15. Feb. 2018 - THTR-Rückbau: Kosten und Gefahren als „etablierter Prozess“

Horst Blume

Der Erhaltungsbetrieb des eingeschlossenen Thorium-Hochtemperatur Reaktors (THTR) dauert von 1997 bis 2027.

Vor zehn Jahren, am 17. 10. 2008, bestätigte der Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie NRW die im Genehmigungsbescheid 7/12c gemachten Angaben, nachdem bis zum Ende des Jahres 2017 die Betreiber des THTR die atomrechtliche Aufsichtsbehörde zu informieren haben, wie lange der sichere Einschluss aufrecht erhalten und wann mit dem Abbau des Reaktors begonnen werden soll.

Was gibt es Neues?

Da bisher in der Öffentlichkeit nichts bekannt wurde, fragten wir als Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm beim Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW detailliert nach (1) und erhielten nach fast vier Monaten am 7. Februar 2018 eine Antwort:

„Nach aktuellem Planungsstand beabsichtigt die Hochtemperatur-Kernkraftwerk GmbH (HKG) als Betreiberin der Anlage den sicheren Einschluss bis 2027 aufrecht zu erhalten und ab 2028 mit der Vorbereitung der Anlage auf den vollständigen Abbau zu beginnen. (...) Anträge auf Änderung bestehender atomrechtlicher Genehmigungen oder zum Abbau des THTR 300 liegen dem MWIDE bisher nicht vor.“

Diese spärlichen Angaben sagen natürlich sehr wenig über die tatsächlichen Diskussionen und Überlegungen von Betreibern und Ministerien hinter den Kulissen aus. Schon vor zehn Jahren war das jetzt so wortkarge Ministerium auskunftsfreudiger und legte am 9. April 2008 einen relativ detaillierten Zeitplan für die anvisierten 21 Jahre Rückbauaktivitäten vor:

„2023 – 2028 Planung und Genehmigung 5,3 Jahre

2028 – 2030 Vorbereitung der Anlage für den Rückbau 2,0 Jahre

2030 – 2042 Rückbau nuklear 12,0 Jahre

2042 – 2044 Rückbau konventionell 2,0 Jahre“

Die Kosten

Zu den vor zehn Jahren prognostizierten Rückbaukosten über 347,1 Millionen Euro schreibt das Ministerium heute:

„Der berichtete Preisstand bezog sich auf das Jahr 2007. Der Preisstand wird jährlich im Businessplan der HKG fortgeschrieben. (...) Nach derzeitigen Planungen (Stand November 2017) werden die Kosten für den Rückbau auf rd. 430 Millionen Euro geschätzt.“

Angesichts der bisherigen Rückbaukosten für den zwanzigmal kleineren THTR in Jülich über eine Milliarde Euro sind diese Prognosen für den THTR Hamm allenfalls als schlechter Witz zu bezeichnen. Aber vielleicht sind die intern doch viel höher veranschlagten realistischen Kostenprognosen ein Grund mehr, beim THTR-Rückbau nicht auf Tempo zu drücken und Termine wie denjenigen vom 31. 12. 2017 verstreichen zu lassen. Denn es ist allzuoffensichtlich, dass der Rückbau sehr teuer wird und das Geld knapp ist.

Rückstellungen

Auf unsere Anfrage zu den Rückstellungen antwortet das Ministerium:

„Insgesamt sind von der HKG zum Bilanzstichtag 31. 12. 2016 Rückstellungen in Höhe von rd. 900 Millionen Euro für die Entsorgung im Kernenergiebereich gebildet worden. Dazu gehören sowohl Rückstellungen für die Kraftwerksstilllegung als auch solche für die Entsorgung bestrahlter Betriebselemente. Die Höhe der Rückstellungen bemisst sich zwar nach den zu erwartenden Kosten, ggf. zu gering bemessene Rückstellungen haben jedoch keinen Einfluss auf die tatsächlich bestehenden Zahlungsverpflichtungen.

