Die Reaktorpleite - THTR 300 Die THTR-Rundbriefe
Studien zum THTR uvm. Die THTR-Pannenliste
Die HTR-Forschung Der THTR-Störfall im 'Spiegel'

Die THTR-Rundbriefe aus 2005

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THTR Rundbrief Nr. 100, Juli 2005


Vorwort zu dieser Ausgabe

Wohl kaum jemand hat noch vor wenigen Jahren damit gerechnet, dass eines Tages die 100. Ausgabe dieser Zeitung erscheinen würde und die herausgebende Bürgerinitiative bald ihren 30. Geburtstag feiern würde. Denn ursprünglich waren Bürgerinitiativen "nur" Ein-Punkt-Bewegungen, die sich gegen einen konkreten Mißstand oder eine bestimmte Gefahr richteten. Dann weitete sich sehr bald der Blick der Akteure zuerst auf benachbarte Bereiche, ging weiter und viele Menschen stellten fest, dass sehr viel verändert werden müsste.Manche meinten dann aber, umfassende Veränderungen wären nur durch die Mitarbeit in Parteien möglich und wendeten sich von Bürgerinitiativen wieder ab. Das Ergebnis ist derzeit als politischer Trümmerhaufen zu besichtigen. Um erfolgreich zu arbeiten, ist es immer wieder notwendig, bewusst alle vorhandene Energie und alle Aufmerksamkeit auf einen ganz bestimmten Schwerpunkt zu lenken. Nachdem klar wurde, dass der HTR als Pebble Bed Modular Reactor (PBMR) in Südafrika in der Nähe von Kapstadt gebaut werden soll, ist dies für unsere Bürgerinitiative ein solcher Punkt.

Die Dortmunder Firma Uhde soll die Brennelementefabrik in Südafrika bauen. Dort gibt es bereits die sehr engagierte Böllstiftung und Earthlife Africa, mit denen wir zusammenarbeiten. Vor dem südafrikanischen Obersten Gerichtshof konnten die Aktivisten einen wichtigen juristischen Teilerfolg verbuchen. Nebenan, in der ehemaligen deutschen Kolonie Namibia wurde das Uran für den THTR in Hamm gewonnen und es wird jetzt zusätzlich eine neue große Uranmine geplant.

Inspiration für zukünftige Aktivitäten könnte auch Mahatma Gandhi sein, der 21 Jahre in Südafrika lebte und dort wichtige politische Erfahrungen sammelte. Er hielt sich sogar einige Zeit in Kapstadt auf. Also nur ganz wenige Kilometer von dem Ort entfernt, wo heute der Bau eines neuen HTR geplant ist.

Horst Blume

 

Südafrika:

Subjektive Annäherung an ein fernes Land

Renaissance. Der THTR in Hamm, nach 14 Jahren niedergekämpft, musste 1989 stillgelegt werden. Doch nach weiteren 14 Jahren wurde offenbar, dass die Atomindustrie und ihre Verbündeten im Forschungszentrum Jülich an ihren gefährlichen Plänen weitergearbeitet hatten, um am anderen Ende der Welt einen neuen Hochtemperatur-Reaktor zu bauen. Es erwies sich als ein großer Irrtum, sich so sehr in Sicherheit zu wiegen.

 

Widerstand. Auch in Südafrika regte sich Widerstand gegen den HTR. Erst waren es nur Wenige. Aber nachdem an der Grenze der südafrikanischen Atomfabrik Pelindaba – wo die HTR-Brennelementefabrik von Uhde/Dortmund hin soll – eine hohe Konzentration von Radioaktivität gemessen wurde, erschienen Hunderte von Artikel in den Medien. Der geplante HTR geriet immer mehr in die öffentliche Diskussion.

Probleme. Gibt es in Südafrika genug. Von den 5,6 Millionen AIDS-Kranken sterben jährlich eine halbe Million (1). Wer denkt da noch an die Strahlengefahr eines Atomkraftwerkes, das in ein paar Jahren in Betrieb gehen würde? Wäre es nicht naheliegender, sich mehr über die sehr hohe Kriminalität und die im Jahr 2004 ermordeten 20.000 Menschen Sorgen zu machen? Und über die zahlreichen Überfälle auf Munitionsdepots von Polizei und Armee (2)?

Ausbeutung. Die Arbeitslosigkeit liegt offiziell bei 28 %, unabhängige Institute setzen 42 % an (3). Die Apartheid hat dem Land Millionen unqualifizierter schwarzer Arbeiter hinterlassen. Die ehemalige Befreiungsfront ANC stellt seit 1994 die Regierung. Sie legte das "Black Economic Empowerment"-Programm auf. Auch Schwarze sollen vermehrt Unternehmer werden und andere Menschen herumkommandieren und ausbeuten dürfen. Nur eine sehr kleine Schicht von schwarzen Geschäftsleuten profitiert davon. Und die Deutsche Bank (4), die als erste auf diesen Zug aufspringt. Sie erhofft sich einen geschäftlichen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz.

Sackgasse. Die übergroße Mehrheit der Schwarzen lebt in großer Armut. Die neoliberale Politik der ehemaligen Befreiungsfront führte dazu, dass zum ersten Mal seit 1975 die Kluft zwischen arm und reich wieder größer wurde. Die Privatisierung der Wasserversorgung führte zu Preissteigerungen von bis zu 600 Prozent (5). Vielen Familien ist das Wasser abgestellt worden, die Cholera brach aus. Stromrechnungen und Hypotheken können nicht mehr bezahlt werden. Es kommt zu Stromabschaltungen und Häuserräumungen im großen Stil. Die Bewegung der Landlosen fordert eine Landreform. Die Privatisierungsgegner liefern sich heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei und beleben teilweise wieder die alten Untergrundstrukturen aus der Zeit der Apartheid. Für die Bewegungsaktivisten steht fest: "Der ANC ist zu einer Partei der Bosse geworden" (6).

Risse. Unter dem gemeinsamen Dach der Regierungspartei ANC befindet sich auch die Gewerkschaft COSATU und die Kommunistische Partei (SACP). Ihre Eliten klammern sich an das bißchen Macht, dass das Kapital ihnen in Institutionen und verschiedenen Einrichtungen gelassen hat. Aber die Basis murrt. Es gibt Diskussionen. Es bleibt nicht so, wie es war. Die Allianz könnte irgendwann zerbrechen. Im September 2004 fand ein eintägiger Generalstreik für mehr Lohn mit 800.000 Öffentlich-Bediensteten statt (7). Es war der größte Streik der Nachapartheidgeschichte.

Kritik. Erzbischhof Desmond Tutu, Friedensnobelpreisträger und Leiter der Versöhnungkommission in Sachen Apartheidsverbrechen, meldete sich im November 2004 zu Wort und kritisierte den ANC heftig (8). Er geißelte die Bereicherung einer schwarzen Elite im Rahmen des ANC-Wirtschaftsprogramms und kritisierte, dass es im ANC keine kritische und offene Debatte mehr gebe. Die Worte Tutus fanden auch in den Reihen des ANC eine gewisse Resonanz. Doch mit 69,68 Prozent erhielt der ANC am 14. April 2004 bei den Wahlen noch einmal eine komfortable Mehrheit. Nachdem die ehemalige Apartheid-Partei NNP bei diesen Wahlen nur noch 1,65 Prozent erhielt, löste sie sich auf und ihre Mitglieder traten fast geschlossen in den ANC ein, um auch in Zukunft ganz nah an den Fleischtöpfen zu sein. Sie stellen jetzt den Umweltminister.

Vorbild. Beim Sturz der Apartheiddiktatur fand kein langjähriger blutiger Bürgerkrieg statt. Der Umwandlungsprozess hin zu einer parlamentarischen Demokratie ging einher mit einem Aussöhnungsprozess zwischen den für eine lange Zeit feindlich getrennten Bevölkerungsgruppen. Die durchaus schmerzhafte Aufarbeitung der Apartheid-Vergangenheit macht Fortschritte und nötigt dem Rest der Welt großen Respekt ab. Die geographischen Bezeichnungen, die an die weißen Despoten erinnern, erhalten schrittweise neue Namen. NRW´s Partnerprovinz Osttransvaal hat den schönen afrikanischen Namen Mpumalanga (Land der aufgehenden Sonne) bekommen.

Frust. Die miserable Lebenssituation der schwarzen Bevölkerungsmehrheit hat sich 11 Jahre nach dem offiziellen Ende der Apartheid nicht geändert. Teile der Schwarzen sind frustriert. Genährt wird dieser Frust noch, wenn die von Weißen dominierte Richterschaft des Landes Urteile zugunsten von Industriekonzernen gegen die Interessen der Mehrheit der Schwarzen fällen (9).

Verwicklungen. Etwa 4000 ehemalige südafrikanische Apartheid-Killer arbeiten als Söldner im Auftrage verschiedener "Sicherheitsfirmen" im Irak (10). Mark Thatcher, in Kapstadt wohnender Sohn der ehemaligen britischen Premierministerin Margret Thatcher, war von Südafrika aus an einem Putschversuch britischer Ölmultis gegen Äquatorialguinea beteiligt. Er kam nach Verhandlungen mit Großbritannien mit einer Geldstrafe davon (11). Mehrere deutsche und schweizer Ingenieure, die als Helfershelfer des Rassistenregimes an dem militärischen Atomprogramm beteiligt waren, beteiligten sich in den letzten Jahren zusammen mit dem Islamisten und "Vater der pakistanischen Atombombe" Abdul Qadeer Khan an einem weltweiten Handel mit Nuklear-Technologie. Ihnen wird jetzt der Prozess gemacht (12). Wirklich sicher ist nichts. Wenn Südafrika Hochtemperatur-Reaktoren baut und exportiert, kommt ein weiteres Problem und Gefährdungspotential hinzu.

