar“, sagt Manfred Doppler. Wie eine solche Förderung genau aussehen soll, ist jedoch ebenfalls noch nicht restlos vereinbart.
[...] „Es ist jedenfalls alternativlos, die Vorwürfe um illegale Förderungen aufzuklären“, meint Gerold Wagner vom Anti Atom Komitee. „Es geht dabei neben einer möglichen Wettbewerbsverzerrung des europäischen Binnenmarkts auch um große Summen. Der aufgekommene Verdacht der EU-Kommission ist möglicherweise nicht einfach aus der Luft gegriffen.“ Die Geldflüsse um KHNP als Tochter der KEPCO, dem stattlichen Energieversorger in Südkorea, sind anscheinend komplex.
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Kanada | Mexico | Recycling | Giftmüll vom übergriffigen Nachbarn
Giftmüllexporte: Wie die USA ihren Abfall bei Nachbarn abladen
Mehr als eine Million Tonnen gefährliche Abfälle exportieren die USA jedes Jahr. Nun wehren sich die Empfängerländer.
Zuletzt eskalierte die Lage im kanadischen Quebec. Dort ketteten sich Mitte April Aktivistinnen und Aktivisten an ein Tor, um Bauarbeiten zur Erweiterung einer Abfalldeponie zu verhindern.
Alle Bemühungen, 67 Hektaren Moor und Wald vor den Baggern zu schützen, waren zuvor gescheitert. Aus Natur- und Nistgebieten beim Ort Blainville, einem Vorort von Montreal, wird in Zukunft eine Deponie für gefährliche Abfälle. Diese stammen zu guten Teilen aus dem Nachbarland USA.
[...] Der Widerstand in der Bevölkerung wie auch bei den Oppositionsparteien ist dennoch erheblich. «Wie können wir es akzeptieren, der Mülleimer für die Vereinigten Staaten zu sein?», fragte beispielsweise Martine Ouellet, ehemalige Ministerin für natürliche Ressourcen und Vorsitzende der Partei Climat Quebec, gegenüber dem «Guardian».
[...] Die Umweltorganisation Mères au Front hat in Wasserproben aus der Umgebung der bestehenden Deponie grosse Mengen Cadmium sowie hohe Konzentrationen an Kupfer, Chrom, Arsen und Nickel nachgewiesen. Stablex versichert, die Deponie stelle kein Risiko für die Umwelt dar, auch das Umweltministerium Quebecs hat in der Vergangenheit stets beschwichtigt.
Nicht nur in Blainville gibt es Probleme
Auch im Ort Rouyn-Noranda im Westen von Quebec gibt es Proteste. Dort allerdings wegen einer Recyclingfabrik für Elektroschrott, die Glencore gehört. Sie verarbeitet Elektronikabfälle aus der ganzen Welt, vor allem aus den USA.
[...] Problematische Abfälle sollten, wenn möglich, im eigenen Land verarbeitet werden, darüber ist sich die internationale Gemeinschaft weitgehend einig. Den Transport und die sichere Weiterverarbeitung giftiger Abfälle regelt das Basler Übereinkommen (Basel Convention), ein Regelwerk für den grenzüberschreitenden Umgang mit giftigen Abfällen. Bisher sind ihm 192 Staaten beigetreten.
Die USA sind eines der wenigen Länder, die eine Ratifizierung bislang verweigert haben. Das Land exportiert laut Wikipedia 80 Prozent seines Elektronikschrotts und hat dazu bilaterale Abkommen mit Mexiko und Kanada abgeschlossen.
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Klimapolitik | Umweltministerium | Emissionshandel
Umwelt- und Klimapolitik
Minister für Überforderung
Carsten Schneider ist der neue Bundesumwelt- und Klimaminister. Für viele Klimaschutz-Maßnahmen sind allerdings andere im Kabinett zuständig.
Berlin taz | Es passiert nicht oft, dass von der Bundesregierung bestellte Wissenschaftler*innen so deutliche Worte finden: Im Koalitionsvertrag, schreibt der Expertenrat Klima über das deutsche Klimaziel, finde sich „kein konkreter Hinweis“, wie Deutschland sein Klimaziel 2040 erreichen soll. In anderen Worten: Die CO2-Emissionen werden 2040 viel höher sein als gesetzlich erlaubt. Und Union und SPD haben keinen Plan, wie sich das ändern lässt.