Die 900 Millionen Euro HKG Rückstellungen werden wohl kaum auch noch für die „Entsorgung bestrahlter Betriebselemente“ ausreichen, da sie als kontinuierlich zu zahlende Ewigkeitskosten anzusehen sind. Wenn die HKG kein Geld mehr hat, wird der Steuerzahler einspringen müssen. Alles andere ist Augenwischerei.

Zu den bisherigen finanziellen Zusagen für den Stilllegungsbetrieb schreibt das Ministerium:

„Bisher sind alle finanziellen Zusagen eingehalten worden.“ Und es betont, „dass die anfallenden Kosten aus den bis 2009 vom Bund und NRW zur Verfügung gestellten und unverbrauchten Mitteln geleistet werden. Sollten diese Mittel nicht ausreichen, haben sich der Bund und NRW dazu verpflichtet, die darüber hinausgehenden Kosten jeweils hälftig zu tragen. Bis Ende 2022 werden Kosten in Höhe von rd. 28,5 Millionen Euro für den Betrieb des sicheren Einschlusses erwartet. Eine weitere Ergänzungsvereinbarung auf Basis des Rahmenvertrages für die Zeit nach 2022 wurde bisher noch nicht getroffen.“

Mit anderen Worten: Bisher hat der Steuerzahler die Stilllegungskosten maßgeblich bezahlt und das wird wohl auch in Zukunft so bleiben. Wie es nach 2022 konkret weiterläuft, ist unklar.

Gefahren

Und wie schätzt das Ministerium das Gefährdungspotential eines Rückbaus angesichts des radioaktiven Inventars (unter anderem 1,6 kg Kernbrennstoff) und vergangener Störfälle ein?

„Stilllegung und Abbau von Kernkraftwerken sind in Deutschland sowohl technisch als auch organisatorisch ein etablierter Prozess, bei dem die einzelnen Abbauschritte entsprechend einer vorhergehenden detaillierten Planung unter Berücksichtigung des jeweiligen Gefährdungspotentials durchgeführt werden. Speziell beim Abbau des im Reaktor befindlichen Graphits, in dessen Bereich sich noch Reste von Kernbrennstoffen aus der Stilllegungsphase befinden, ist davon auszugehen, dass vorrangig fernbediente Abbau- und sich direkt anschließende Verpackungstechniken zum Einsatz kommen. Der Betriebshistorie, d.h. den Ereignissen während des Betriebs, wird Rechnung getragen, in dem sie in einer radiologischen Beschreibung vor dem Abbau einzelner Anlagenteile zur Festlegung der Entsorgungswege und des Personenstrahlungsschutzes berücksichtigt wird.“

Die „Betriebshistorie“ bzw. die „Ereignisse während des Betriebs“, um im beschönigenden Jargon des Ministeriums zu bleiben, zeigen allerdings, dass man sich gerade bei dem Pleitereaktor THTR darauf gefasst machen muss, dass nichts so läuft, wie geplant. Der radioaktive Graphitstaub ist durch Undichtigkeiten und Rohrsysteme bis in den letzten Winkel des Reaktors geblasen worden. Nach dieser Vorgeschichte bleibt dem Ministerium und der beauftragten Abbruchfirma nur übrig, sich auf eine messtechnisch nicht quantifizierbare radiologische Beschreibung vor dem Abbau einzelner Anlagenteile“ zu verlassen. Die von uns geforderte Erstellung eines detaillierten Nuklidatlasses für alle Anlagenteile ist nach der Stilllegung des THTR von allen Beteiligten abgelehnt worden. Das rächt sich beim zukünftigen Abbau.

Die Abbruchfirma wird genauso planlos im graphitverseuchten Reaktor herumstochern, wie bei den Betriebsversuchen in den 80er Jahren die Betreiber im unberechenbaren Kugelhaufen. Die Überraschungen beim THTR werden bleiben. Sie werden sich über Jahrzehnte hinziehen. Seit langem ein „etablierter Prozess“.

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(1) THTR-Rundbrief Nr. 149 Dez. 2017: THTR-Rückbau: Hat die NRW-Regierung einen Plan?

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