Newsletter XVII 2025

20. bis 26. April

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Aktuelles+ Hintergrundwissen

Radioaktivität kumuliert; das bedeutet, radioaktive Partikel reichern sich im lebenden Organismus immer weiter an und mit der Zeit können ähnliche Schäden auftreten, wie bei einer kurzzeitig einwirkenden, massiven Strahlenbelastung ...

Die PDF-Datei "Nuclear Power Accidents" enthält eine Reihe weiterer Vorfälle aus verschiedenen Bereichen der Atomindustrie. Einige der Ereignisse wurden nie über offizielle Kanäle veröffentlicht, so dass diese Informationen der Öffentlichkeit nur auf Umwegen zugänglich gemacht werden konnten. Die Liste der Zwischenfälle in der PDF-Datei ist daher nicht zu 100% identisch mit "INES und die Störungen in kerntechnischen Anlagen", sondern stellt eine Ergänzung dar.

 

1. April 1960 (Gerboise blanche, Frankreichs 2. Atombombentest) Reggane, DZA

3. April 1960 (INES 4) Akw WTR-2, Waltz Mill, Madison, PA, USA

6. April 1993 (INES 4 NAMS 4,8) Atomfabrik Tomsk 7 Sewersk, RUS

7. April 1989 (Broken Arrow) U-Boot-Unglücke, K-278 Komsomolez sank südwestlich der Bäreninsel

10. April 2003 (INES 3 NAMS 3,9) Akw Paks, HUN

10. April bis 15. Mai 1967 (INES Klass.?) Atomfabrik Majak, UdSSR

10. April 1963 (Atom-U-Boot) U-Boot-Unglücke, SSN-593 Thresher sank 350 km vor Cape Cod, USA

11. April 1970 (Broken Arrow) U-Boot-Unglücke, K-8 sank im Golf von Biskaya

19. April 2005 (INES 3) Atomfabrik Windscale/Sellafield, GBR

21. April 1957 (INES 4) Atomfabrik Majak, UdSSR

25. April 1961 (Gerboise verte, Frankreichs 4. AtombombentestReggane, DZA

25. April 1954 (6 Wasserstoffbomben) Bikini Atoll, MHL

26. April 1986 (INES 7 NAMS 8) Akw Tschernobyl, UdSSR

28. April 2011 (INES Klass.?) Akw Ascó, ESP

 

Wir sind immer auf der Suche nach aktuellen Informationen. Wer helfen kann, sende bitte eine Nachricht an:
nukleare-welt@reaktorpleite.de

 


26. April


 

PhilippinenVerbundenheitMitspracherecht

Aktivistin über Umweltverbundenheit

„Wir haben eine gemeinsame Verantwortung“

Joan Carling setzt sich seit Jahrzehnten für die Rechte indigener Menschen in Südostasien ein. Sie fordert eine Abkehr vom Kapitalismus.

taz: Frau Carling, müssten wir im Westen wieder indigener werden?

Joan Carling: Es würde helfen. Rechtspopulismus, Ungleichheit, Überkonsum, Klimakrise – im Zentrum all dieser Probleme sehe ich ein fehlendes Verständnis für unsere Lebensgrundlagen als Menschen.

taz: Was meinen Sie damit?

Carling: Ich bin gerade in Däne­mark. Wenn ich ein kleines Kind hier frage: „Woher kommt dein Essen?“, dann sagt es …

taz: … aus dem Supermarkt.

Carling: Genau. Das ist das Problem. Dieses Abgetrenntsein von der eigenen Umwelt, von dem Land und den Menschen um einen herum.

taz: Was bedeutet Indigensein für Sie?

Carling: Eine indigene Person lebt in Verbundenheit. Verbundenheit mit der eigenen Kultur, dem eigenen Land, den Mitmenschen. Und diese Verbundenheit führt zu einer gegenseitigen Beziehung, einem respektvollen Geben und Nehmen. Wir nehmen von der Natur und gleichzeitig pflegen und schützen wir sie. Ich selbst bin vom Volk der Kankanaey im Norden der Philippinen. Wir haben zum Beispiel eine besondere Verbindung zur Süßkartoffel. Sie ist für uns ein Lebensmittel, dessen Frucht wir essen, dessen Blätter wir an die Schweine verfüttern, aus dem meine Großmutter Mehl machte. Als Kind habe ich Lieder gesungen, die die Lebenskraft, die uns die Süßkartoffel gibt, feiern und ihr danken.

taz: Es geht also um ein besseres Verständnis dafür, wie wir in unsere Umwelt eingebettet sind?

Carling: Ja, und gleichzeitig geht es um viel mehr. Ein Grundpfeiler indigenen Denkens ist, dass wir nicht alleine existieren. Wir existieren als Teil einer Gemeinschaft, als Teil eines Clans. Unsere Tänze, unsere Musik, unser Ressourcenmanagement: Sie funktionieren nur im Kollektiv ...

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Energiewende | Windrad

Pionier der Energiewende

David gegen Goliath

Dietrich Koch wurde belächelt, als er in der Nähe des Kohlekraftwerks Ibbenbüren einen Windgenerator aufstellte.

Ibbenbüren taz | Was sollte dieser Propeller in der Landschaft? Mit einem Windrad Strom zu erzeugen, das konnte doch nur einem Spinner einfallen. Wo Ibbenbüren doch auf zig Millionen Tonnen Kohle saß. Die man nur im Kraftwerk auf dem Schafberg verfeuern musste, um die Hochspannungsdrähte glühen zu lassen. Mit 800 ­Megawatt aus dem Block B, die sich jederzeit abrufen ließen, vierzigtausendmal so viel wie die kleine Windmühle maximal bringen konnte.

Der neue Block B war der ganze Stolz für die Mannschaft vom Kraftwerk. Für die Kumpel aus der Zeche. Für die 50.000-Einwohner-Stadt Ibbenbüren in Nordrhein-Westfalen. Den Bau dieses Meilers hatte die Region gegen alle Widerstände erkämpft, um Deutschlands nördlichster Steinkohlezeche eine Zukunft zu geben. Sogar den Energieriesen RWE – bis 1990 Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk – hatte man erst weichklopfen müssen.

Im September 1982, die neue Anlage mit dem 120 Meter hohen Kesselhaus und dem 275 Meter hohen Schlot war noch im Bau, da bekam der Goliath RWE auf einmal den ausgestreckten Mittelfinger zu sehen. Im benachbarten Mettingen drehte sich fröhlich ein Dreiflügler auf einem 25 Meter hohen Stahlmast. Und produzierte Strom, den der Energieriese dem wackeren David nur ungern abnehmen wollte. Es war das erste Mal in Deutschland, dass ein privater Betreiber Windstrom ins öffentliche Netz einspeisen durfte.

Der Mann hieß Dietrich Koch, er unterrichtete als Realschullehrer Biologie und war überzeugt, dass Alternativen zur Kohle- und Atomenergie möglich sind. Für 67.000 Mark hatte sich der damals 44-Jährige den Windgenerator des niederländischen Herstellers Lagerwey gekauft und auf dem Hügel neben seinem Wohnhaus in Betrieb genommen. Der Rotor mit nur fünf Meter Durchmesser brachte es auf 20 Kilowatt Maximalleistung. Das reichte zwar, um fünf Haushalte mit Strom zu versorgen, rang den RWE-Leuten vom benachbarten Schafberg aber allenfalls ein mitleidiges Lächeln ab.

[...] Das Kraftwerk auf dem Schafberg, das sogar aus 50 Kilometer Entfernung als Landmarke am Horizont zu sehen war, ist inzwischen Geschichte. Anfang April ließ eine Sprengladung das Kesselhaus einstürzen. Der 125 Meter hohe Kühlturm fiel zusammen, nachdem ihn die Abbrucharbeiter mit einem Stahlseil zusammengedrückt hatten. Im Oktober soll auch der 275 Meter hohe Schlot fallen. Auf dem Kraftwerksgelände will der Netzbetreiber Amprion eine Konverterstation für den Offshore-Windstrom von der Nordsee errichten. Über eine 380 Kilometer lange Leitung soll die Energie als Gleichstrom in ­Ibbenbüren ankommen und als Wechselstrom weiterfließen. Der nordrhein-westfälische Umweltminister Oliver Krische (Grüne) spricht von einer „grünen Steckdose für NRW“, die zwei Millionen Menschen versorgen soll. Deutlich mehr als der mächtige Block B des Kraftwerks liefern konnte. Ohne CO₂, ohne Schwefel, ohne Stickoxide.