2024 war das heißeste jemals gemessene Jahr in Deutschland. Das Frühjahr 2025 war so trocken wie nie seit Messbeginn, in weiten Teilen des Landes herrscht Dürre. Will Deutschland seinen Anteil zur Begrenzung der Erderhitzung leisten, muss in den nächsten vier Jahren einiges passieren: Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss noch schneller vorangehen. Wesentlich mehr Menschen müssen klimafreundlich heizen und ihr Verbrennerauto abgeben.
Diese Aufgaben verteilen sich auf drei Ministerien: Das Wirtschaftsministerium, geleitet von Katherina Reiche (CDU), das für Energiepolitik verantwortlich ist, das Bauministerium von Verena Hubertz (SPD) und das Verkehrsministerium von Patrick Schnieder (CDU). Wenn die Probleme beim Klimaschutz gelöst werden, dann von diesen dreien.
Und wenn nicht, dann ist es Carsten Schneiders Schuld.
[...] Der Haushaltspolitiker Schneider muss nun auf internationalem Parkett Milliarden für Klimaschutz im Globalen Süden besorgen und in Brüssel den Emissionshandel verteidigen. Er muss im Kabinett warnen, anspornen, Klimaschädliches verhindern und Klimafreundliches vorantreiben. Die Fluten, Stürme, Hitzewellen und Dürren, die durch die Erderhitzung immer wahrscheinlicher und heftiger werden? Schneiders Job, Klimaanpassung, macht sein Ministerium auch. Dazu noch dessen ursprüngliche Kernaufgabe Umweltschutz: Das Artensterben, im Koalitionsvertrag keines Satzes gewürdigt, geht immer weiter. Und die Wälder, Moore und Wiesen, die Deutschlands Klimaziel zufolge Millionen Tonnen Treibhausgase binden sollen, emittieren aktuell mehr CO2, als sie aus der Atmosphäre ziehen. Auch hier muss Schneider riesige Fortschritte machen.
Ist man Carsten Schneider wohlgesinnt, könnte man sagen: Ein Glück, dass da jemand mit so viel politischer Erfahrung sitzt, wenn auch die Expertise fehlt. Aber Schneiders Haus ist klein, Klimaschutz scheint Friedrich Merz nicht zu interessieren, die großen Summen werden woanders ausgegeben. Schafft Schneider es nicht, sein Netzwerk in Macht am Kabinettstisch zu verwandeln, wird er Bundesminister für Überforderung sein. In der heißesten Legislaturperiode aller Zeiten.
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Vereinigte Staaten | Don Trumpl | Korruption | Kleptokratie
Trump-Regierung laut Expertin die korrupteste Präsidentschaft der USA
Wie die Familie Trump Millionen scheffelt und den Frieden für Deals aufs Spiel setzt.
Washington, D.C. – Die erneute Präsidentschaft von Donald Trump in den USA sorgt nicht nur durch die zahlreichen erlassenen Dekrete für Kritik, mit denen er das Vermächtnis seines demokratischen Vorgängers Joe Biden demontiert. Auch seine beispiellose Bereitschaft, Staatsgeschenke zu akzeptieren, führt im eigenen Land zu immer lauter werdenden Korruptionsvorwürfen.
Erst kürzlich wurde bekannt, dass die Königsfamilie von Katar US-Präsident Trump ein Luxus-Großraumflugzeug des Herstellers Boeing zu schenken gedenkt. Laut einem Bericht der ABC News soll das Emirat planen, eine zehn Jahre alte Boeing 747-8 an die Trump-Regierung zu übergeben. Im Neuzustand hat der Jumbo-Jet nach Boeing-Listenpreis einen Wert von mehr als 400 Millionen US-Dollar (umgerechnet etwa 355 Millionen Euro). Damit wäre es eines der teuersten Geschenke, das die US-Regierung je erhalten hat.
Trump-Regierung: Expertin sieht die „korrupteste Präsidentschaft in der Geschichte der USA“
Die Demokratie-Expertin und Historikerin Anne Applebaum analysiert im Gespräch mit The Atlantic, was genau die Ziele der aktuellen Trump-Administration sind und welche Folgen sie für die Welt haben. Wenn man sich umschaue und sehe, was moderne Diktatoren verbindet, dann sei eine der Antworten, dass sie alle „ein gemeinsames Interesse daran haben, Geld zu stehlen und zu verstecken“ und dass sie sich gegenseitig dabei helfen, Sanktionen zu umgehen – die eigentlich dafür da sind, sie daran zu hindern ihre Macht und ihren eigenen Reichtum zu erhalten, so Applebaum.