Energie. 94 Prozent der Energie wird aus Steinkohle gewonnen, nur 1,5 Prozent aus Sonne und Wind. Bis zum Jahre 2013 sollen nur fünf Prozent aus Alternativenergie erzeugt werden, obwohl es in Südafrika genug Sonne und Wind gibt. Die Regierung setzt für die Zukunft auch auf den Hochtemperatur-Reaktor und will damit die Industriestaaten kopieren (13). Vor der Küste Namibias nahe der Grenze zu Südafrika ist eines der größten Offshore-Gasfelder der Welt entdeckt worden. Ab 2009 soll das erste Kraftwerk mit diesem Rohstoff beliefert werden können und Strom für Südafrika produzieren (14).

Leben. Nach der Hölle der Apartheid will die jüngere Generation ihr Leben jetzt genießen. Sie hat ein Recht darauf. Die neuen Freiheiten haben einen beachtlichen Kreativitätsschub möglich gemacht. In den Bereichen Musik, Mode und Medien erobern sich die jungen Schwarzen ihre eigenen Bereiche und Ausdrucksmöglichkeiten zurück. Insbesondere Kwaito (15), ein neuer urbaner Musikstil aus Sprechgesang im Township-Slang, Elementen des HipHop, der Housemusik, R&B und jamaikanischer Dancehall eroberte den Musikmarkt und die Medien. Kwaito macht inzwischen der beliebten Gospelmusik, dieser hochreligiösen Dauervertröstung auf ein besseres Leben im Jenseits (16), ernsthafte Konkurrenz. Wie üblich, beleben etliche neureiche Jung-Stars die Klatschspalten der Zeitschriften, aber Etliche nutzen die Chance neuer Einflussmöglichkeiten und engagieren sich beispielsweise in kritischen Radiosendungen oder organisieren Literaturprogramme für Straßenkinder. Das Bild ist sehr bunt und vielfältig. Einige sind weitsichtig und kümmern sich trotz des allgegenwärtigen ökonomischen Überlebenskampfes um den Schutz ihrer Lebensgrundlagen. Und das ist gut so.

Horst Blume

Anmerkungen:

  1. JW 24. 5. 05
  2. ND 6. 1. 05
  3. FR 4. 2. 05
  4. ND 22. 2. 05
  5. JW 16. 11. 04
  6. FR 13. 3. 04
  7. ND 17. 9. 04
  8. FR 30. 11. 04
  9. JW 17. 1. 05
  10. ND 19. 10. 04
  11. JW 15. 1. 05
  12. THTR-RB 93, 95, 99
  13. ND 30, 6. 04
  14. ND 18. 8. 04
  15. www.rage.co.za
  16. TAZ 5. 3. 0

 

Dortmund: Die Renaissance der Atomkraft hat bereits begonnen!

Die Dortmunder Firma Uhde, eine Tochter des Thyssen-Krupp-Konzerns, will die nukleare Brennelementefabrik für den in Südafrika geplanten Hochtemperaturreaktor bauen. Die seit 1962 in Südafrika aktive Firma erhielt den Auftrag, das 20-Millionen- Dollar-Projekt auf dem Gelände eben jener Atomfabrik Pelindaba zu realisieren, an deren Grenze erst vor wenigen Wochen von Earth Life Africa und der Böll-Stiftung beunruhigend hohe Werte von radioaktiven Strahlen gemessen wurden. Nach der Fertigstellung im Jahre 2010 sollen dort 270.000 nukleare Kugelbrennelemente produziert werden.

Eben diese tennisballgroßen Brennelemente haben im 1989 stillgelegten Thorium Hochtemperaturreaktor (THTR) zu massiven Problemen geführt, weil sie teilweise in den Zu- und abführungsrohren stecken blieben oder von den einfahrenden Abschaltstäben im Reaktorkern zerstoßen wurden. Seit Anfang Mai 2005 wurde in verschiedenen Zeitschriften in Dortmund, im Fernsehen (wo wir ebenfalls zu Wort gekommen sind) und auch überregional über das Dortmunder HTR-Geschäft berichtet. Uhde versuchte, sich herauszureden. Angeblich seien es nur "Hilfs- und Nebenanlagen", ein paar "Dampf- und Druckluftsysteme", ein Kühlturm, sowie ein paar "Planungs-, Einkaufs-, Bau- und Montage- und Inbetriebnahmeleistungen", die die Dortmunder Firma in Südafrika erbringen würde.

 

Zahnrad im Uhrwerk der Atomindustrie

Uhdes Pressesprecher Andreas Beckers versuchte scheinheilig die Verantwortung für das Projekt auf Andere abzuwälzen: "Was daraus dann in Afrika entstehe, müssten die Leute da unten beantworten‘" (TAZ 21. 5. 05). Auf der Homepage wirbt diese famose Firma damit, dass erst durch ihre eigenen koordinierenden Aktivitäten die gesteckten Unternehmensziele erreicht werden können: "Alles muss genau ineinander greifen, die richtigen Daten und Bauteile zur rechten Zeit, am richtigen Ort. ‚Just in time.‘ Engineering bei Uhde ist mehr als nur die Erfüllung der Qualitätsnorm. Es ist ein ausgeklügeltes System, in dem alle Ingenieurabschnitte in ihrem Inhalt klar definiert, wie Zahnräder in einem Uhrwerk ineinander greifen." – Die Öffentlichkeit wird also ganz gezielt von Uhde für Dumm verkauft: "Wir bauen ja kein Atomkraftwerk" sagt Sprecher Beckers (TAZ 13. 5. 05).

Für die in Deutschland kläglich gescheiterte Atomkraftvariante werden grundsätzlich alle zwei Komponenten benötigt. Einerseits der Reaktor selbst und andererseits seine Brennstofffabrik. Nur beides zusammen ergibt einen Sinn; es sind zwei Seiten derselben Medaille. Da kann man sich nicht mit ein paar Hinweisen auf erstklassige Rohre "Made in Germany" herausreden. Oder damit, dass es selbstverständlich in Südafrika noch andere Vertragspartner geben muss, um das nukleare Projekt in diesem Land realisieren zu können.

Auch der THTR in Hamm-Uentrop war während seiner langen Bauzeit von 1971 bis 1983 nur ein "ungefährlicher" Anlagenkomplex mit vielen Rohrsystemen und einem Kühlturm, bis es dann zu der Beladung mit den radioaktiven Kugelbrennelementen gekommen ist. Von diesem Zeitpunkt an wurde es allerdings richtig gefährlich!

Der Auftrag

Für den nach deutschem Vorbild in Hamm-Uentrop geplanten Kugelhaufenreaktor ist also der Bau einer Brennelementefabrik zwingend notwendig. Nach der Stilllegung des THTR´s in Deutschland wurde die Anlage von der Hanauer Skandalfirma NUKEM (bzw. ihrer Tochter Hobeg) abgebaut und nach China verfrachtet, um die dortigen HTR´s mit Brennelementen zu versorgen. Die alte Hobeg-Anlage konnte also nicht mehr genommen werden. Damit in Südafrika der Pebble Bed Modular Reactor (PBMR) – so die Bezeichnung hier – in Betrieb gehen kann, soll jetzt eine solche Anlage auch im südafrikanischen Pelindaba gebaut werden.

Die Dortmunder Firma Uhde hat ihren Sitz in Dortmund. In dieser Stadt war bis zu der Fusion mit RWE der Firmensitz der Vereinigten Elektrizitätswerke (VEW) beheimatet, die den THTR in Hamm-Uentrop mitbetrieb. Gerade mal ein paar hundert Meter von dem ehemaligen VEW-Gebäude (Rheinlanddamm 24, Bundesstraße 1) liegt schräg gegenüber die Firma Uhde in der Friedrich-Uhde-Straße 15. (Und ist mit der anderen Seite der B 1 durch einen unterirdischen Aktentunnel verbunden.) – Wie kurz doch manche Wege sind! Die alten Verbindungen funktionieren immer noch bestens.

Die Firma Uhde ist bereits seit 1962 in Südafrika mit einer eigenen Niederlassung aktiv. Sie war also Mitprofiteur des Apartheidregimes. Wirtschaftlichkeitsstudien, Technologieauswahl und Anlagenbetrieb gehören zu dem geschäftlichen Tätigkeitsfeld dieser Firma. Mit dem Bau der nuklearen Anlage soll im Jahre 2007 begonnen werden. In Südafrika sind zur Zeit 120 Uhde-Mitarbeiter beschäftigt.

Uhde unterläuft bestehende Gerichtsentscheidungen in Südafrika!