Dietrich Koch hat die Sprengung nicht mehr erlebt. Nach langer Krankheit ist er im Oktober 2024 gestorben. Aber seine Freunde sind sicher: Er hatte großen Anteil daran, dass es so weit gekommen ist.

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Erneuerbare | FossileStrompreise

Quaschnings Videokolumne

Quaschning erklärt: Macht euch unabhängig

Bei Erdöl und Erdgas sind wir von Importen abhängig, das macht uns erpressbar und krisenanfällig. Wir müssen Photovoltaik und Windkraft schneller ausbauen, um uns mit eigener Energie unabhängig zu machen.

Erinnert ihr euch noch, als das Erdgas aus Russland gekappt wurde? Als die Gas- und Strompreise explodierten? Als in Deutschland alle Sorge hatten, dass die Energieversorgung zusammenbrechen würde?

Sind wir jetzt besser aufgestellt? Wohl kaum. Bei Erdöl und Erdgas sind wir nach wie vor fast ausschließlich von Importen abhängig.

Zwei Ölkrisen mit dramatischen Folgen für die deutsche Wirtschaft haben wir davor auch schon durchlebt. Was haben wir damals daraus gelernt? Nichts – sonst wären wir nicht blind in die nächste Energiekrise gestolpert.

Und wieder werden wir nicht schlau. 2023 haben wir in Deutschland so viele Öl- und Gasheizungen gebaut wie schon lange nicht mehr.

Statt Pipeline-Gas aus Russland importieren wir nun Flüssigerdgas aus den USA, von Donald Trump. Eine super Idee. Ganz sicher. Nein.

Wenn wir unsere Energieversorgung wirklich sicher machen wollen, dann müssen wir uns unabhängig machen – unabhängig von den Krisenenergien Erdöl und Erdgas ...

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CO2 | NordseeCCS

Das Meer als CO₂-Deponie? Koalition will Speicherung vorantreiben

Die künftige Bundesregierung will die unterirdische Speicherung von CO₂ vorantreiben. Dabei stößt sie jedoch auf einige Schwierigkeiten.

Ab in die Erde damit – Deutschland soll unterirdische Deponien für das Treibhausgas CO₂ bekommen. Der bisherige grüne Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck hat dieses Thema vorangetrieben und auch die sich abzeichnende Koalition verfolgt das Thema intensiv. Im Entwurf für den Koalitionsvertrag heißt es: „Wir werden umgehend ein Gesetzespaket beschließen, welches die Abscheidung, den Transport, die Nutzung und die Speicherung von Kohlendioxid insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors und für Gaskraftwerke ermöglicht“.

Die Potenziale und Risiken der bisher favorisierten CO₂-Verpressung unter der deutschen Nordsee hat ein Forschungsverbund untersucht und er mahnt jetzt in einem Zwischenbericht: Aufgrund der begrenzten Kapazitäten und möglicher Umweltrisiken solle dort, in einer Tiefe von 2000 bis 3000 Metern, nur jene CO₂-Restmenge deponiert werden, „deren Entstehung sich trotz konsequenter Klimapolitik nicht vermeiden lässt“. Für die von der Koalition geplanten Erdgas-Kraftwerke könnte es damit eng werden.

[...] Umgang mit Deutschlands CO₂-Ausstoß: Norwegen ist Vorreiter bei der Technologie

Daher wird auch über einen CO₂-Export in andere Nordsee-Anrainer wie Norwegen, Dänemark und die Niederlande diskutiert. „Möglicherweise wird Deutschland in Norwegen deponieren müssen, da die Norweger am weitesten sind und über die größten Speicherpotentiale verfügen“, sagte Wallmann der FR. Die Kosten dabei seien allerdings hoch. Das Gas in flüssigem Zustand per Pipeline dorthin zu transportieren, würde wegen des hohen Aufwands sehr teuer werden, sagt er.

Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Store hatte im vorigen Jahr angeboten, sein Land könne den gesamten europäischen CO₂-Ausstoß über Jahrzehnte speichern, indem leere Erdgas- und Erdöllager dafür umgerüstet würden. Tatsächlich ist das skandinavische Land ein Vorreiter bei der Technologie. So betreiben dort die Energiekonzerne Equinor, Shell und Total Energies das gemeinsame Projekt „Northern Lights“, in dem das Treibhausgas in einer Tiefe von etwa 2600 Metern unter dem Meeresboden gespeichert wird.

Genehmigt ist mittlerweile ein jährliches Speichervolumen von insgesamt fünf Millionen Tonnen CO₂. Zu den Kunden, die ihr Gas dort unterbringen oder unterbringen wollen, gehören der internationale Düngemittelkonzern Yara, das Energieunternehmen Stockholm Exergi und auch der dänische Energiekonzern Orsted.

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Tschernobyl | VersicherungSchadenssumme

atomstopp lädt zum aktiven Tschernobyl-Gedenken: Bürger_innen fordern von EU Kostenwahrheit für AKWs

Auch 39 Jahre nach dem Super-GAU in Tschernobyl gibt es keine angemessene Haftungspflicht für AKWs. Bei einem Atomunfall in der EU tragen die Kosten damit wir alle.

"atomstopp_atomkraftfrei leben! appelliert gemeinsam mit NGOs aus mehreren EU-Ländern an die EU-Abgeordneten, dafür zu sorgen, dass für AKW-Betreiber dasselbe gilt wie für jeden Autofahrer: Die gesetzliche Verpflichtung zu einer Haftpflicht-Versicherung, die so ausgelegt ist, dass Opfer auch bei schweren Unfällen entschädigt werden können. Wir nehmen den Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe zum Anlass, den Österreicher_innen auf einfachem Weg zu ermöglichen, unseren EU-Abgeordneten diese Aufforderung zukommen zu lassen. Dafür ist nur ein Klick auf diese Seite nötig und schon kann man in wenigen Augenblicken den dringend nötigen Appell per E-Mail abschicken. Eine große Zahl von appellierenden Bürger_innen kann ein starkes Gegengewicht zur überaus umtriebigen Atomlobby bilden", lädt Herbert Stoiber, Geschäftsführer von atomstopp_atomkraftfrei leben! zu einer breiten Unterstützung ein.

"Wie krass die Unterversicherung ist, kann exemplarisch an der Atomlobby-Nation Nummer 1 verdeutlicht werden. Wenn einer der 57 in Frankreich betriebenen Reaktoren infolge eines Super-GAUs breite Gebiete verstrahlt, rechnet selbst das staatliche französische Institut für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (IRSN) mit Kosten von 430 Milliarden Euro. Die aktuell versicherte Schadenssumme beträgt aber mickrige 1,2 Milliarden, die restlichen Kosten haben bei einem Unfall die Steuerzahler_innen zu tragen, im Falle der EU über den europäischen Finanzausgleich letztlich die Menschen aller EU-Länder ...

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Vereinten Nationen | AtomwaffenverbotsvertragAtomstaatenIStGHFriedensstifter

Die UNO – zahnloser Tiger oder unverzichtbarer Friedensstifter?

Die UNO wurde nach dem 2. Weltkrieg gegründet, um den Frieden zu sichern. Doch strukturelle Probleme behindern oft ihre Handlungsfähigkeit.

Die gedankliche Einbettung der Vereinten Nationen

Die theoretische Grundlage für die Vereinten Nationen wurde u. a. von Immanuel Kant angelegt. In seinem Aufsatz "Zum ewigen Frieden" (1795) legte er die Grundlage für zwei wichtige Theorien internationaler Beziehungen an: Er verwendete dort prägend den Begriff eines "Völkerbundes", der aufgrund der Zusammenarbeit "der Völker als Staaten" nicht nur einen Krieg, sondern alle Kriege auf Dauer beenden würde.