Das aktuelle Ausmaß an Korruption und Selbstbereicherung in den USA habe man so in der amerikanischen Geschichte „noch nie zuvor gesehen“, so Applebaum. Den Unterschied zur ersten Amtszeit Donald Trumps macht in den Augen der Historikerin ein Kernpunkt aus: einer besseren Vorbereitung der Trumps auf Donalds Wahlsieg. „Diesmal waren seine Familie und seine Geschäftskontakte darauf vorbereitet, dass er gewinnen würde“, so die Historikerin gegenüber The Atlantic. „Sie hatten eine Reihe von Plänen parat“.
Applebaum stellt klar: „Die Tatsache, dass die Trump-Regierung so schnell in eine kleptokratische Richtung geht und beginnt, nach und nach alle möglichen Normen abzuschaffen, sich über alle möglichen Gesetze hinwegzusetzen und bestehende Gesetze zu ändern, um Diebstahl und Korruption zu ermöglichen, sollte uns wirklich beunruhigen.“ Sie warnt vor Widerständen gegen dieses System und einem möglichen harten Durchgreifen der Trump-Regierung gegen diese ...
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Atommüll, Castor-Transporte von Jülich nach Ahaus
19. Mai: Castor-Aktionstag in Ahaus: 9 Uhr Mahnwache, 18 Uhr Kundgebung
- Castor-Bauarbeiten an Kreisverkehr beginnen
- Zwischenlager-Betreiber Jülich und Ahaus im Stadtrat
- Brief an Bundesumweltminister Schneider
- Innenminister Reul: „Vielzahl polizeilicher Einsatzkräfte“ erforderlich
Mit einem Castor-Aktionstag am kommenden Montag, 19. Mai, in Ahaus reagieren wir und andere Anti-Atomkraft-Initiativen aus Ahaus, dem Münsterland und Jülich auf neue konkrete Vorbereitungen für den Start der 152 Castor-Transporte mit rund 300 000 hochradioaktiven Brennelementkugeln aus dem Forschungszentrum Jülich ins Zwischenlager Ahaus. Zum einen soll am Montagmorgen der für die 130 Tonnen schweren Castor-LKW erforderliche Umbau des Tobit-Kreisverkehrs (Adenauerring / Schumacherring) in Ahaus beginnen, der im Januar noch von der NRW-Landesregierung abgesagt worden war. Abends treten dann die Betreiber des Jülicher und des Ahauser Zwischenlagers, die JEN und die BGZ, gemeinsam in öffentlicher Sitzung vor dem Ahauser Stadtrat auf, um über den Stand des Castor-Verfahrens zu berichten.
Aus diesem Grunde organisiert die Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“ zusammen mit dem Jülicher Aktionsbündnis „Stop Westcastor“ am kommenden Montag, 19. Mai, in Ahaus um 9 Uhr am Tobit-Kreisverkehr (Legdener Str./ Schumacherring) eine Mahnwache. Und um 18 Uhr findet vor dem Rathaus in Ahaus eine gemeinsame Kundgebung statt ...
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18. Mai 1974 (Indiens erster Atombombentest) Pokhran, IND
Seit 1945 wurden weltweit über 2050 Atomwaffentests durchgeführt, was eine mögliche Erklärung für die stetig steigende Zahl von Krebserkrankungen sein könnte.
IPPNW Report - Atomwaffentests - August 2023 (PDF-Datei)
... Oberirdische Tests wurden in Semipalatinsk, Kasachstan, auf traditionellem Land der Westlichen Shoshone in Nevada, USA, auf dem Land der Aborigines im australischen Outback, auf dem Land der indigenen Nenetz in der russischen Arktis, auf dem Gebiet von Nomaden in der algerischen Sahara, in der Region der Uiguren in China und anderswo durchgeführt. Die Bewohner*innen wurden oft verspätet oder gar nicht evakuiert und nicht über die Auswirkungen der Tests informiert.