Der Hochtemperaturreaktor ist in Südafrika äußerst umstritten. Die Umweltschutzbewegung Earthlife Africa hat vor dem obersten Gerichtshof geklagt, weil die Betreiber nicht alle relevanten Fakten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatten und kein ordnungsgemäßes Anhörungsverfahren stattgefunden hat. Earthlife hat im Januar 2005 Recht bekommen und das Verfahren muss neu aufgerollt werden. Eine Verzögerung von einem Jahr ist im Gespräch. Um diese südafrikanische Rechtslage kümmert sich Uhde allerdings nicht. Im Gegenteil: Diese Firma versucht zusammen mit der Atomindustrie vollendete Tatsachen zu schaffen und bestehende Rechtsnormen zu unterlaufen.

Auch das noch: Umweltpreis für Uhde

Auf ihrer Homepage brüstete sich Uhde noch am 2. Dezember 2004 damit, den Innovationspreis der Europäischen Umweltpresse (EEP Award) erhalten zu haben. Sich an dem Bau einer äußerst umstrittenen Reaktorlinie zu beteiligen und gleichzeitig einen Innovationspreis für Umweltschutz in Empfang zu nehmen, passt allerdings nicht zusammen.

Vergeben wird der Preis von 13 angeblich führenden europäischen Fachzeitschriften für Umweltschutz. Die Bundesdeutsche heißt "Umwelt Magazin". Nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen 1983 eingestellten Zeitung des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). Heute wird eine Zeitung dieses Namens vom Springer VDI Verlag herausgegeben. Das ist nicht Derjenige mit der Bildzeitung, sondern ein anderer Wissenschaftsverlag.

Pikantes Detail: Dieser Springer VDI Verlag gibt auch noch das Energie-Fachmagazin "BWK" heraus. Dort schrieb unter der Rubrik "TOP-Thema" im Juni 2005 ein gewisser Prof. Dr-Ing. Klaus Knizia, der ehemalige Vorsitzende des VEW-Vorstands. Und worüber? Natürlich über die Vorzüge der THTR-Atomtechnologie. So schließt sich der Kreis wieder.

Darüber hinaus widerspricht der Bau von nuklearen Anlagen durch deutsche Firmen im Ausland der "inneren Logik" des Ausstiegsbeschlusses der Deutschen Bundesregierung. Atomanlagen im eigenen Land werden hierbei als so gefährlich angesehen, dass sie stillgelegt werden sollen, während im Ausland weiterhin mit deutscher Hilfe solche Anlagen gebaut werden sollen.

Militärische Nutzung ist möglich!

In Südafrika ist der HTR explizit für den Export in Länder der dritten Welt vorgesehen. Er birgt ein hohes Risiko in sich, auch militärisch genutzt zu werden. Südafrika war bis vor 11 Jahren im Besitz von Atomwaffen und einige deutsche und schweizer Ingenieure haben sich dort seitdem mit dem Islamisten und "Vater der pakistanische Atombombe" Abdul Qudeer Khan an dem weltweiten Handel mit Nuklear-Technologie beteiligt und sind erst vor wenigen Monaten in Südafrika festgenommen worden (siehe auch THTR-Rundbrief Nr.93, 95 und 99 ).

Der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Reaktorsicherheitskommission, Lothar Hahn, hat als Wissenschaftler beim Öko-Institut das Proliferationsrisiko beim HTR detailliert nachgewiesen. In seinem 223 Seiten umfassenden Gutachten (im Auftrag von Greenpeace) "Beurteilung der in- und ausländischen Konzepte für kleine Hochtemperaturreaktoren" betonte er schon im Jahre 1990, dass sich eine Sicherheitsanalyse nicht nur auf den Betrieb des Reaktors selbst beschränken dürfe, sondern auch die Brennstoffversorgung und den radioaktiven Abfall berücksichtigen muss. Er weist (unter Punkt 5 – 8) insbesondere auf den Schwachpunkt eben jener Kugelbrennelemente hin, wie sie in der Uhde-Fabrik produziert werden sollen:

"Bei ihm (dem HTR) können die kugelförmigen Elemente ohne Unterbrechung des kontinuierlichen Betriebes entnommen werden; die Elemente mit einem Durchmesser von 6 cm und einem Gewicht von 200g sind sehr handlich. Zudem liegen sie im Reaktor in großer Zahl (mehrere hunderttausende) unmarkiert vor, so dass eine Entnahme leicht durch Zufügen von Blindelementen getarnt werden kann oder durch häufiges Auftreten von Kugelbruch gar nicht erst auffällt.

Auch der Umbau eines zivilen HTR für rein militärische Zwecke oder auch für gleichzeitige militärische und zivile Nutzung ist recht einfach und vor allem unauffällig. Ein anderes Messgerät in der Abbrandmessanlage, eine Änderung des Programms des dortigen Rechners und der Einbau einer weiteren Entnahmestrecke in der Kugelbeschickungsanlage wären die einzig erforderlichen Umbauten.(...)

Prinzipiell möglich wäre auch die Erzeugung von waffenfähigem Plutonium mit Hilfe des HTR. Dazu könnten ganz normale Brennelemente mit niedrig angereichertem Uran dienen, die nur früher als normale Brennelemente dem Brennstoffzyklus entnommen werden müßten, um waffenfähiges Plutonium zu erhalten."

Bereits in seinem Gutachten "Der kleine Hochtemperaturreaktor – letzter Strohhalm der Atomindustrie?" (dokumentiert auf unserer Homepage) hat Lothar Hahn im Jahre 1988 die oben genannte Möglichkeit konkret durchgerechnet:

"Ein abgebranntes Brennelement aus niedrig angereichertem Uran 235 enthält ca. 0,1 g Plutonium. Folglich könnte das Material für eine Atombombe theoretisch durch Aufarbeitung von 50.000 abgebrannten Brennelementekugeln gewonnen werden, d. h. bei einem Durchsatz von 1000 Kugeln pro Tag in weniger als zwei Monaten."

Eine Export-Genehmigung darf nicht erteilt werden!

Diese Fakten zeigen deutlich, dass die militärische Nutzung des HTR´s und der von Uhde zu bauenden nuklearen Brennelementefabrik mit sehr einfachen und unauffälligen Mitteln möglich wäre und der geplante weitere Export dieser Anlagen durch Südafrika eine ungehemmte Weiterverbreitung hochgefährlicher, militärisch nutzbarer Nukleartechnologie zur Folge haben würde. Die Bundesrepublik Deutschland kann nicht im Fall Iran auf die Schließung von militärisch nutzbaren Atomanlagen drängen, aber selbst von Dortmund aus den Bau solchen Anlagen betreiben.

In diesem Zusammenhang werden das Bundeswirtschaftsministerium in Absprache mit dem Außenministerium zu prüfen haben, ob bei dem geplanten Export der nuklearen Brennelementefabrik von Uhde gegen Außenhandelsbestimmungen verstoßen wird.

Entsprechende Anfragen hat im Juni 2005 der grüne Bundestagsabgeordnete Friedrich Ostendorff aus dem Nachbarkreis Unna an den Bundesminister Wolfgang Clement und Außenminister Joschka Fischer gestellt. Ostendorff war jahrelang im Widerstand gegen den THTR aktiv und hatte 1986 zusammen mit anderen Bauern mehrere Treckerblockaden vor den Toren des THTR durchgeführt, als der Störfall in dem Reaktor bekannt wurde. Neben den konkreten Fragen zur Außenhandelsgenehmigung für Uhde schrieb er an den "lieben Joschka": "Du hast damals als Umweltminister von Hessen gegen die Hanauer Nuklearfirma NUKEM gekämpft und ich habe als Grüner Bauer versucht den THTR in Hamm-Uentrop zu verhindern. Heute muss es darum gehen – soweit rechtlich möglich – auch die Exporte der Nukleartechnologien zu verhindern."

Das ist sehr richtig. Wir sind gespannt auf die Antworten.

Es dürfte klar sein: Ein wirklich innovatives Unternehmen würde nicht die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen in unverantwortlicher Weise durch den Bau von militärisch nutzbaren nuklearen Anlagen aufs Spiel setzen!

Und vor Allem: Die AKW-Gegner in dieser Region haben jetzt unfreiwillig vor ihrer Haustür einen Ansatzpunkt für praktisches Engagement!

Horst Blume

 

Kolonialismus in Namibia gestern und heute:

Uranraub für den THTR-Hamm!

Namibias Ausplünderung und Zerstörung für die Gewinne der Atomindustrie

"Wann marschiert die Bundeswehr in Namibia, Niger, Russland oder in Kasachstan ein, um dort die knappen Uranreserven für Deutschland zu sichern?" fragt die atomkritische Ärzte-Organisation IPNNW (1) nicht nur rhetorisch und auch Namibia wird nicht zufällig zuerst genannt. Dieses Land war von 1884 bis 1918 deutsche Kolonie und die Menschen dort wurden ab 1904 Opfer eines erschütternden Völkermordes, der durch deutsche Kolonialtruppen ausgeführt wurde.

Das Uran wird in Zukunft immer knapper. Preislich günstige Reserven reichen gerade noch 20 Jahre, sehr teure Fördermöglichkeiten noch höchstens 65 Jahre. Die EU hat einen jährlichen Bedarf von 20.000 Tonnen Uran (1). Bei einer Renaissance der Atomkraft würde sich der Uranbedarf stark erhöhen und das Problem noch verschärfen.