Hiermit legte er den Grundstein für die Institutionalismustheorie der Internationalen Beziehungen, die durch die Hoffnung auf den Erfolg kooperativer Prozesse innerhalb von internationalen Institutionen gekennzeichnet ist.

Eine weitere grundlegende Theorie Internationaler Beziehungen wurde ebenfalls durch Immanuel Kant geprägt: Die Idealismustheorie. Kant war der Auffassung, dass eine republikanische Ordnung, bei der Menschen über Krieg und Frieden mitbestimmen könnten, friedfertiger sein würde. Da die Menschen alle Lasten des Kriegs letztendlich selbst tragen müssten, würden sie sich eher gegen den Eintritt in einen Krieg aussprechen.

Fürsten im absolutistischen Staat würden zur Kriegsführung neigen, die sie aus der Ferne beobachten könnten, während das einfache Volk dem Krieg geopfert würde – so Kant (1795):

Da hingegen in einer Verfassung, wo der Unterthan nicht Staatsbürger, die also nicht republikanisch ist, es die unbedenklichste Sache von der Welt ist, weil das Oberhaupt nicht Staatsgenosse, sondern Staatseigenthümer ist, an seinen Tafeln, Jagden, Lustschlössern, Hoffesten u. d. gl. durch den Krieg nicht das Mindeste einbüßt, diesen also wie eine Art von Lustparthie aus unbedeutenden Ursachen beschließen, und der Anständigkeit wegen dem dazu allezeit fertigen diplomatischen Corps die Rechtfertigung desselben gleichgültig überlassen kann.

Diese Einschätzung wurde später von zahlreichen Politikwissenschaftlern aufgegriffen und genauer ausgeführt und variiert.

[...] Sind die Vereinten Nationen ein Auslaufmodell?

Trotz der Misserfolge von friedendurchsetzenden, friedenssichernden und friedenserhaltenden Maßnahmen, wie in Ruanda (1994) und Srebrenica (1995), gab es auch erfolgreiche Operationen, wie an der indisch-pakistanischen Grenze (ab 1950) und seit 1974 zwischen dem türkischen und griechischen Teil Zyperns.

Weitere Erfolge der Vereinten Nationen können in der Konzeption und den Beschlüssen zum UN-Atomwaffensperrvertrag und dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag gesehen werden, auch wenn die Umsetzung bisher nicht vollständig erfolgt ist oder z. T. vorwiegend von den Nuklearstaaten unterlaufen wird.

Auch der Internationale Gerichtshof und die Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof stellen positive Ansätze in der Durchsetzung internationalen Völkerrechts dar – auch wenn entscheidende Staaten diese Institutionen nicht anerkennen und das Gericht keine Befugnisse hat, Entscheidungen auch selbst durchzusetzen ...

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26. April 1986 (INES 7 NAMS 8) AkwINES Kategorie 7 "Katastrophaler Unfall" Tschernobyl, UdSSR

Es wurden etwa 5,2 Millionen TBq an radioaktiver Strahlung freigesetzt. Ein fehlerhafter Reaktorsicherheitstest im Kernreaktor von Tschernobyl führte zu einer Dampfexplosion, einer Kernschmelze und erforderte eine massive Evakuierung.
(Kosten mindestens 700.000 Millionen US$, Jahr für Jahr weiter steigend.)

Nuclear Power Accidents
 

Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS)

Folgekosten und internationale Ausgaben

Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986 ist die schlimmste Katastrophe in der Geschichte der nuklearen Stromerzeugung. Laut einer umfangreichen Literaturrecherche der University of Southern California beliefen sich die Kosten der Katastrophe bis 2016 weltweit auf rund 700 Mrd. Dollar (etwa 646 Mrd. EUR) (Samet/Seo 2016).

In der Gesamtsumme enthalten sind neben direkten Kosten (Schäden der Anlage und der Umgebung, Produktionsausfälle, unmittelbare gesundheitliche Folgen) auch indirekte Kosten. Diese beinhalten den Bau des Sarkophags und dessen Erneuerung, die Umsiedlung von 200.000 Menschen aus den betroffenen Gebieten, Ausgleichszahlungen, die Überwachung der Strahlungswerte und die Gesundheitsvorsorge für die 10 Mio. Menschen in den umliegenden Ländern, welche der nuklearen Strahlung ausgesetzt waren ...
 

Die Nukleare Kette

Tschernobyl, Ukraine

Super-GAU in einem Atomkraftwerk

Die Kernschmelze von Tschernobyl im April 1986 stellt den mit Abstand größten Unfall in der Geschichte der zivilen Atomwirtschaft dar. Ganze Landstriche wurden verseucht und für Generationen unbewohnbar gemacht. Der radioaktive Niederschlag führte zu Zehntausenden von Krebserkrankungen, Todesfällen, Fehlgeburten und Missbildungen – nicht nur in der ehemaligen Sowjetunion.

Hintergrund

Der erste Atomreaktor wurde in Tschernobyl zwischen 1971 und 1977 gebaut. Bis 1983 wurde die Anlage um drei weitere Reaktoren erweitert. Im benachbarten Städtchen Prypjat lebten die ca. 18.000 Bewohner fast alle von Jobs in der Atomindustrie. Der Super-GAU von Tschernobyl begann während eines Systemtests am 26. April 1986. Eine plötzliche Leistungssteigerung des Reaktors machte eine Schnellabschaltung notwendig. Diese führte zur Erreichung einer überkritischen Masse und so zum Beginn einer atomaren Kettenreaktion innerhalb des Reaktors. Das 1.000 Tonnen schwere Dach wurde durch die Wucht der Explosion angehoben, und das grafithaltige Inventar fing Feuer. Eine Wolke mit radioaktivem Rauch zog über weite Teile Ost- und Mitteleuropas und überzog ganze Landstriche mit radioaktivem Niederschlag. Vor allem nördlich des Kraftwerks, in Teilen Weißrusslands, gingen große Mengen Radioaktivität nieder, aber auch Teile Skandinaviens, Kleinasiens oder der Bayerische Wald wurden mit radioaktivem Jod-131 oder Cäsium-137 überzogen. Der Super-GAU wurde tagelang vor der Bevölkerung geheim gehalten. Evakuierungs- und Schutzmaßnahmen wurden stark verzögert.

Folgen für Umwelt und Gesundheit

Die ersten Opfer der Atomkatastrophe waren die rund 800.000 Liquidatoren, meist junge Rekruten, die aus der ganzen Sowjetunion nach Tschernobyl gebracht wurden, um die Katastrophe unter Kontrolle zu bringen. Mit bloßen Händen mussten sie strahlenden Schutt über das Gelände tragen und einen gigantischen Sarkophag über dem havarierten Reaktorblock errichten. Schätzungsweise 14 bis 15 % von ihnen waren 2005, also 19 Jahre nach dem Unglück, bereits verstorben; mehr als 90 % von ihnen sind erkrankt, viele vermutlich aufgrund ihrer hohen Strahlenexposition.

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25. April


 

RassismusRespektPolizeigewalt

Oldenburg:

Tödliche Polizeischüsse: Tausende bei Kundgebung

Nach dem Tod des 21 Jahre alten Lorenz durch Polizeischüsse in der Oldenburger Innenstadt sind dort Tausende Menschen zu einer Demonstration zusammengekommen. Bei der Kundgebung mit vielen emotionalen Redebeiträgen war ein Platz, auf dem sich rund 8000 Menschen versammeln können, bis in viele Ecken gefüllt. Die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf bis zu 10 000. Auch rund um den Platz standen Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Hautfarbe und gedachten des getöteten jungen Mannes und anderer Opfer von Polizeigewalt.