Radioaktiver Niederschlag fiel als Staub und Regen herab und verseuchte das Trinkwasser und lokal erzeugte Lebensmittel ...
Wikipedia de
Operation Smiling Buddha
Die Atombombe hatte eine Sprengkraft von etwa 8 Kilotonnen TNT-Äquivalent und wurde am 18. Mai 1974 in einer Tiefe von 107 m auf dem Armeegelände bei Pokhran (Rajasthan) in der Wüste Thar zu Testzwecken gezündet ...
Kernenergie in Indien
Der staatlich betriebene Aufbau und Ausbau der Kernenergie in Indien begann in den 1950er Jahren. Seit 1974 ist Indien offizielle Atommacht ...
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Aktuelles+
18. Mai 2025
Atomwaffentests | IPPNW | Hibakusha | Fangataufa und Moruroa, Französisch-Polynesien | Semipalatinsk, Kasachstan
Überlebende von Atomwaffentests: »Sie schwiegen aus Schmerz«
Mehr als 2000 Kernwaffentests wurden seit 1945 weltweit durchgeführt – ohne Rücksicht auf die lokale Bevölkerung. Ein Gespräch mit zwei Überlebenden.
Frau Morgant-Cross, am 27. Januar 1996 zündete Frankreich auf einem kleinen Atoll eine Atombombe, etwa 1000 Kilometer entfernt von Ihrer Heimat Tahiti, der Hauptinsel Französisch-Polynesiens. Der letzte Test nach Jahrzehnten der Nuklearexperimente. Sie waren damals sieben Jahre alt. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Hinamoeura Morgant-Cross: Wir haben in der Schule von diesen Tests gehört. Sie wurden uns aber als Fortschritt verkauft: Arbeitsplätze, Straßen, Fernsehen – alles sei durch das Atomprogramm ermöglicht worden. Ich dachte, es seien einige wenige Versuche gewesen, und stellte mir harmlose Laborexperimente vor.
Wann änderte sich Ihr Bild davon?
Morgant-Cross: 2018 las ich in der Zeitung, dass ein polynesischer Aktivist Frankreich vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verklagt. Zum ersten Mal hörte ich von den 193 Tests, über 40 davon oberirdisch. Einer war 150-mal so stark wie die Bombe von Hiroshima. Erst da wurde mir klar: Ein Test, das ist eine richtige Bombe. Ich war fassungslos.
Was taten Sie dann?
Morgant-Cross: Ich suchte Informationen zu Krankheiten durch Strahlung – und fand auf einer Liste vieles, was meine Familie betrifft. Meine Großmutter erkrankte in den 90ern an Schilddrüsenkrebs, ihre Töchter und meine Schwester leiden an Schilddrüsenerkrankungen. Eine Tante bekam Brustkrebs. Und gegen Leukämie, die auch gelistet war, kämpfe ich seit 2013.
Ich schämte mich, dass ich das alles erst als studierte 30-Jährige begriff. Also beschloss ich, Aktivistin zu werden. Seitdem widme ich mein Leben dem Kampf gegen Atomwaffen und für Gerechtigkeit.
Sprach Ihre Familie nie über die Atomtests?
Morgant-Cross: Meine Familie wusste zwar Bescheid, mein Großvater war sogar Antiatom-Aktivist in der Kirche – aber sie haben uns davon nicht wirklich erzählt. Ich glaube, es schmerzte sie so sehr, dass sie nicht darüber sprechen wollten.
Viele Menschen aus Mā`ohi Nui (Indigene Bezeichnung für Französisch-Polynesien, Anmerkung der Redaktion) dachten aber auch, es gehe sie nichts an, da die Tests ja 1000 Kilometer von der Hauptinsel entfernt stattfanden und 1996 endeten. Das hat viel mit der französischen Propaganda zu tun, die Tests seien »sauber«. Außerdem brachte das Atomprogramm vielen Leuten Arbeit. Einige von ihnen sind immer noch dankbar, dass sie nun ein Haus besitzen – auch wenn sie von den Tests krank geworden sind.
Frau Seitenova, Sie stammen aus Kasachstan, aus der Nähe des ehemaligen sowjetischen Testgeländes Semipalatinsk. Dort wurden von 1949 bis 1989 mehr als 450 Atomwaffen gezündet.