Die Rössing-Mine in Namibia

Im Jahre 1970 wurde mit den Vorbereitungen zum Uranabbau in Namibia begonnen. Die Rössing-Mine liegt etwa 65 Kilometer vom Küstenort Swakopmund entfernt am Rande der Wüste Namib und umfasst auf ca. 100 Quadratkilometer einen großen Tagebau, verschiedene Verarbeitungsanlagen und einen Damm, durch den die flüssigen Abfälle zu einem See aufgestaut werden. Der Tagebau allein ist fünf Kilometer lang. Verseuchtes Sickerwasser fließt in einen Fluss, der ins Meer führt.

Über 80 % des radioaktiven Materials verbleibt in den Abraumhalden. Der Wind verweht strahlende Partikel in alle Richtungen. Eines der gefährlichsten Zerfallprodukte des Urans ist das Edelgas Radon, das sich unsichtbar und geruchlos ausbreitet und ein deutlich erhöhtes Lungenkrebsrisiko zur Folge hat.

"Der Abbau bei Rössing ist, angesichts des niedrigen Urangehalts, mit enormen Gesteinsbewegungen verbunden, die sich Schätzungen zufolge auf 1,75 Millionen t wöchentlich (!) belaufen. Um diese Dimension etwas faßbarer zu machen: Auf Güterwaggons verladen, würde dies einen Zug von der Länge Hamburg – München füllen" (2). Durch den niedrigen Urangehalt ist es äußerst schwierig, die tatsächlich geförderte Uranmenge nachzuvollziehen. Auf diese Weise kann Uran unbemerkt von internationaler Kontrolle abgezweigt werden (3).

Uran für den THTR Hamm-Uentrop

30 % des in bundesdeutschen Atomreaktoren verwendeten Urans wurden in den 80er Jahren aus Namibia eingeführt (4). Im Jahre 2000 machte die EU-Einfuhr aus Namibia und Südafrika zusammen noch 11 % aus (5).

Der britische Konzern Rio Tinto Zinc (RTZ) ist der Hauptbetreiber Rössings. Größere Anteile besitzen aber auch der französische Konzern Total und die deutsche "Urangesellschaft", die zu 66 % den staatlichen Firmen Steag (Essen) und Veba (Bonn/Berlin) gehören! So verwundert es kaum, dass die deutsche Bundesregierung sich mit 6 Millionen DM an den Erschließungskosten von Rössing beteiligte.

Der Iran, der heute so sehr in Sachen Uranzentrifugen von sich Reden macht, besaß schon 1976 etwa 10 % der Rössing-Mine, weil sie sich hervorragend dazu eignete, tatsächliche geförderte Uranmengen zu verschleiern (6).

An dem Aufbau der Förderanlagen in Namibia war auch die deutsche Skandalfirma NUKEM aus Hanau beteiligt und verdiente kräftig an dem Verkauf von Anlagen und Ausrüstung (7). Umgekehrt war Rössing-Betreiber RTZ mit 18 % an NUKEM beteiligt (8). Die 100%ige NUKEM-Tochter HOBEG (Hochtemperatur-Reaktor-Brennelemente GmbH) stellte in Hanau die nuklearen Kugelbrennelemente für den THTR Hamm-Uentrop und den AVR Jülich her. Durch diese Geschäftsbeziehungen wurde also der Urannachschub für die deutsche HTR-Linie gesichert.

Bundesdeutsche Banken stellten dem Rössing-Betreiber RTZ von 1979 bis 1983 25 Millionen US Dollar zur Verfügung (9). "Der Spiegel" berichtete bereits 1976 über die Uransuche in Namibia: "Für ihre Suche erhalten die Prospektions-Unternehmen – neben der Urangesellschaft noch die Bonner ‚Uranerzbau‘ – achtzigprozentige Zuschüsse aus der Bundeskasse, eine Beihilfe, die beide Privatfirmen in die Nähe risikofreier Staatsunternehmungen rückt. Und selbst das Restrisiko deckt der Staat noch großzügig ab" (10).

Kolonialismus, Uranraub und Apartheid

Nach 1918 wurde die ehemalige Deutsche Kolonie Südwest-Afrika dem Völkerbund mit dem Auftrag unterstellt, den Weg zur Unabhängigkeit Namibias vorzubereiten. Stattdessen nutzte die Mandatsmacht Südafrika das Land rücksichtslos aus, übernahm die kolonialen deutschen Rassentrennungsgesetze (eine Vorform dessen, was später auf die Juden zukommen sollte) und etablierte in Namibia einen Apartheidsstaat. Dieser hatte die Funktion, ein Reservoir von rechtlosen und billigen Arbeitskräften und problemlos ausbeutbare Rohstoffe bereitzustellen.

Da Südafrika sein Mandat missbrauchte, erklärte am 21. Juni 1971 der internationale Gerichtshof und der Namibia-Rat der UN die bestehende Präsenz Südafrikas in Namibia für illegal. 1974 erließ der Namibia-Rat - von der UNO gebilligt – das Dekret Nr. 1; die Bestimmungen "zum Schutz der natürlichen Ressourcen Namibias". Darin wird die weitere Ausplünderung von Rohstoffen durch ausländische Konzerne untersagt. Doch genau seit dieser Zeit führte die BRD unter Verstoß gegen das Völkerrecht Uranerz aus Namibia ein. Und zwar unter der SPD-Regierung von Willy Brandt, die weitere 8 Millionen DM aus dem Topf des Bundesforschungsministeriums für Rössing beisteuerte (11).

Im Zuge der Ermittlungen wegen unerlaubtem Umgang mit Atombomben-Rohstoffen wurde neben NUKEM im März 1985 auch die THTR-Brennelementefabrik HOBEG durchsucht. Im September 1985 wurde ein Antrag der Grünen im Bundestag von allen anderen Parteien abgelehnt, sich an das Völkerrecht zu halten und die Ausplünderung von Namibias Rohstoffen zu stoppen. Nur zwei SPD-Abgeordnete enthielten sich.

"Da das Namibia-Uran überdurchschnittlich teuer ist, zeitweise sogar 50% über dem Weltmarktpreis, konnte der Betrieb von Rössing nur mit wirtschaftlichen Manipulationen zustande kommen. Zudem waren die Empfängerländer oft aus außerökonomischen, z. B. militärischenda Namibia keinen internationalen Kontrollen unterliegt" (12). Gründen bereit, weit höhere Preise als auf dem Weltmarkt zu zahlen,

Dem Uran-Kartell gelang es, auch die bundesdeutschen Abnehmer durch Langzeitverträge einzubinden und sie zu zwingen, mehr Uran zu kaufen, als sie damals brauchten. Kurz vor der Inbetriebnahme des THTR Hamm sah also die Situation in Hanau folgendermaßen aus: "Allein bei NUKEM liegen ca. 1300 t angereichertes Uran zu hohen Lagerkosten auf Halde" (13).

Während sich die Deutsche Atomindustrie mit staatlicher Millionenhilfe an den Bodenschätzen Namibias bereichern konnte, erhielt Südafrika als Nachfolger der deutschen Kolonialmacht im Gegenzug die Infrastruktur für seine Atombombenfabriken aus der BRD. Meist nach einem bewährten Trick wurden nicht komplette Anlagen, sondern Einzelteile nach und nach geliefert (14).

Das südafrikanische Rassistenregime hat durch die deutsche Atomtechnologie die entscheidenden Machtmittel für ihre Vormachtstellung als Regionalmacht in die Hand bekommen und war bereit, bis zum Ende der Apartheid im Jahre 1994 diese gegen die Befreiungsbewegungen in den Nachbarstaaten einzusetzen.

Neue Urangrube in Namibia geplant

Namibia steht mit 2.036 t an sechster Stelle der uranabbauenden Staaten (15). Die australische Minen-Holding-Gesellschaft "Paladin Resources Ltd" beabsichtigt, südlich der bestehenden Rössing-Mine beim Gebirgszug Langer Heinrich Uran abzubauen. "Das Areal liegt innerhalb des Naturschutzgebietes Naukluftpark. Die Rechte für den Abbau hatte sich bereits 2002 die australische Firma Paladin gesichert. Die Mine soll über zehn Jahre jährlich 1.000 t Uranoxyd fördern" (16).

"In der Bauphase werde die Mine 300 bis 350 Namibiern Arbeit verschaffen", hieß es zur positiven Motivierung der namibischen Regierungsbehörden. Geschätzte 325 Millionen Namibia-Dollar soll der Aufbau kosten. Im laufenden Betrieb finden jedoch nur etwa 100 Personen Arbeit, da das Uranerz nur mit modernster Technik abgebaut werde" (17)

Im März 2005 hatte die in Südafrika umstrittene Firma Softchem die endgültige Umweltverträglichkeitsprüfung vorgestellt. Anfang 2006 soll die neue Mine konkret Gestalt annehmen. Sehr stark in der öffentlichen Kritik ist der immense Wasserverbrauch der Mine, denn in der Region herrscht großer Wassermangel. "Die Leiterin der Wüstenforschungsstation wies bei einer Veranstaltung in Windhoek darauf hin, dass die Lagerstätten in einem Naturschutzgebiet lägen. Das Gebiet müsse folglich vom restlichen Naukluftpark abgetrennt werden oder den Status als Naturschutzgebiet verlieren" (18).