Die genauen Hintergründe der Tat sind bislang unklar. Fest steht, dass der 21 Jahre alte Deutsche am frühen Ostersonntag in der Fußgängerzone von einem Polizisten erschossen wurde - von hinten. Laut Obduktionsergebnis wurde Lorenz an der Hüfte, am Oberkörper und am Kopf getroffen. Der 27 Jahre alte Polizist wurde vorläufig vom Dienst suspendiert. Gegen ihn wird wegen Totschlags ermittelt - das übliche Verfahren in solchen Fällen.

[...] «Schüsse von hinten nicht zu rechtfertigen»

Emily Schkrob (19) geht es ähnlich. «Man kennt solche Geschichten aus Amerika», sagt sie mit Blick auf die Proteste nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd. «Aber man hat einfach nie gedacht, dass so was auch hier passieren kann.»

[...] Auch in vielen anderen Städten wurde zeitgleich zu Demonstrationen und Mahnwachen aufgerufen, etwa in Berlin, Hannover, Braunschweig, Düsseldorf, Bochum, Frankfurt, Stuttgart, München und Wien.

Bei der Kundgebung in Oldenburg baten mehrere Redner und Organisatoren die Menge, friedlich und respektvoll zu demonstrieren. Dies wünschten sich die Angehörigen, sagten sie. Demnach bat vor allem die Mutter des Getöteten um ein würdevolles Gedenken ohne Gewalt.

Polizei: Respekt für friedlichen Protest

Die Polizei zog nach Ende der Demonstration ein positives Fazit. Es sei zu keinen größeren Auseinandersetzungen gekommen. Lediglich einige kleinere Brände an Mülltonnen und einzelnen Autoreifen habe die Feuerwehr löschen müssen. Polizeivizepräsident Arne Schmidt sagte: «Der Tod von Lorenz A. bewegt viele Menschen zutiefst - auch innerhalb der Polizei.» Dass so viele Bürgerinnen und Bürger friedlich zusammengekommen seien, um ihre Betroffenheit auszudrücken, verdiene Respekt.

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Türkei | Erdbeben | KorruptionRecep Egowahn

Erbeben in Istanbul

Die letzte Warnung

Bei dem erwarteten stärkeren Beben gäbe es sicher Tote. Viele Menschen sind aufgewühlt. Das Beben jetzt muss als letzte Warnung begriffen werden, die Stadt und ihre Menschen besser zu schützen.

Die Menschen in Istanbul sind noch einmal mit dem Schrecken davongekommen: Das Erdbeben war mit 6,2 zwar stark, aber es ist glimpflich verlaufen. Doch der Schrecken sitzt tief. Erinnerungen wurden geweckt - an verheerende Beben mit Zehntausenden Toten wie 1999 in Gölcük nahe Istanbul und vor erst zwei Jahren im Südosten des Landes.

Auch die Behörden, der Staat, sind aufgeschreckt. Eiligst wurde etwa eine Erdbebenkonferenz einberufen, um mögliche Versäumnisse zu besprechen. Die oppositionelle CHP sagt jedoch, ihre Leute seien nicht dabei gewesen. Der Oberbürgermeister Istanbuls und die Bürgermeister besonders gefährdeter Bezirke sitzen im Gefängnis. Und der amtierende Oberbürgermeister Istanbuls sei nicht eingeladen gewesen.

[...] Obwohl Präsident Recep Tayip Erdogan nach dem Beben sagte, Naturkatastrophen taugten nicht für politische Gefechte, scheint genau das zu passieren. Es sieht so aus, als werde Erdbebenvorsorge so betrieben, wie die Politik sonst: Die von Erdogans AK-Partei geführte Zentralregierung gönnt der CHP und ihrem inhaftierten Oberbürgermeister Ekrem Imamoglu nicht die Butter auf dem Brot. Geldflüsse von der Zentralregierung nach Istanbul wurden unterbunden und unter der AKP angeschobene Infrastruktur-Projekte gestoppt. Zudem ist der Verbleib der Einnahmen aus der Erdbebensteuer, eingeführt nach dem Beben 1999, weiter unklar.

Regierung und Kommunen müssen zusammenarbeiten

Viele argwöhnen, dass Milliardenbeträge in andere Projekte geflossen sind als in die Nachrüstung von nicht erdbebensicheren Häusern. Gleichwohl ist einiges passiert. Der Staat hat viele öffentliche Gebäude ertüchtigt. Und was die staatliche Wohnungsbaugesellschaft TOKI bauen lässt, gilt als erdbebensicher.

[...] Wenn die Türkei es ernst meint mit der Erdbebenvorsorge, muss sie jetzt konsequent und schnell handeln. Gesetze müssen verschärft und ihre Einhaltung kontrolliert werden. Zentralregierung und Kommunen müssen - egal, wer wo regiert - zusammenarbeiten, wenigstens bei der Erdbebenvorsorge. Denn Fachleute sagen: Das große Beben mit einer Stärke von mehr als 7 kommt - früher oder später. Die 6,2 von Istanbul war womöglich die letzte Warnung.

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Nahverkehr | TicketStrafgesetzbuchFreiheitsstrafe

Ersatzfreiheitsstrafen: 

Knete statt Feile

Der Freiheitsfonds kauft arme Menschen aus dem Gefängnis frei – und wird dabei von Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalten unterstützt

Zwei Monate war Lina Ritter* im Gefängnis, verurteilt, weil sie den öffentlichen Nahverkehr ohne gültiges Ticket genutzt hat. Wie es dazu kam, ist eine spezielle Geschichte – und auch wieder nicht. Im Kern zeigt sie, wie die Kriminalisierung von Schwarzfahren das ohnehin prekäre Leben von Menschen weiter verschärft.

Ritter ist alleinerziehend und lebt mit ihrem Sohn in Aachen. Als eine Freundin aus ihrer Wohnung raus musste und zu krank war, eine neue zu suchen, nahm Ritter sie auf. Zu dem Zeitpunkt, erzählt sie dem »nd«, habe sie im Schichtdienst gearbeitet bis zu 13 Stunden lang. Während sie auf der Arbeit war und ihr Sohn in der Schule, fuhr ihre Freundin ohne Ticket mit den Öffentlichen und wurde mehrmals dabei kontrolliert. Bei den Kontrollen benutzte sie den Ausweis von Ritter, der sie ähnlich sah. Sie selbst hatte keinen gültigen.

Die Freundin starb im Krankenhaus, während Ritter mit mehreren erhöhten Beförderungsentgelten überhäuft wurde – bis sie diese mit ihrem schmalen Gehalt nicht mehr zahlen konnte. Ein Verfahren wurde eingeleitet. Das Aachener Verkehrsunternehmen hatte Lina Ritter angezeigt. 5000 Euro sollte sie zahlen – zu viel für die Alleinerziehende. Sie musste ins Gefängnis.

Häufigste Form der Freiheitsstrafe

In Deutschland ist die Rechtslage so: Wer sein Auto falsch parkt und dabei erwischt wird, bekommt ein Knöllchen. Wer mit der Bahn ohne Ticket fährt und kontrolliert wird, bekommt auch eines. Nur der Schwarzfahrer begeht im Gegensatz zum Falschparker keine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat, für die Haft drohen kann. Grundlage dafür ist der Paragraf 265a des Strafgesetzbuchs, das sogenannte Erschleichen von Leistungen – ein Erbe aus der Zeit des Nationalsozialismus. Dafür ist bis zu einem Jahr Haft oder eine Geldstrafe vorgesehen ...

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CO2Erwärmung | Dünger

CO2 kann Pflanzenwachstum fördern, aber zu viel davon belastet das Klima

Da CO2 Pflanzenwachstum fördere, könne es keine negative Rolle beim Klimawandel spielen – von dieser Logik gehen einige Beiträge in Sozialen Netzwerken aus. Doch sie lassen außen vor, dass der menschengemachte CO2-Ausstoß den Bedarf von Pflanzen übersteigt.