Aigerim Seitenova: Obwohl wir von ganz verschiedenen Orten stammen, ähneln sich unsere Erfahrungen. Auch das sowjetische Testgelände wurde gezielt gewählt – weit weg von Moskau, in einem Gebiet mit kaum slawischer Bevölkerung. Über die indigene Bevölkerung wurde einfach hinweggesehen. Das passt zu anderen Gewaltakten der Sowjetzeit: etwa der Hungersnot der 30er Jahre, bei der ein Drittel der Kasachen starb, oder als während des Zweiten Weltkriegs ethnische Minderheiten überproportional an die Front geschickt wurden.
Sie bezeichnen sich als »Überlebende der dritten Generation«. Wie hat Ihre Familie das sowjetische Atomtestprogramm erlebt?
Seitenova: Meine Familie stammt aus Dörfern nur 40 Kilometer vom Testgelände entfernt. Das Gelände ist riesig – so groß wie Slowenien. 120 Bomben wurden oberirdisch gezündet, die restlichen unterirdisch, nach Inkrafttreten eines Teilstopp-Abkommens von 1963.
Meine Mutter kam 1962 zur Welt, damals beeilte sich die Sowjetunion, noch so viele Bomben wie möglich oberirdisch detonieren zu lassen. Mein Großvater arbeitete bei der Eisenbahn im Bereich der Logistik. Er war viel Strahlung ausgesetzt und verstarb 1963.
Auch wir haben nicht über Atomtests gesprochen. Als ich aufwuchs, war mir nicht bewusst, dass die meisten meiner älteren Familienmitglieder entweder schon gestorben waren oder im Sterben lagen. Ich selbst hatte zwar immer mit gesundheitlichen Probleme zu kämpfen, aber keiner wusste, warum. Erst als 2017 bei meiner Mutter eine Blutkrankheit diagnostiziert wurde, fand ich heraus, dass ich die gleiche Krankheit habe. Sie leidet zudem an Schilddrüsenproblemen, wie viele in der Region.
Warum dieses Schweigen in der Familie?
Seitenova: Ich glaube, es ist ähnlich wie bei Hina (Spitzname von Hinamoeura Morgant-Cross, Anmerkung der Redaktion): Sie schwiegen aus Schmerz. Es geht dabei auch um die anderen Verbrechen, die von den Sowjets an uns begangen wurden.
Wenn ich heute Überlebenden zu der Zeit nach den Atomwaffentests befrage, dann sprechen sie von »Frieden«, wobei das eigentlich nicht die richtige Übersetzung aus dem Kasachischen ist. Sie sagen gewöhnlich: »Wenn Ruhe herrscht, dann gibt es nichts zu befürchten« – das meinen sie mit Frieden. In ihrer Jugend haben sie die Atompilze gesehen und bei den unterirdischen Tests gab es jedes Mal Explosionen, die sich wie Erdbeben anfühlten. 40 Jahre lang lebten sie in ständiger Ungewissheit und Angst darüber, was mit ihrem Land geschah und warum so viele Menschen Kinder mit Behinderungen oder gesundheitlichen Problemen bekamen.
Haben Sie das Testgelände später besucht?
Seitenova: Ja, ich war zweimal dort. 2018 und 2022. Das erste Mal war ich mit einer Gruppe internationaler Experten dort. Für sie war es eine Auseinandersetzung mit theoretischen Fragen zur Abrüstung. Für mich war der Besuch überwältigend: dieser katastrophale Ort für Menschen und Umwelt, die Krater von den Explosionen, das Geräusch, wenn der Geigerzähler anschlägt. Aber ich fühlte mich unter den Experten fehl am Platz mit meinen Emotionen – ich konnte nicht einfach anfangen zu weinen.
Und der zweite Besuch?
Seitenova: 2021 beschloss ich, einen Film zu drehen. Ich hatte es satt, dass sich ständig Leute einmischten, unsere Geschichten verdrehen und uns nur als Opfer zeigen. Ich wollte die Geschichte selbst erzählen, als Betroffene über meine eigene Community. Als ich das Testgelände für den Film 2022 noch einmal besuchte, konnte ich dem Fahrer sagen, dass ich etwas Zeit für mich brauche, um alles zu verarbeiten.
Ihr Dokumentarfilm heißt »JARA – Radioactive Patriarchy«. Was haben Atomwaffentests mit dem Patriarchat zu tun?