Diverse Nichtregierungsorganisationen wie EARTHLIFE AFRICA Namibia, die Menschenrechtsorganisation NSHR und andere haben die namibische Regierung aufgefordert, das Projekt an den strengen Umweltforderungen der Verfassung und der Rio-Erklärung der Vereinten Nationen 1992 zu messen. Ob dies tatsächlich geschieht, darf getrost bezweifelt werden. Denn wenige 100 Kilometer südlich der geplanten Uranmine ist im Zuge der Renaissance der Atomkraft im südafrikanischen Koeberg der Bau eines Hochtemperaturreaktors geplant, den LeserInnen dieser Zeitschrift als Pebble Bed Modular Reactor (PBMR) wohlbekannt. Für seine Kugelbrennelemente wird eines Tages dringend Uran benötigt....

Das Erbe des deutschen Kolonialismus

"Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber oder Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen. Das sind meine Worte an das Volk der Herero. Der große General des mächtigen Kaisers, von Trotha" (19). Opfer dieses gnadenlosen Vernichtungsbefehls wurden etwa einhunderttausend Menschen, die es gewagt hatten, sich gegen Landraub, brutale Übergriffe deutscher Siedler und Sklaverei zu wehren.

In der neueren deutschen Geschichtsforschung wird darüber diskutiert, inwiefern der bewusst betriebene Völkermord der deutschen Kolonialtruppen eine Vorform des Holocausts gewesen ist. Auch heute noch wird dieser Völkermord von Ewiggestrigen geleugnet und findet Eingang in die Leserbriefspalten von Tageszeitungen. Im Hammer "Westfälischer Anzeiger" wurde am 15. 1. 2004 unter der Überschrift "Legenden aus Namibia" so ein Leserbrief abgedruckt. Den Befehl zur Völkervernichtung hat es angeblich "nicht gegeben". Der unkommentierte Abdruck ist ein Skandal und zeugt auch bei den Zeitungsmachern von einer eklatanten Unkenntnis der Geschichte.

Die koloniale Vergangenheit hat mehreren Generationen von schwarzen Namibiern eine einigermaßen menschenwürdige Zukunft gründlich vermasselt. Ein namibisches Sprichwort bringt es auf den Punkt: "Als die Missionare kamen, hatten sie die Bibel und wir das Land. Als wir die Augen schlossen, um zu beten und sie wieder öffneten, hatten wir die Bibel und sie das Land" (20). Heute, 15 Jahre nach dem Sieg der

Befreiungsorganisation SWAPO, hat die Bevölkerung immer noch unter den Folgen der deutschen Kolonialpolitik zu leiden. "Bisher besitzen Namibias weiße, vorwiegend deutschstämmige Farmer nahezu alles fruchtbare Land. 30,5 Millionen Hektar sind im Besitz von 4000 ausschließlich weißen Farmern, schwarze Kleinbauern verfügen dagegen nur über 2,2 Millionen Hektar Farmland. Bis jetzt ist aber noch kein weißer Farmer enteignet worden" (21).

Im Zusammenhang mit dem 100. Jahrestag des Völkermordes stellte sich erneut die Frage nach einer deutschen Entschuldigung und einer angemessenen Entschädigung der Nachfahren der Opfer. Außenminister Fischer lehnte 2003 eine solche Entschuldigung ab, weil sie entschädigungsrelevant sein könnte (22).

Die Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul lehnte bei ihrem Besuch im August 2004 in Namibia anlässlich des 100. Jahrestages ebenfalls Reparationszahlungen ab. Sie entschuldigte sich ohne Entschädigungsrelevanz: "Die Juristen hatten eine Formulierung gefunden, aus der die Nachfahren des massakrierten Volkes keine Ansprüche ableiten können. So bat die SPD-Politikerin im Sinne des gemeinsamen 'Vater unser' um Vergebung unserer Schuld. Diese Geste klingt zwar sehr pathetisch. Doch da sie auf Gegenseitigkeit beruht, fragt man sich, worin die Schuld der Herero besteht" (23).

Seit 1884 wurden den Namibiern ihr Land und ihre Bodenschätzen geraubt. Schlimme Ausbeutungsverhältnisse kamen hinzu. Dies setzte sich 100 Jahre später nur unter etwas veränderten Rahmenbedingungen fort. Zusätzlich wird jetzt durch das Gewinnstreben der Atomwirtschaft das Leben von Millionen von Menschen gefährdet. Unser Energieverbrauch und unsere Form der Energieproduktion haben vielfältige Auswirkungen auf den Rest der Welt. Auch das sollte in Zukunft bei der Debatte über die Renaissance der Atomkraft berücksichtigt werden.

Horst Blume

Anmerkungen:

  1. Junge Welt vom 27. 4. 2005
  2. Blätter des Informationszentrum Dritte Welt, Nr. 135, August 1986
  3. Wolf Geisler am 15. 9. 1985 auf dem Hearing der Grünen in Bonn
  4. Antrag der Grünen im Bundestag vom 26. 9. 1985
  5. ESA Annual Report 2000
  6. Thomas Siepelmeyer in dem Artikel "Namibia – erpressbar..." in anti atom aktuell 75/76.1996
  7. Aus: "Unterdrückung, Hunger, Krieg." Materialien gegen den Weltwirtschaftsgipfel 1985 in Bonn, S. 56
  8. "Urangate. Verschiebe- und Bestechungsskandal in der Atomindustrie", 1988, S. 55
  9. siehe unter 4.
  10. Der Spiegel, Nr. 12/1976, Seite 68
  11. siehe "Urangate" unter 8., Seite 55
  12. siehe unter 2
  13. W. Lund: "Rössing und das illegale Geschäft mit dem Namibia-Uran", 1984, S. 105
  14. siehe W. Lund, S. 144
  15. anti atom aktuell Nr. 157, November 2004, S. 42
  16. afrika süd, Nr. 1, 2005, 34. Jg.
  17. Allgemeine Zeitung Namibia vom 25. 10. 2004, zitiert nach 14.
  18. siehe 15.
  19. TAZ vom 10. 1. 2004
  20. Junge Welt vom 17. 11. 2004
  21. Neues Deutschland vom 15. 11. 2004
  22. Neues Deutschland vom 10. 1. 2004
  23. Neues Deutschland vom 16. 8. 2004

 

Buchbesprechung:

Deutsches Kapital am Kap - Kollaboration mit dem Apartheidregime

Birgit Morgenrath/Gottfried Wellmer: "Deutsches Kapital am Kap. Kollaboration mit dem Apartheidregime" Edition Nautilus, 2003, 160 Seiten, 12,90 Euro

Robben Island, die ehemalige Gefängnisinsel des Apartheidstaates, ist heute Kapstadts größte Touristenattraktion. Da, wo jahrzehntelang Menschen in Gefängniszellen eingesperrt wurden, finden heute Comedy-Shows und Festessen für zahlende Prominente statt, die dann als Höhepunkt in den Gefängniswärterhäuschen übernachten. Diese Form des "Gedenkens" an die Zeit der Apartheid ist kaum besser als das Vergessen.

Als ich im Ruhrgebiet einige Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen auf ihrer Rundreise zu alternativen Energiestandorten begleitete, kam uns einmal ein Spaziergänger mit einem gleichgültig dahintrottenden Hund entgegen, was einem schwarzen Teilnehmer die Bemerkung entlockte, dass deutsche Hunde offensichtlich friedlicher als südafrikanische seien. Die Schatten der Vergangenheit sind immer noch da.

Das deutsche Kapital strich jahrzehntelang Maximalprofite aus der Ausbeutung und Unterdrückung der Schwarzen ein. Auch hier in Deutschland gab es eine breite Anti-Apartheidbewegung, die gegen die Verletzung der Menschenrechte protestierte. Doch nachdem vor zehn Jahren die Apartheid endgültig abgeschafft und in eine formale westliche Demokratie umgewandelt wurde, sind die Zustände in Südafrika kein Thema mehr, das großes Aufsehen erregt.

Mit dem Buch von Morgenrath und Wellmer wird diesem Mangel durch eine fundierte Darstellung und Analyse der deutsch-südafrikanischen Geschäftsbeziehungen abgeholfen und in erschütternden Berichten gezeigt, wie schlecht es der großen Mehrheit der Bevölkerung Südafrikas damals wie heute geht und auf welch ignorante Weise jetzt immer noch deutsche Konzerne ihre Hände in Unschuld waschen.

Dieses Buch erscheint auch im Kontext der Anklage vor einem US-amerikanischen Gericht, indem 91 südafrikanische Opfer 22 internationale Firmen schwerer Menschenrechtsverletzungen beschuldigen. Die Khulumani Support Group vertritt als Selbsthilfeorganisation 32.000 Apartheidopfer und argumentiert mit dem Rechtsprinzip der "sekundären Mitverantwortung", das durch die Nürnberger Prozesse in die internationale Rechtssprechung eingeführt wurde. Demnach tragen Helfershelfer eines Regimes indirekt eine Mitverantwortung für begangene Verbrechen. Verklagt werden folgende deutsche Firmen: Rheinmetall, Commerzbank, Deutsche Bank, Dresdner Bank, DaimlerChrysler und AEG. In Deutschland selbst können diese Firmen nicht belangt werden.