„CO2 und Klimawandel, das ist für Biologen so eine Frage. Wenn man sich jetzt die Pflanzen hier anschaut, alle Pflanzen brauchen zum Wachstum zwingend Kohlendioxid“, sagt eine Frau in einem Video, das seit Jahren im Netz kursiert. Zuletzt erhielt es Anfang März 2025 auf Instagram mehr als 12.000 Likes. Die Frau im Video behauptet, mehr CO2 sei gut für Pflanzen – CO2 „künstlich“ zu reduzieren, beeinflusse den biologischen Kreislauf dagegen negativ. Unter den Videos sammeln sich Spekulationen über eine „Klimalüge“ oder „CO2-Lüge“.

[...] Negative Folgen der steigenden CO2-Konzentration in der Atmosphäre überwiegen

Anders als im Video behauptet, würde eine Reduktion des CO2-Ausstoßes dem biologischen Kreislauf nicht schaden: Pflanzen wie auch Ozeane oder Böden setzen CO2 frei und absorbieren es. Dieser natürliche Kreislauf ist in einem Gleichgewicht, gestört wird er durch das vom Menschen verursachte zusätzliche CO2. Im Jahr 2023 produzierten die Menschen mehr als 37,7 Milliarden Tonnen CO2 – alle Lebewesen und Pflanzen an Land nehmen etwa ein Viertel des vom Menschen verursachten CO2 zusätzlich auf, wie uns zwei Forscher hier erklärten. Pflanzen federn also einen Teil des Klimawandels ab, sie funktionieren wie ein Puffer, aber sie können nicht die globale Erwärmung verhindern.

Welchen Einfluss CO2 auf den Klimawandel hat, hat die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einer Faktensammlung erklärt. Kurz gesagt führt die Konzentration des Gases in der Atmosphäre dazu, dass mehr Wärme gespeichert als abgegeben wird, so kommt es zur Erwärmung der Erde. Die Folgen dieser Erwärmung mit vermehrt auftretenden Extremwetterereignissen, wie Dürren, Hitzewellen und Starkregen, wirken sich negativ auf das Pflanzenwachstum aus.

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Schweiz | SolarstromEisenbahn

Jetzt wird auf der ersten Schweizer Zugstrecke Solarstrom produziert

Zunächst war der Bund wegen Sicherheitsbedenken dagegen, doch jetzt ist der erste Bahnabschnitt mit Solarpanels eingeweiht. So reagieren SBB und ein Experte auf das Pilotprojekt mit grossen Zielen.

[...] Am Donnerstag wurde bei Buttes im Val-de-Travers NE das schweizweit erste Solarkraftwerk zwischen Bahngleisen eingeweiht.

Die Pilotanlage umfasst 48 Solarpanels auf einer Länge von 100 Metern. Joseph Scuderi, Gründer des Start-ups Sun-Ways und treibende Kraft hinter dem Projekt, spricht von «einem kleinen Tropfen in einem Ozean von Bedürfnissen», der einer breiten Anwendung den Weg öffnen soll.

Unbestritten ist, dass die Schweiz die erneuerbaren Energien ausbauen muss, um den wegfallenden Atomstrom zu kompensieren. Windparks oder alpine Solaranlagen sind umstritten. Laurent Favre, Umweltdirektor im Kanton Neuenburg (FDP), ist deshalb von Photovoltaikanlagen zwischen Bahngleisen überzeugt: «Wir müssen die Solarpanels auf bestehender Infrastruktur anbringen und nicht auf Wiesen im landwirtschaftlichen Gebiet.»

[...] Gemäss Schätzungen des Start-ups liesse sich pro Jahr eine Terawattstunde Strom produzieren, würde das gesamte Schweizer Bahnnetz mit Solarpanels bestückt. Das sind 30 Prozent des Energieverbrauchs des öffentlichen Verkehrs.

Das klingt nach viel – ist verglichen mit dem unausgeschöpften Potenzial, das hierzulande auf den Dächern (55 Terawattstunden) und an Fassaden (18 Terawattstunden) liegt, aber wenig. Der stellvertretende Geschäftsführer des Branchenverbands Swissolar, David Stickelberger, erwartet die Ergebnisse des Projekts in Buttes deshalb zwar mit Spannung, glaubt aber, dass das «nur eine Nischenanwendung für die Gewinnung von Solarstrom sein wird».

Er sieht am Standort zwischen den Gleisen mehrere Nachteile: So führe die horizontale Ausrichtung der Solarpanels im Vergleich zur optimalen Neigung von 35 Grad zu einem Minderertrag von bis zu 20 Prozent, wobei besonders im Winter Einbussen anfielen. Die flache Verlegung bedeute auch mehr Verschmutzung. Zudem seien viele SBB-Zugstrecken «sehr viel stärker und mit längeren Zügen» befahren als die Strecke der Neuenburger Bahngesellschaft TransN bei Buttes, wodurch die Erträge sänken.

Sun-Ways-Gründer Joseph Scuderi ist sich der Herausforderungen bewusst. Er will die konkreten Folgen nun im Rahmen der Pilotanlage evaluieren und wo nötig Lösungen entwickeln. Für die Reinigung der Panels käme etwa das Druckluftsystem der Züge infrage, so Scuderi. Er betont: «Wenn es einfach gewesen wäre, wären wir nicht hier, denn dann hätten es andere schon vor uns gemacht.»

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Forschung | USAIDMalaria

Malaria-Wirkstoff aus Deutschland ein Durchbruch?

Deutsche Wissenschaftler haben einen vielversprechenden Wirkstoff gegen Malaria entwickelt. Doch die politischen Entwicklungen in den USA bedrohen ihre Arbeit.

In vielen tropischen Ländern kommt der Tod in der Nacht und fast geräuschlos. Denn die weibliche Anopheles-Mücke, die Überträgerin der Malaria, ist im Flug kaum zu hören. Schätzungsweise 263 Millionen Menschen sind laut dem letzten World Malaria Report der WHO im Jahr 2023 an Malaria erkrankt. Etwa 650.000 starben daran. Besonders tragisch: Rund drei Viertel aller Todesfälle waren Kinder unter fünf Jahren.

Viele Wissenschaftler auf der ganzen Welt arbeiten an Impfstoffen und anderen Medikamenten, um die verheerende Plage einzudämmen. Auch ein Forschungsteam unter der Leitung von Gernot Längst von der Universität Regensburg und Markus Meißner von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben einen vielversprechenden Ansatz gefunden.

Die Herausforderungen sind enorm: Der Erreger ist kein Virus oder Bakterium, sondern ein Parasit, der in unserem Körper einen komplexen Lebenszyklus durchläuft und immer wieder Resistenzen gegen gängige Medikamente entwickelt.

Komplizierter Kreislauf erschwert Malaria-Behandlung

Nach der Infektion durch den Stich der Anopheles-Mücke nistet sich der Erreger zunächst in der Leber ein. Dort produziert er durch Teilung zahlreiche Tochterzellen, die dann zur weiteren Vermehrung in die roten Blutkörperchen eindringen. Diese unterschiedlichen Entwicklungsstadien erschweren die Medikation. Hinzu kommt, dass Medikamente zur Malariabehandlung oft nicht durchgängig eingenommen werden. Der Parasit wird dadurch oft nur teilweise abgetötet. Die Folge: Die besonders widerstandsfähigen Zellen überleben und bilden resistente Stämme aus.

Den bayerischen Forschern ist hier vermutlich ein entscheidender Durchbruch gelungen, wie Markus Meißner erklärt. "Wir haben tatsächlich einen zentralen Genschalter gefunden, der die Gene, die bei bestimmten Stadien im Lebenszyklus benötigt werden, entweder ein- oder ausschaltet. So werden die Stadien in der Leber vermutlich abgetötet. Wir wissen, dass die Stadien im Blut abgetötet werden und keine sogenannten sexuellen Stadien mehr gebildet werden, die dann auf den Moskito übertragen werden."

Das Team konnte einen Proteinkomplex identifizieren, der für die Regulierung von Genen in den unterschiedlichen Entwicklungsstadien des Erregers von Bedeutung ist und so einen Hemmstoff entwickeln, der nur den Parasiten tötet. Damit gäbe es erstmals einen Wirkstoff, der alle Lebensstadien des Erregers angreift und der nebenbei auch verhindert, dass sich Moskitos beim Blutsaugen wiederum infizieren. Jetzt müsse eine mögliche Anwendung als Medikament umfangreich getestet werden.