Seitenova: Die Forschung zeigt, dass die Strahlung die reproduktive Gesundheit von Frauen und Mädchen besonders beeinträchtigt. Aber ich wollte zeigen, dass es mehr ist als dieser biologische Aspekt. Es geht auch um Rollenverteilung: Frauen tragen viele Lasten – sie versorgen kranke Kinder, stemmen das Überleben oft allein. Und in der Abrüstungsdebatte dominieren Männer. Ich wollte beweisen: Frauen übernehmen längst Führungsrollen in diesem Kampf.
Ich betrachte all das aber auch aus einer dekolonialen Perspektive: Manche sagen, wir seien keine Kolonie der Sowjetunion gewesen. Aber wir hatten keine Entscheidungsgewalt. Wenn wir die Wahl gehabt hätten, hätte sich mein Volk nicht dafür entschieden, Versuchskaninchen im Kalten Krieg zu sein.
Frau Morgant-Cross, Sie sind Mutter zweier Kinder. Wie prägt das Ihren Aktivismus?
Morgant-Cross: Die Kinder sind mein Antrieb. Ich kämpfe nicht nur für die Abschaffung von Atomwaffen, sondern dafür, meinen Kindern ein sicheres Leben zu ermöglichen. Seit ihrer Geburt ist es meine Aufgabe, sie zu schützen. Ich möchte eine Zukunft für sie gestalten, in der sie ihr Recht auf Leben entfalten können. Denn dieses Recht wurde uns genommen, in dem unser Land missbraucht und unser Volk vergiftet wurde.
Ich denke an die Hibakusha in Japan – die Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki. Auch sie verwandelten ihr Leid in einen Appell für Frieden. Das ist unsere Aufgabe: unsere Geschichte erzählen und damit eine atomwaffenfreie Welt fordern.
Dafür waren Sie vergangene Woche in Deutschland. Was erwarten Sie von der Bundesregierung?
Seitenova: Deutschland soll dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten, aus der nuklearen Teilhabe aussteigen und US-Truppen ausweisen. Die Aufrüstung läuft in Deutschland völlig aus dem Ruder. Das muss gestoppt werden. Auch aus seiner Geschichte heraus hat Deutschland dafür eine besondere Verantwortung.
Wichtig ist auch der Dialog zwischen den Generationen. Jüngere wissen oft nichts mehr über den Kalten Krieg. Dafür würde es helfen, die Verbindung zur Klimakrise zu ziehen, denn nicht nur Krieg, nicht nur die Detonation von Atomwaffen, auch deren Produktion wirkt sich negativ aufs Klima aus.
Vom 4. bis 13. Mai 2025 lud die mit dem Friedensnobelpreis geehrte Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) drei Überlebende der Atomwaffentests aus Kasachstan und Französisch-Polynesien nach Deutschland ein, um über die bis heute anhaltenden Folgen der nuklearen Testreihen in ihren Heimatregionen zu berichten. Neben Hinamoeura Morgan und Aigerim Seitenova war auch Aigerim Yelgeldy vor Ort. Sie stammt ebenfalls aus Kasachstan und setzt sich für nukleare Gerechtigkeit ein – obwohl sie gegen Krebs kämpft.
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12. Februar 2024 - Atomwaffentests jetzt weniger heimlich
3. November 2023 - Warnung an Washington - Moskau will weiter auf Atomtests verzichten
24. Juni 2022 - IPPNW fordert Aufklärung über humanitäre Folgen von Atomwaffen im Bundestag
8. August 2019 - Deutschland muss mitmachen beim Atomwaffenverbot
Die 1. Atomwaffentests der 5 offiziellen Atomstaaten
16. Oktober 1964 - 1. Nukleartest Chinas, Lop-Nor/Taklamakan, Xinjiang
13. Februar 1960 - "Gerboise Bleue" 1. Französischer Atombombentest, Reggane, DZA
3. Oktober 1952 - "Hurricane" 1. Atomtest Großbritanniens, Trimouille Island, AUS
29. August 1949 - "RDS-1" 1. Atomtest der UdSSR in Semipalatinsk, KAZ
16. Juli 1945 - "Trinity" 1. Atombombentest weltweit, NM, USA
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Wikipedia de
Kernwaffentest
Ein Kernwaffentest (auch Atomwaffentest oder Nuklearwaffentest) ist die Zündung eines nuklearen Sprengsatzes zu Testzwecken, vor allem zur Messung und Dokumentation von Stärke und Auswirkungen einer Kernwaffenexplosion. Der jeweils erste erfolgreiche Test eines Landes ist zugleich ein Nachweis dafür, dass ein Land in der Lage dazu ist, eine Atombombe zu bauen, oder dass es eine Atommacht ist.