"Apartheid bedeutete: keine Gewerkschaften, niedrige Steuern, billige Arbeitskräfte, hohe Profite – und ein schönes Leben in einem wunderschönen Land mit überaus billigem Dienstpersonal." Fünfzig Jahre lang wurden "unproduktive" Eingeborene wie Alte, Kinder und Frauen in meist unfruchtbare Gebiete zwangsumgesiedelt, während kräftige junge Männer als Lohnsklaven in die Städte ziehen durften. Auf diese Weise wurden 70

Prozent der Bevölkerung in sogenannte Homelands eingepfercht, die nur 13 Prozent der Fläche Südafrikas ausmachten.

Um sich vor Wirtschaftssanktionen des Auslands zu schützen, zentralisierte das Regime die Wirtschaft in Staatskonzernen. Deutschland gab ab 1980 weltweit die meisten Darlehen an diese Institutionen der Apartheidregierung und versorgte damit die Lebensadern dieser ungerechten Gesellschaftsordnung mit den nötigen Finanzmitteln.

Einer der wichtigsten Staatskonzerne war das Energieversorgungsunternehmen ESKOM, über das einer seiner Manager vor der Wahrheits- und Versöhnungskommission 1997 aussagte: "Es ist wahr, dass ESKOM effektiv als Institution der Apartheid operierte und dabei hauptsächlich weißen Interessen gedient hat." ESKOM betrieb 14 Kohlekraftwerke und zwei Atomkraftwerksblöcke in Koeberg bei Kapstadt. "Die Deutsche, die Dresdner, die Commerz-, die Westdeutsche Landes- und die Bayrische Vereinsbank gaben 30 – 70 % ihrer Kredite an ESKOM." Der Riesenanteil des Stroms ging in den Kohle- und Goldbergbau und nicht etwa an die schwarze Bevölkerung.

Im Rahmen eines Kulturaustausches (!) kam es zu regen gegenseitigen Besuchen von Nuklear-Wissenschaftlern zwischen der BRD und Südafrika. Insbesondere Experten der Gesellschaft für Kernforschung in Karlsruhe und der teilstaatlichen Essener Steinkohle- Elektrizitäts AG (STEAG) fielen hierbei auf und am Ende der Entwicklung war Südafrika im Besitz mehrerer Atombomben!

Hermes-Bürgschaften für deutsche Exporte wurden in den vergangenen Jahrzehnten von jeder deutschen Regierung gerne gegeben und ein Großteil der Kredite ging wieder nach ESKOM. Auch der Außenminister der Großen Koalition in den 60er Jahren, Willy Brandt, reagierte auf Menschenrechtsverletzungen nach Angaben der beiden Buchautoren "mit taktvoller Zurückhaltung auf der politischen Ebene und eindeutiger Zustimmung auf wirtschaftlichem Gebiet." Das die guten alten Verbindungen der Atomindustrie und seiner Wissenschaftler heute immer noch hervorragend sind zeigt die Tatsache, dass mehr als 30 Jahre nach Brandt unter dem grünen Außenminister Fischer die nuklearen Kooperationen mit dem Nach-Apartheidstaat ihre Fortsetzung finden: Unter seiner Federführung wurde das deutsche Hochtemperaturreaktor-Know-How für den geplanten Pebble Bed Modular Reactor (PBMR) bei Kapstadt an eine ESKOM-Gesellschaft verscherbelt.

In mehreren gesonderten Kapiteln zeigen die beiden Autoren, wie die Firmen Siemens, die Düsseldorfer Waffenfabrik Rheinmetall und Mercedes trotz der 1977 verabschiedeten UNO-Resolution 418 für ein obligatorisches Rüstungsembargo den südafrikanischen Herrschaftsapparat an maßgeblicher Stelle mit militärischem Gerät ausgestattet haben . Im Fall von Mercedes beteiligten sich diese Konzerne sogar unmittelbar an der Repression: "Diese Mercedes-Manager trugen tagsüber schöne Anzüge mit Krawatte und nachts zogen sie Tarnanzüge an und schossen auf unbewaffnete Jugendliche, auf alte Leute, ja sogar auf kleine Kinder, und töten sie. Sie machten Razzien von Tür zu Tür."

In ihrer detaillierten Studie weisen die beiden Autoren Punkt für Punkt nach, dass die 400 deutschen Firmen mit ihren Filialen in Südafrika dem Regime nicht nur "behilflich", sondern Teil des Systems waren. Die Behauptung der Konzerne, in ihren Betrieben hätte es keine Diskriminierungen gegeben, werden als plumpe Lügen entlarvt.

In den Jahren 1983/84 wurden rund 40 Prozent des Gesamthaushaltes für die Aufrüstung der Sicherheitskräfte und des Repressionsapparates ausgegeben. Die Staatskassen leerten sich. In den 80er Jahren nahm "die Generation der jungen Löwen" den Kampf in den Fabriken auf und forderten mit unglaublicher Kraft und Furchtlosigkeit ihr Menschenrecht auf Gleichberechtigung und Würde. Die Schilderungen über den Krieg in den Fabriken gehören für mich zu den beeindruckendsten des Buches. Auffällig ist auch hier, dass noch 1990 und 1991, als die Befreiungsbewegungen wieder zugelassen wurden, bei der Firma Hoechst Repression und Entlassungen am schlimmsten waren, weil der Konzern vor dem endgültigen Ende der Apartheid noch schnell kostengünstig rationalisieren wollte.

Es folgte die Ernüchterung, als die neue demokratische Regierung die durch die Apartheid geschaffenen ungerechten Gesellschaftsstrukturen nicht korrigierte, sondern seit 1996 mit der neoliberalen Wirtschaftspolitik noch weiter verschärfte. Den internationalen Konzernen wurde wieder der rote Teppich ausgerollt. Deutschland entwickelte sich schnell zum Handelspartner Nummer eins für Südafrika. Allerdings hat kein einziges deutsches Unternehmen vor der Wahrheitskommission, in der die Vergangenheit aufgearbeitet werden sollte, ausgesagt. Zehntausende von Misshandelten und Gefolterten sowie die Angehörigen der Ermordeten hatten auf eine finanzielle Entschädigung gehofft. Denn für viele Menschen geht es angesichts der extremen sozialen Ungleichheit immer noch um das Überleben. Doch hierfür ist kein Geld mehr da; es wird für den Schuldendienst benötigt.

Die Selbsthilfeorganisation Khulumani fordert zusammen mit 4000 anderen Initiativen, dass sich die Banken und Konzerne zu dem von ihnen begangenen Unrecht bekennen und verlangt individuelle und kollektive Entschädigungen. Sie fordern den Erlass der verabscheuungswürdigen Schulden, denn es war das Apartheidregime, das die Staatsfinanzen ruiniert hatte. "Der Ruf nach internationalen Reparationen ist ein Ruf nach wirtschaftlicher Umverteilung, politischem Wandel und der Wiederherstellung von Gleichheit unter den Nationen."

Der Koordinierungskreis der Kampagne für Entschuldung und Entschädigung hat den Dialog mit den Apartheidfinanziers gesucht und demonstriert, Firmenhauptversammlungen besucht, Reden gehalten und Briefe geschrieben. Die Helfer der Apartheid wiegelten ab und verweigern sogar die Öffnung der Firmenarchive, die das ganze Ausmaß ihres verwerflichen Tuns offenbaren würde. Die Gegner der heutigen sozialen Apartheid werden weiterkämpfen und hoffen auf unsere Solidarität. Dieses anregend geschriebene und aufrüttelnde Buch zeigt sehr deutlich, dass die südafrikanische Vergangenheit auch unsere Geschichte ist.

Horst Blume

Unterstützen Sie Khulumani:

Kontakt: medico international Träger des Friedensnobelpreises 1997 www.medico.de

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Gandhi in Südafrika:

"Ich bringe die gute Nachricht, dass ich endlich verhaftet worden bin"

Als Gandhi seinen Freunden diese freudige Mitteilung (1) machte, lebte er bereits 20 Jahre lang in Südafrika. Die großen Streikbewegungen der Bergarbeiter gegen willkürlich überhöhte Steuerlasten für indische Einwanderer und ihre Diskriminierung befand sich auf dem Höhepunkt. Sie fanden auch in dem "Kohleland" Osttransvaal, dem heutigen Partner-Bundesland von Nordrhein-Westfalen, statt.

Die weißen Geschäftsleute hatten ursprünglich die Einwanderung der indischen Arbeiter begrüßt. Sie rechneten aber nicht mit der Geschäftstüchtigkeit einiger Inder und sahen in ihnen Konkurrenten. Tausende der Protestierenden waren in den Gefängnissen eingesperrt und baten um das höchste Strafmaß für ihren Ungehorsam.

1893 kam Gandhi als Rechtsanwalt nach Südafrika, um seinen bedrängten Landsleuten zu helfen. Schnell erkannte er, dass in erster Linie nicht die Händler und Reichen, sondern die armen Kontraktarbeiter Unterstützung benötigten. Die Inder waren durch Sondergesetze all ihrer Freiheiten beraubt worden. Die Apartheid bei der Benutzung der Verkehrsmittel gab es schon damals. Als Rechtsanwalt versuchte er, "die bessere Seite der menschlichen Natur zu aktivieren" (2) und lernte – auf Ausgleich bedacht – "die Schönheit des Kompromisses schätzen" (3).