[...] Nicht nur die Forschung wird von der Trump-Administration torpediert: Auch die Streichungen der durch die amerikanische USAID - der Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung - finanzierten Projekte zur Malariabekämpfung werden sich nach Einschätzung der Forscher in erhöhten Fall- wie auch Todeszahlen niederschlagen.

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Der Atompilz steht für Atom- oder Wasserstoffbomben, auch im Rahmen von Tests25. April 1961 (Gerboise verte, Frankreichs 4. AtombombentestReggane, DZANuklearwaffen-Testgelände

Seit 1945 wurden weltweit über 2050 Atomwaffentests durchgeführt, was eine mögliche Erklärung für die stetig steigende Zahl von Krebserkrankungen sein könnte.

IPPNW Report - Atomwaffentests - August 2023 (PDF-Datei)

... Oberirdische Tests wurden in Semipalatinsk, Kasachstan, auf traditionellem Land der Westlichen Shoshone in Nevada, USA, auf dem Land der Aborigines im australischen Outback, auf dem Land der indigenen Nenetz in der russischen Arktis, auf dem Gebiet von Nomaden in der algerischen Sahara, in der Region der Uiguren in China und anderswo durchgeführt. Die Bewohner*innen wurden oft verspätet oder gar nicht evakuiert und nicht über die Auswirkungen der Tests informiert.
Radioaktiver Niederschlag fiel als Staub und Regen herab und verseuchte das Trinkwasser und lokal erzeugte Lebensmittel ...
 

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Frankreich ließ Soldaten vorsätzlich verstrahlen

Die aufstrebende Atommacht Frankreich hat bei einer Atomtestserie Anfang der sechziger Jahre Soldaten in radioaktiv verseuchte Gebiete in Algerien entsendet und sich wenig um deren Gesundheit geschert. Das offenbaren Auszüge aus einem geheimen Bericht.

Etwa 50 km südwestlich von Reggane beziehungsweise 20 km südlich des Ortes Hamoudia befand sich bis 1965 ein französisches Kernwaffentestgelände (CSEM - Centre Saharien des Expérimentations Militaires). Dort führte Frankreich am 13. Februar 1960 seinen ersten Kernwaffentest mit einer 70-kT-Atombombe durch, die etwa 4-mal so stark wie die Hiroshima-Bombe war. Am 1. April 1960, 27. Dezember 1960 und 25. April 1961 erfolgten auf diesem Gelände drei weitere oberirdische Atombombentests mit jeweils weniger als 5 kT ...
 

Wikipedia fr

Gerboise verte

Gerboise verte ist der Codename für einen oberirdischen französischen Atomtest, der am 25. April 1961 in Reggane, Algerien, gezündet wurde. Es handelte sich um den vierten französischen Atomtest nach Gerboise bleue, Gerboise blanche und Gerboise rouge ...

Übersetzung https://www.DeepL.com/Translator
 

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Der Atompilz steht für Atom- oder Wasserstoffbomben, auch im Rahmen von Tests25. April 1954 (6 Wasserstoffbomben) Bikini Atoll, MHLNuklearwaffen-Testgelände

Seit 1945 wurden weltweit über 2050 Atomwaffentests durchgeführt, was eine mögliche Erklärung für die stetig steigende Zahl von Krebserkrankungen sein könnte.

IPPNW Report - Atomwaffentests - August 2023 (PDF-Datei)

... Oberirdische Tests wurden in Semipalatinsk, Kasachstan, auf traditionellem Land der Westlichen Shoshone in Nevada, USA, auf dem Land der Aborigines im australischen Outback, auf dem Land der indigenen Nenetz in der russischen Arktis, auf dem Gebiet von Nomaden in der algerischen Sahara, in der Region der Uiguren in China und anderswo durchgeführt. Die Bewohner*innen wurden oft verspätet oder gar nicht evakuiert und nicht über die Auswirkungen der Tests informiert.
Radioaktiver Niederschlag fiel als Staub und Regen herab und verseuchte das Trinkwasser und lokal erzeugte Lebensmittel ...
 

Wikipedia de

Bikini-Atoll

Das Atoll wurde als Schauplatz zahlreicher Kernwaffentests der USA in den 1940er und 1950er Jahren bekannt ...

Bombe Datum Ort Sprengkraft
Bravo 28. Februar 1954, 18:45 Uhr (UT) Nam-Insel 15 MT
Romeo 26. März 1954, 18:30 Uhr (UT) Nam-Insel 11 MT
Koon 6. April 1954, 18:20 Uhr (UT) Eninman-Insel 110 kT
Union 25. April 1954, 18:10 Uhr (UT) Bikini-Lagune 6,9 MT
Yankee 4. Mai 1954, 18:10 Uhr (UT) Bikini-Lagune 13,5 MT

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24. April


 

Vereinigte Staaten | Forschung und Wissenschaft

Die USA schaufeln sich ihr eigenes Grab

Die Forschung leidet unter der Trump-Administration. Dass Diversität seit Anfang des Jahres unerwünscht ist, ist ein großes Problem für das Feld.

Berlin taz | Sarah Fortune ist eine der führenden Expertinnen zu Tuberkulose. Die Lungenkrankheit ist auch heute noch die Infektionskrankheit mit den meisten Todesfällen weltweit. Sie erhielt 2020 ein Stipendium der National Institutes of Health (NIH) in Höhe von 60 Millionen Dollar, um weiter an der Bekämpfung der Krankheit zu forschen. Das Projekt ist das, was manche einen „moon­shot“ nennen. Es ist ein Versuch der NIH, die besten Köpfe und Labors der Welt zusammenzubringen, um die Mysterien der Krankheit zu ­enthüllen.

Fünf Jahre später weiß Fortune, wie das Bakterium Resistenzen entwickelt und dem Immunsystem immer wieder entkommt. Doch vor allem steht sie kurz vor einem neuen Durchbruch: Sie hat erstmals einen Plan für einen neuen Impfstoff gegen Tuberkulose. Der bisherige liefert nur Schutz für Kinder, dabei erkranken zum Großteil Erwachsene.

Doch Ende März 2025 erhielt sie eine Mail von der NIH: Sie soll ihre Forschung sofort unterbrechen. Ihre Arbeit stand ganz oben auf der Liste der Projekte, die von den Kürzungen der Trump-Regierung an ihrer Hochschule betroffen sind. Wenn das Projekt tatsächlich beendet würde, dann würden Forschende gekündigt, Versuchstiere eingeschläfert und Proben vernichtet. Das Wissen wäre weg, einfach so. Viele Leben könnten gerettet werden, wenn es einen Impfstoff gäbe. Sarah Fortune hatte einen Plan, einen Hoffnungsschimmer.

Kürzung in der Forschung kann Menschenleben kosten

Eine etwas überspitzte, aber angesichts der massiven Streichungen und Kürzungen im Wissenschaftsbereich durch die Trump-Administration durchaus berechtigte Frage: Wie viele Menschen werden in Zukunft auf den versteckten Friedhöfe ruhen, auf denen sich die Gräber derer befinden, die gerettet werden könnten, wenn Forschungsprogramme nicht eingestellt und ihre Versorgung nicht eingestellt worden wäre?

[...] Die Trump-Regierung hat die Kommunikation der Gesundheitsbehörden unterbrochen, Daten von Websites, wie etwa dem Zentrum für Krankheitskontrolle (CDC), gelöscht und Tausende von Wis­sen­schaft­le­r*in­nen bei nationalen Forschungsakademien entlassen. Sie hat bei den NIH, dem größten Förderer für biomedizinische Forschung weltweit, Milliarden Dollar an Fördergeldern gestrichen.