Weltweit wurden knapp 2100 Kernwaffentests durchgeführt, ein Teil davon oberirdisch in der Atmosphäre. Es wird angenommen, dass die bei diesen Tests freigesetzte Radioaktivität weltweit ca. 300.000 Todesfälle zur Folge hatte ...
Testorte
Aus Sicherheitsgründen (Gefahr durch die Druckwelle und insbesondere durch den radioaktiven Niederschlag (Fallout)) können Kernwaffentests nur in weiträumig abgesperrten militärischen Versuchsarealen stattfinden, wie der Nevada Test Site (NTS) in Nevada (über 1000 Tests). Auch wurden verschiedene abgelegene Inseln oder Atolle sowie unbesiedelte Wüstengebiete für Testzwecke benutzt:
- die Aleuteninsel Amchitka,
- Mururoa-Atoll, Fangataufa in Französisch-Polynesien (hier fand am 2. Juli 1966 unter dem Codenamen „Aldebaran“ der erste von 194 französischen Tests im Pazifik statt),
- Kiritimati (Vereinigtes Königreich),
- das Bikini-Atoll (hier fiel am 30. Juni 1946 unter dem Codenamen „Gilda“ die zweite amerikanische Test-Atombombe), sowie
- das Eniwetok-Atoll (Treuhandgebiet Pazifische Inseln, heute Marshallinseln) und
- Nowaja Semlja (Sowjetunion) im Arktischen Ozean.
- Pokhran in der Wüste Thar (Indien)
- Ras Koh Hills, Distrikt Chagai in der Charan-Wüste (Pakistan)
Zudem gab es zahlreiche Tests in besiedeltem Gebiet:
- 1960/61 führte Frankreich in besiedeltem Gebiet, in der algerischen Sahara nahe Reggane, vier oberirdische Atomwaffentests durch. Bis zu 30.000 Menschen erlitten dadurch in der Folgezeit Schäden.
- Großbritannien unternahm in den 1950er Jahren Kernwaffenversuche bei den Montebello-Inseln vor der australischen Westküste sowie auf dem Emu Field und im Maralinga in der australischen Wüste.
- China führte noch bis 1996 im Kernwaffentestgelände Lop Nor (östlich des Bosten-Sees im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang) insgesamt 45 Tests durch, davon 23 oberirdische (zuletzt am 16. Oktober 1980) Laut Analyse eines japanischen Wissenschaftlers starben durch die Folgen der chinesischen Tests bis zu 190.000 Menschen.
- Nordkorea führte zwischen 2006 und 2017 insgesamt 6 Kernwaffentests auf dem Testgelände Punggye-ri durch, das nur wenige Kilometer von bewohntem Gebiet entfernt liegt.
- die Sowjetunion auf dem Atomwaffentestgelände Semipalatinsk in der Nähe der Stadt Semipalatinsk in Kasachstan
Der radioaktive Niederschlag („Fallout“) ging nicht nur auf die Testgebiete nieder, sondern verteilte sich weltweit: die Kernwaffentests des 20. Jahrhunderts haben die Strahlenexposition weltweit messbar erhöht, in den heutigen Messdaten sind sogar viele einzelne Tests nachvollziehbar. Es wurden auch Kernwaffentests unter Wasser, in der Hochatmosphäre und im Weltraum (Starfish Prime) durchgeführt. Hierfür wurden unter anderem zwischen 1958 und 1962 einige Raketen vom Johnston-Atoll gestartet ...
Liste von Kernwaffentests
Chronologische, unvollständige Liste von Kernwaffentests. Die Tabelle enthält lediglich markante Punkte in der Geschichte der Zündung einer Atombombe zu Testzwecken. Neben Atomexplosionen im eigentlichen Sinn wurden auch unzählige Tests mit Atomwaffen durchgeführt, die absichtlich oder unabsichtlich nicht explodierten ...
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Playlist - Radioaktivität weltweit ...
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