Während des Burenkrieges (1899 – 1902) machte sich Gandhi als Hilfssanitäter und Krankenpfleger nützlich. Seine Begründung: "Ich hatte das Empfinden, wenn ich als britischer Bürger Rechte beanspruchte, sei es meine Pflicht, als solcher an der Verteidigung des Britischen Empire teilzunehmen" (4).

Bei dem "Zulu Aufstand" im Jahre 1906 beteiligte er sich als Feldwebel in einem indischen Ambulanzkorps auf Seiten des Empire. Ihm wurde bald bewusst, dass im Namen der Großmacht eine Menschenjagd auf Schwarze stattfand und diese durch Auspeitschungen brutal misshandelt wurden. Er war froh, dass er die verletzten Zulus pflegen konnte.

Wichtigster Unterstützer und Freund bei Gandhis Kampf für die Rechte der Inder in Südafrika war der jüdische Architekt und Zimmermann aus Ostpreußen. Er kam 1896 nach Südafrika und sollte hier die nächsten Jahrzehnte unzählige Theater, Kirchen, Synagogen, Kinos und sogar Eislaufbahnen entwerfen und bauen lassen. Doch zunächst beteiligte er sich intensiv an dem Freiheitskampf der Inder. Hermann Kallenbach

1904 gründete Gandhi 14 Meilen von Durban entfernt die Phoenix-Siedlung. Das war eine Art Selbstversorgerkommune, die in großer Einfachheit lebte. Hier wurde in einer selbstgebauten Druckerei wöchendlich seine Zeitung "Indian Opinion" gedruckt, in der er bis 1914 seine Artikel schrieb. Noch Jahrzehnte später wurde hier die Zeitung von Gandhis Sohn Manilal herausgegeben und Phoenix von Kallenbach betreut.

Während seiner südafrikanischen Zeit führte Gandhi eine ganze Reihe von Diätexperimenten, Fastenaktionen und traditionellen Heilbehandlungen bei Krankheiten durch. Intensive Diskussionen mit allen religiösen Richtungen waren bei ihm an der Tagesordnung. Kallenbach mit einem gewissen Hang zum "Luxus" musste sich umstellen. 1908 kaufte er sich ein Automobil und holte Gandhi damit von einem seiner Gefängnisaufenthalte ab. Dieser saß enttäuscht im Auto und sagte zunächst gar nichts. Danach stand es ein Jahr unbenutzt herum und wurde verkauft. "Alle unnützen Luxusgüter wurden von Gandhi auf den Müll geworfen" (5).

1910 gründete er 21 Meilen von Johannisburg entfernt die Tolstoi-Farm als Zufluchtsort für die Familien gewaltfreier Kämpfer. Auch diese Siedlung war ein Modell für die später in Indien aufgebauten Ashrams. Gandhi selbst lebte nur wenige Monate in den beiden Siedlungen. Seine Anwalttätigkeit und vor allem die Organisation der Satyagraha-Kampagne ließen ihm keine Zeit hierfür.

Satyagraha bedeutet gewaltfreier Widerstand mit ausdauernder "Festigkeit in der Wahrheit". Von den 150.000 Indern waren über zwei Drittel Kontraktarbeiter mit befristetem Arbeitsvertrag, meist für fünf Jahre. Sie wurden durch die 3-Pfund-Jahreskopfsteuer vom wirtschaftlichen Ruin bedroht.

Auf dem Höhepunkt der zehnjährigen Widerstandskampagne kam es 1913 zu einer Kette von Massenversammlungen und zum Generalstreik. Durch die Nichtbefolgung der gegen sie gerichteten Gesetze waren die Inder Geld- und Gefängnisstrafen sowie Deportationen ausgesetzt.

Am 6. 11. 1913 begann der sogenannte "Epische Marsch" von über 2.000 Menschen. Ziel war die Grenzüberschreitung von Natal nach Transvaal, wovon sie zunächst mit Schusswaffengewalt abgehalten werden sollten. In der Folgezeit weitete sich die Bewegung aus. Tausende von Streikenden und Demonstrierenden mußten während der langen Märsche mit Nahrungsmitteln und Zelten versorgt werden.

Die Hauptorganisatoren Gandhi und Kallenbach führten immer wieder Verhandlungen mit Gerichten und Polizeibehörden, die die Proteste verbieten wollten. Gandhi selbst wurde mehrfach für etliche Monate inhaftiert. Unter anderem auch in Heidelberg. Die burischen Siedler hatten einige Jahrzehnte zuvor ihren neugegründeten Städten die Namen alter mitteleuropäischer Ortsbezeichnungen gegeben.

Die Verhaftung von Gandhi war ein doppelter Ansporn für die gewaltfreien Kämpfer, ihr Engagement zu intensivieren. 1914 wurde die Jahreskopfsteuer endlich abgeschafft und die Einwanderungsbedingungen wurden erleichtert.

Der Erfolg von Satyagraha bedeutete das Ende von Gandhis Zeit in Südafrika. Er kehrte über England nach Indien zurück. Am 27. Juni 1914 versammelten sich in Kapstadt viele von seinen Freunden. Repräsentanten aller indischen Gemeinden brachten ihre Dankbarkeit zum Ausdruck und verabschiedeten ihn mit einer Prozession zu den Schiffanlegestellen Kapstadts.

Heute steht das Gedenken an Gandhi in Südafrika nach meinem Eindruck etwas zu sehr im Schatten von Übervater Nelson Mandela. Aber so langsam ändert sich das ein bisschen. Immerhin ist über das Leben Gandhis in Südafrika unlängst sogar ein Comic (6) erschienen. Eine durchaus zeitgemäße Präsentationsform für das junge Südafrika. 

Horst Blume

Anmerkungen:

  1. "Hermann Kallenbach. Mahatma Gandhis Freund in Südafrika" Eine Biographie von Isa Sarid und Christian Barolf. Selbstverlag, 1997, 135 Seiten, 7,80 Euro. Bezug: wezuco@t-online.de
  2. M. K. Gandhi: "Eine Autobiographie oder die Geschichte meiner Experimente mit der Wahrheit". 1977, Verlag Hinder + Deelmann. Seite 122
  3. Siehe 2. Seite 133
  4. Siehe 2. Seite 187
  5. Siehe 1. Seite 19
  6. www.tolstoyfarm.com und www.gandhiserve.de

Presseschau

Die kritischen Medienberichte in der BRD über die HTR-Linie und den THTR werden immer zahlreicher. Bei der folgenden Dokumentation sind die auf unserer Homepage Einsehbaren mit einem Sternchen* gekennzeichnet. Die Wiedergaben von unseren Presseerklärungen und Artikeln im Internet sind inzwischen nicht mehr zu überblicken.

www.anti-atom-aktuell.dewww.graswurzel.net
  • China steigt massiv ins HTR-Geschäft ein! Nukleare Premiere. anti atom aktuell Nr. 160, März 05,
  • Keine Genehmigung für Atomreaktor. afrika süd 1/05
  • Atomkraft: NRW steigt nicht aus. Bonner Umweltzeitung, Nr. 2, April 05
  • Keine Eile beim Rückbau, zum THTR. Westfälischer Anzeiger 1. 4. 05
  • Das atomare Dreieck. Zeit-Fragen, Zürich, 18. 4. 05*
  • Teurer Stillstand. THTR heute. Westfälischer Anzeiger 22. 4. 05*
  • Südafrika und China im Atom-Geschäft. Neues Deutschland 25. 4. 05
  • Tickende Bombe, zum THTR. Westfälischer Anzeiger 27. 4. 05
  • Uhde baut Atomfabrik in Südafrika. Westfälische Rundschau Dortm. 7. 5. 05*
  • Uhde baut Kühlturm und plant Rohrleitung. Ruhr Nachrichten Dortm. 12. 5. 05*
  • Schrottreaktor für Südafrika, zu Uhde, TAZ NRW 13. 5. 05*
  • Atomprotest am Kap, zu Uhde. TAZ NRW 21. 5. 05*
  • Deutsche Atomtechnik für Südafrika, zu Uhde. Junge Welt 23. 5. 05*
  • Brennelementefabrik für HTR in Südafrika, anti atom aktuell Nr. 162, Juni 05*
  • Der nukleare Rahmen der EU. anti atom aktuell Nr. 162, Juni 05*
  • Brennelementefabrik für Südafrika!. Gorleben Rundschau, Juni 05*
  • Reaktoren "Made in Germany" in China und Südafrika. Graswurzelrevolution Nr. 300, Juni 05*
  • Interview zur HTR-Linie und zum THTR mit Horst Blume. FugE news, Hamm, Juni 05
  • Dortmund: Die Renaissance der Atomkraft hat bereits begonnen! Juni 05
  • Atomexport nach Südafrika, zu Uhde. Neues Deutschland 4. 6. 05*

 

Mahnwache am THTR zum Tschernobyljahrestag war erfolgreich

Vor dem Haupttor des THTR in Hamm-Uentrop versammelten sich am 26. 4. 2005 ca. 25 Menschen mit Transparenten und Plakaten, um auf das Unglück in Tschernobyl im Jahre 1986 und den zeitgleichen Störfall im THTR aufmerksam zu machen.