Das Nationale Gesundheitsinstitut (NIH) steht unter Druck

Die Regierung nutzt die NIH als Druckmittel, um die Universitäten in die Mangel zu nehmen. Mit den Worten: „Ihre Forschung entspricht nicht mehr den Prioritäten der Agentur“, wurde in den letzten Monaten zahlreichen Forschenden wie Sarah Fortune in den USA von einem auf den anderen Tag ihre Förderung durch die NIH entzogen. Weil sie Kooperationspartner in China oder Südafrika haben. Weil sie zu Impfungen oder Impfrückhaltung forschten und der neue Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. ein ausgesprochener Impfskeptiker ist oder weil sie von jemandem aus einem Diversitätsprogramm besetzt wurde ...

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Rechtsextreme | AttackeKörperverletzung

Attacke mutmaßlich rechts motiviert

Anklage gegen vier Männer nach Angriff auf SPD-Wahlkämpfer in Berlin

Eine Attacke von vier mutmaßlich rechtsextremen Männern auf Wahlkampf-Helfer der SPD hatte im vergangenen Dezember bundesweit für Empörung gesorgt. Ein Opfer war bei dem Vorfall in Berlin schwer verletzt worden. Nun ist Anklage erhoben worden.

Nach einem mutmaßlich rechten Angriff auf SPD-Mitglieder im Bundestagswahlkampf in Berlin hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen vier junge Männer erhoben. Den Beschuldigten zwischen 17 und 20 Jahren wird unter anderem gefährliche Körperverletzung vorgeworfen, wie die Staatsanwaltschaft Berlin am Donnerstag mitteilte. Der Angriff auf die Wahlkämpfer hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt.

Die Verdächtigen sollen laut Anklage am 14. Dezember nach Berlin gereist sein, um an einer rechten Demonstration teilzunehmen. Laut Anklage sind die Männer einer gewaltbereiten Jugendszene zuzuordnen, die sich an einer rechtsextremen Ideologie orientiert. Im Ortsteil Lichterfelde sollen die Männer dann auf zwei SPD-Mitglieder an einem Informationsstand zur Bundestagswahl getroffen sein und sie bedrängt haben.

Opfer schwer verletzt

Anschließend kam es den Angaben zufolge zu einer körperlichen Auseinandersetzung, bei der die beiden SPD-Mitglieder zu Boden gingen. Einem von ihnen traten die Angreifer mit Springerstiefeln massiv gegen Kopf und Körper. Das Opfer erlitt erhebliche Verletzungen und musste ambulant behandelt werden ...

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Straftaten | Rechtsextremismus | Mainstream

Rechtsextremismus an Schulen:

"Sieg Heil" in der Frühstückspause

Die Anzahl rechtsextremer Straftaten an Schulen in Deutschland steigt. Das zeigt eine Umfrage der ZEIT. 

Innerhalb kurzer Zeit wurden drei mutmaßlich rechtsextreme Vorfälle aus deutschen Schulen vermeldet. Vor dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, in dem die Nazis über eine Million Menschen ermordeten, posierten vier Görlitzer Neuntklässler kürzlich für ein Foto. Mit der rechten Hand zeigten sie den sogenannten White-Power-Gruß: Zeigefinger und Daumen bilden einen Kreis, die drei anderen Finger zeigen abgespreizt nach oben. Die Geste dient Neonazis als Erkennungszeichen und bezieht sich auf die Vorstellung einer überlegenen weißen "Rasse".

Aus Oelsnitz, einem kleinen Ort im Erzgebirge, wurde jüngst bekannt, dass vermummte Gestalten einer Lehrerin auf dem Parkplatz ihrer Schule aufgelauert hatten. Sie trugen eine Reichskriegsflagge bei sich, brüllten "Sieg Heil" und "Wir schicken dich ins KZ!", wie die Lehrerin ZEIT ONLINE berichtete. Sie ließ sich kurzfristig versetzen.

An einer Duisburger Gesamtschule, wo viele Kinder mit Migrationsgeschichte lernen, gingen Mitte April zwei E-Mails ein, in denen die Absender der Schule mit Gewalt drohten. In einer Mail war laut der Polizei von "Säuberungen" die Rede, ein Begriff, mit dem die Nationalsozialisten ihren Terror verbrämten. Hier die Deutschen, da die Schädlinge.

Drei Vorfälle, bei denen sich die mutmaßlichen Täter unverhohlen neonazistischer Symbolik bedienten. Ist das Zufall – oder Begleiterscheinung einer erstarkten extremen Rechten, die nicht nur in den sozialen Medien und Parlamenten selbstbewusst und dominant auftritt, sondern auch auf Pausenhöfen?

Wie eine Anfrage der ZEIT in den Innenministerien der Bundesländer ergab, deuten die neuesten verfügbaren Zahlen stark auf einen Trend hin. Überall, wo Daten erhoben werden, stiegen die gemeldeten oder zur Anzeige gebrachten rechtsextremistischen Vorfälle und Straftaten an Schulen zwischen 2023 und 2024 an, zum Teil sprunghaft: darunter Sachsen-Anhalt (von 74 auf 185 Fälle), Hessen (von 37 auf 167), Nordrhein-Westfalen (von 277 auf 452; inkl. Hochschulen) oder Bayern (von 176 auf 244).

[...] Michaela Köttig, die als Professorin an der Frankfurt University of Applied Sciences unter anderem Schulsozialarbeiterinnen ausbildet und sich seit über 30 Jahren mit rechtsextremen Jugendlichen beschäftigt, sieht in der Häufung der Vorfälle vor allem ein Symptom einer gesamtdeutschen Entwicklung: "Ausgrenzende Rhetorik und extrem rechte Positionen sind eigentlich längst Teil des Mainstreams und begegnen uns ständig, im gesellschaftlichen Diskurs gelten sie aber weiterhin als moralisch verwerflich. Dieser Widerspruch wird allerdings nicht offen konfrontiert." Ambivalenz, sagt Köttig, hielten Jugendliche in ihrer Identitätsfindung schlecht aus. "Das führt dazu, dass sie sich eindeutig und radikal positionieren." Im Zweifel per Hitlergruß.

An den Schulen zeigt sich so gesehen womöglich eine Folge dessen, was die Neue Rechte mit ihrer identitären Rhetorik in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren vorangetrieben hat: die Normalisierung rechtsextremer Werte, Sprache und Zeichen. Diese auch Metapolitik genannte Arbeit außerhalb der Parlamente stärkte die AfD. Was wiederum dazu führte: Die Kinder und Jugendlichen, die heute zur Schule gehen, kennen kein Deutschland ohne Rechtsradikale im Bundestag ...

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Genetik | DNAMutationen

Unsere DNA mutiert schneller als gedacht

Individuelle Mutationsrate genauer als je zuvor bestimmt

Mutationsrate kartiert: Genetiker haben ermittelt, wie viele individuelle Mutationen in unserer DNA im Lauf des Lebens neu entstehen – und welche Genomregionen dafür besonders anfällig sind. Demnach trägt jeder Mensch im Schnitt rund 152 neu entwickelte DNA-Veränderungen in seinem Erbgut. Diese sind aber nicht gleichmäßig verteilt: Einige Genombereiche mutieren häufiger als zuvor angenommen, andere sind dagegen stabiler, wie das Team in „Nature“ berichtet. Dieses Wissen könnte künftig auch helfen, die Ursachen genbedingter Krankheiten zu ermitteln.

Durch umweltbedingte und zufällige Mutationen verändert sich unser Erbgut im Laufe des Lebens. Chemikalien, Strahlung und Co hinterlassen ebenso ihre Spuren in unserer DNA wie Zufälle oder Fehler bei der Zellteilung. Zusätzlich erben wir immer auch Mutationen von unseren Eltern und früheren Vorfahren. „Die gesamte genetische Variation, die wir von Individuum zu Individuum sehen, ist das Ergebnis dieser Mutationen“, erklärt Koautor Lynn Jorde von der University of Utah.

Wie viele Mutationen tragen wir?