Es wurden über 100 Luftballons mit Informationspostkarten aufgepumpt und in die Luft entlassen. Erfreulicherweise waren auch einige Bürger anwesend, die wir noch nicht kannten und die erstaunt und empört darüber waren, dass der THTR trotz Stillegung mit über 5,1 Millionen Euro auch heute noch viel Geld kostet. Horst Blume las den Versammelten das Grußwort von Udo Buchholz, dem geschäftsführenden Vorstand des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) vor, der den Anwesenden Mut für zukünftige Aktionen und Initiativen machte.

Auf der Vortragsveranstaltung am Abend beschäftigten sich die 15 Anwesenden intensiv mit der drohenden Renaissance der Atomkraft, insbesondere mit dem Export von HTR-Know how aus NRW nach Südafrika und China und der HTR-Förderung innerhalb der Europäischen Union. Große Enttäuschung über die völlig mißlungene "Ausstiegspolitik" von Rotgrün herrschte vor.

Erfreulich war das lokale und überregionale Presseecho, auch in Radio Lippewelle. Zu diesem Jahrestag gab es bundesweit nicht einmal ein halbes Dutzend Kundgebungen.

In Hamm, Münster, Bochum und Bonn hielt Horst Blume insgesamt fünf Vorträge über die HTR-Linie, um einen Grundstein für einen breiteren Widerstand gegen den Export von HTR-Know how aus der BRD zu legen.

 

Die Rückkehr der Anti-Atom-Sonne

Die Anti-AKW-Bewegung hat nach der NRW-Wahl den Angela-Alarm ausgelöst. In der Region Hamm kommt noch der besonders schrille Laurenz-Alarm hinzu.

Hektische Aktivitäten bei den ehemaligen Aktiven waren die Folge: Wo gibt's noch mal die Anti-Atom-Sonne als Aufkleber, wo sind die alten Transparente geblieben, wurde nicht das demonstrative Atommüllfass zur Regentonne umfunktioniert?

Wurde das alles nicht etwas zu vorschnell beiseite gelegt?? Der Ausstieg, der keiner war, hatte bei Vielen den kritischen Verstand vernebelt. Jetzt kommt das böse Erwachen.

Im Herbst werden wir mit einer Großdemonstration und Blockaden in Gorleben der neuen Regierung klar machen, was wir von Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke halten. Der nächste Höhepunkt der Aktivitäten wird der 20. Tschernobyl-Jahrestag sein.

Als wir eine Woche nach der NRW-Landtagswahl bei der Auftaktkundgebung gegen die Castortransporte nach Ahaus nur einhundert Demonstranten waren, gab es viele lange Gesichter. Drei Wochen später waren wir bei der Abschlussblockade bereits Dreitausend! So schnell geht das.

Mit der Kampagne "ausgestrahlt" werden jetzt verschiedenschwellige Einstiegsmöglichkeiten in den Atomwiderstand für Jedermensch angeboten und entwickelt.

Horst Blume

 

www.ausgestrahlt.de

Ein Gespenst geht um in Europa. Das Gespenst der Atomkraft-Renaissance.

In vielen Ländern wird über den Neubau von Atomkraftwerken oder über die Verlängerung der Laufzeiten von Uraltreaktoren diskutiert. Auch in Deutschland gibt es eine Debatte über Laufzeitverlängerungen, obwohl der rot-grüne "Atomkonsens" die Interessen der Stromkonzerne schon fast optimal begünstigt.

Es ist an der Zeit, dieser Debatte eine neue Wendung zu geben.

Uns geht es nicht um die falsche Alternative rot-grüner Status Quo versus schwarz-gelbe Renaissance. Wir wollen einen Atomausstieg, der diesen Namen wirklich verdient, denn AKWs, Uranfabriken und Atommüll-Lager sind keinen Deut sicherer geworden, nur weil der Umweltminister ein grünes Parteibuch hat. Noch immer droht jeden Tag die Katastrophe und noch immer gibt es die schleichende Vergiftung ganzer Regionen in den Uranabbaugebieten.

Deshalb starten wir mit Euch die Kampagne ".ausgestrahlt".

Auch unser Ziel ist eine Renaissance. Aber nicht die der Atomindustrie, sondern wir wollen das Comeback der Anti-Atom-Bewegung organisieren. Zu viele Jahre haben zu viele Menschen abgewartet und stillgehalten, manche aus Hoffnung, die Bundesregierung werde es schon richten, andere aus Resignation über unerfüllte rot-grüne Ausstiegs-Ankündigungen.

In Umfragen sind noch immer große Teile der Bevölkerung für einen schnelleren Atomausstieg.

Den wird es aber nur dann geben können, wenn viele Menschen nicht nur gegen Atomkraft sind, sondern auch etwas dagegen tun. Es geht also darum, gemeinsam möglichst wirksam politischen Druck zu machen, damit die Renaissance-Propaganda der Atomindustrie nicht verfängt, sondern ganz im Gegenteil endlich Schluss gemacht wird mit dieser gemeingefährlichen Energieerzeugung.

Die Möglichkeiten, aktiv zu werden, sind so vielfältig, wie die Menschen verschieden sind:

Die einen beteiligen sich an Demonstrationen, andere schreiben LeserInnenbriefe an ihre örtliche Zeitung. Die einen verteilen Infomaterial in ihrem Bekanntenkreis, die anderen wechseln endlich ihren Stromanbieter und beziehen grünen Strom. Die einen diskutieren mit den örtlichen Bundestagsabgeordneten über Atompolitik, die anderen beteiligen sich an Blockade-Aktionen. Die einen hängen in der ganzen Stadt Plakate gegen Atomkraft auf, die anderen gründen eine örtliche Anti-Atom-Initiative. Die einen machen antinukleares Straßentheater in der Fußgängerzone, die anderen kleben einen Aufkleber auf ihr Fahrrad oder Auto. Wichtig ist nur, dass jede und jeder anfängt etwas zu tun, je nach den eigenen Möglichkeiten.

Niemand sollte sich überfordern - aber es sollte sich auch keine/r unterfordern. Die Bedrohung durch die Gefahren der Atomenergienutzung ist weiterhin riesengroß und wächst mit jedem Tag, weil der Atommüll-Berg größer wird und die laufenden Reaktoren wieder etwas älter und maroder werden. Die Kampagne ".ausgestrahlt" führt Menschen zusammen, die aktiv werden wollen, organisiert den Austausch von Informationen und Handlungsangeboten und bündelt die unterschiedlichen Kräfte zu gemeinsamem politischem Druck.

Der erste Schritt: Eine Unterschrift

Teil dieses Aufrufs ist eine Erklärung, für die wir UnterzeichnerInnen suchen. Sie trägt den Titel ".ausgestrahlt" und ist damit Ausdruck unserer politischen Forderung sowie unserer eigenen Handlungsbereitschaft.

Der ganze Text lautet: "Ich bin davon überzeugt, dass der Betrieb von Atomanlagen ein schwerwiegendes Unrecht ist. Deshalb fordere ich ihre Stilllegung. Ich sehe mich in der Mitverantwortung dafür, den Ausstieg aus der Atomindustrie politisch durchzusetzen, und werde das mir Mögliche dazu beitragen."

Wer diese Erklärung unterzeichnet, gibt nicht nur den eigenen politischen Willen kund, wie bei einer gewöhnlichen Unterschriftensammlung, sondern erklärt gleichzeitig die eigene Verantwortung und Handlungsbereitschaft. Wer sich wie engagiert, das ist allen selbst überlassen. Jede/r nach den eigenen Fähigkeiten. Und: Wer die Erklärung unterschreibt, gehört zur Kampagne ".ausgestrahlt". Das ist kein Verein mit fester Mitgliedschaft, aber ein lockeres Bündnis und Netzwerk von AtomkraftgegnerInnen.

Infos: www.ausgestrahlt.de

 

In eigener Sache: Do you speak English?

Keine Angst, ich will nicht die Rechtsschutzaktie aus dem Jahre 1980 wieder zum Verkauf anbieten.

Aber durch die sich so langsam anbahnende Renaissance der Atomkraft kommen auf den Rundbrief und unsere Homepage eine ganze Reihe neuer Aufgaben zu. In Zukunft müssen Grundlageninformationen über Hochtemperaturreaktoren in mehreren Sprachen weltweit verfügbar sein, damit sich überall Menschen über die Gefahren dieser Reaktorlinie informieren können. Damit die Berichterstattung über die HTR-Linie nicht nur durch die Atomindustrie erfolgt. Wir suchen also nicht nur ÜbersetzerInnen für Englisch, sondern auch für Französisch, Spanisch und Niederländisch. Wenn jemand ein oder zwei Seiten Grundlageninformationen ehrenamtlich in diese Sprachen übersetzen könnte, wäre dies sehr hilfreich für uns.

Ansonsten sind wir darauf angewiesen, für diese Arbeiten ÜbersetzerInnen zu beauftragen und zu bezahlen. Dies wird sich wohl nicht ganz umgehen lassen. Deswegen bitten wir unsere LeserInnen um eine Spende speziell für die zukünftigen Übersetzungsarbeiten.

Wahlfieber

Der Kommentar zur Bundestagswahl kommt diesmal von Mark Twain:

"Es ist schon ein großer Trost bei Wahlen, dass von mehreren Kandidaten nur einer gewählt werden kann."

 


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