Daher ist kein Mensch wie der andere. Diese individuellen Genveränderungen bestimmen zum Beispiel harmlose Äußerlichkeiten wie unsere Augenfarbe, aber auch gesundheitliche Aspekte – etwa, ob wir Laktose verdauen können oder eine genetisch bedingte Krankheit haben. Schätzungen zufolge unterscheiden sich die Gene eines jeden Menschen an hunderten Stellen von den Genen der beiden Elternteile.

Doch wie viele individuelle Mutationen tatsächlich in unserem Genom auftreten und welche vererbt werden, ist erst in Teilen geklärt. Denn viele dieser Veränderungen treten in DNA-Regionen auf, die besonders schwer zu untersuchen sind. Diese Erbgutabschnitte, beispielsweise an den Zentromeren, waren „bisher unberührbar“, sagt Koautor Aaron Quinlan von der University of Utah. Nachweisbar waren daher bisher nur etwa 60 bis 70 individuelle, nicht-vererbte Mutationen pro Generation.

[...] Zehnmal höhere Mutationsrate als gedacht

Die Analysen zeigten: Unser Erbgut verändert sich nicht überall gleichermaßen, sondern mutiert je nach Abschnitt unterschiedlich schnell. „Wir haben Teile unseres Genoms gesehen, die enorm veränderlich sind, fast jede Generation eine Mutation“, sagt Quinlan. „Die Rate der De-novo-Strukturvarianten stieg gegenüber früheren Schätzungen von 0,2 bis 0,3 auf drei bis vier pro Generation“, berichtet das Team.

Die Mutationsrate in diesen Abschnitten ist demnach höher als zuvor angenommen. Andere DNA-Segmente waren hingegen stabiler als gedacht. Anhand dieser Daten haben die Forschenden eine hochaufgelöste Karte des menschlichen Erbguts erstellt, die nun so präzise wie nie zuvor anzeigt, welche DNA-Abschnitte schnell und welche eher langsam mutieren. „Die Rate der De-Novo-Mutationen variiert um eine Größenordnung und ist abhängig von der Kopienzahl, der Länge der wiederholten Abschnitte und der Ähnlichkeit der Sequenz“, erklärt das Team ...

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Atommüll | TschernobylAhaus

Protest mit Sofa und Campingstuhl BI Ahaus „sitzt Atommüllprobleme aus“

Zum 39. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe ruft die BI Ahaus zum Protest auf – mit Sofas und Decken, um das Problem „auszusitzen.“ Wie die Verursacher.

Zum 39. Mal jährt sich die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl am Samstag (26. April). Anlässlich des Jahrestages ruft die BI-Ahaus zum Protest auf, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung des Bündnisses gegen NRW-Atommülltransporte.

Die Initiative will auf die Risiken der Atomenergie und das ungelöste Atommüllproblem aufmerksam machen. Sie kritisiert die Transporte von Jülich nach Ahaus und sehen darin lediglich eine Verschiebung des Problems. Das sei keine langfristig sichere Lösung. Auch nachdem das Oberverwaltungsgericht in Münster im Dezember 2024 die Einlagerungsgenehmigung für den Jülicher Atommüll in Ahaus für rechtmäßig erklärt hat, gebe die Anti-Atomkraft-Initiativen nicht auf. Sie fordern weiterhin langfristige und sichere Lösungen an allen Atomstandorten, heißt es in der Pressemitteilung.
Protest mit Sofa und Decken

„Jahrelang versuchen die Atommüllverursacher die Probleme auszusitzen – das können wir auch – auf der Straße, auf der der Castor kommen soll! Bringt Campingstühle, Sofas, andere Sitzmöbel und warme Decken mit“, erklärt Felix Ruwe von der Bürgerinitiaitve „Kein Atommüll in Ahaus“. Die Proteste vor dem Tor des Atommülllagers in Ahaus beginnen um 14 Uhr am Samstag (26. April).

 


23. April


 

FossileEmissionen | Schadenersatz

Klimaschäden

Studie enthüllt Klimasünder: Fünf Firmen verursachten neun Billionen Dollar Schaden

Ein neues Modell macht es möglich, Unternehmen für die Kosten der Klimakrise zur Verantwortung zu ziehen – der Beitrag einzelner Firmen wie Chevron oder Exxon Mobil ist nun nachweisbar

Wenn man von jemandem geschädigt wird, bietet einem der Rechtsstaat die Möglichkeit, eine Klage auf Schadenersatz einzubringen. Angesichts der häufigeren und zerstörerischen Wetterextreme durch die globale Erwärmung werden vermehrt Klagen gegen Fossilunternehmen eingebracht, um Schäden geltend zu machen. Besonders aussichtsreich sind solche Anstrengungen aber bislang nicht. Da der Klimawandel klarerweise ein globales Phänomen ist, ist es selbst für Unternehmen, die ein nachweislich klimaschädliches Geschäftsmodell verfolgen, nur allzu einfach, sich aus der Verantwortung für lokale Schäden zu ziehen. Damit soll nun Schluss sein, wenn es nach einer neuen Studie geht, die in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts Nature erscheint.

Christopher Callahan und Justin Mankin vom Dartmouth College in New Hampshire stellen ein Instrument vor, mit dem sich bestimmte Klimaschäden auf die Emissionen einzelner fossiler Brennstoffunternehmen zurückführen lassen. Dabei werden Klimamodelle mit öffentlich zugänglichen Emissionsdaten verglichen, um die aktuelle Klimasituation einem Szenario ohne der Treibhausgase, die ein Unternehmen verursacht hat, gegenüberzustellen. Durch ihr Modell konnten die Forscher eine kausale Schätzung regionaler wirtschaftlicher Verluste aufgrund extremer Hitze erstellen, die auf die Emissionen einzelner Fossilunternehmen zurückzuführen sind. Das Ergebnis: Extreme Hitze in Verbindung mit Emissionen von Kohlendioxid und Methan von nur 111 Unternehmen kostete die Weltwirtschaft von 1991 bis 2020 rund 28 Billionen Dollar (24 Billionen Euro).

Besonders bemerkenswert ist, dass neun Billionen Dollar (acht Billionen Euro) dieser Verluste einzig und allein den fünf Unternehmen mit den höchsten Emissionen zuzuschreiben sind, so die Studie. Das untersuchte Unternehmen mit den höchsten Emissionen ist der Ölkonzernen Chevron, und wie die Forscher berichten, könnte es für 791 Milliarden bis 3,6 Billionen Dollar (692 Milliarden bis 3,1 Billionen Euro) an klimabedingten Verlusten von 1991 bis 2020 verantwortlich sein. Genaue Daten werden in der Studie auch für Exxon Mobil, Saudi Aramco, Gazprom und BP vorgelegt. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass es tatsächlich möglich ist, die Welt, wie sie ist, mit einer Welt ohne einzelne Emittenten zu vergleichen", sagt Callahan.

[...] Das wissenschaftliche Rückgrat der aktuellen Studie ist die sogenannte Klima-Attributions-Wissenschaft, die sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit der menschengemachte Klimawandel für das Auftreten bestimmter Wetter- oder Klimaextreme verantwortlich ist, und die Modelle bietet, um die Auswirkungen des Klimawandels quasi in Echtzeit zu verfolgen. Der nun vorgestellte Rahmen für die Zuordnung von Klimaschäden umfasst etablierte und wissenschaftlich geprüfte Methoden zur Ermittlung der Auswirkungen bestimmter Emissionen auf extreme Wetterereignisse.

Was die neue Studie gegenüber früheren Arbeiten leistet, ist, dass in dem Modell die Gesamtemissionen herausgerechnet werden können, um den spezifischen Treibhausgasfußabdruck eines Unternehmens zu ermitteln. "Unser Ansatz simuliert die Emissionen direkt und ermöglicht es uns, die Erwärmung und ihre Auswirkungen auf bestimmte Emittenten zurückzuführen", sagt Callahan. Generell gehe es den Forschern mit ihrer Arbeit nicht um eine Vorhersage künftiger Klimafolgen, betont Mankin. "Vielmehr ist es eine dokumentarische Arbeit, bei der wir zeigen, was bereits geschehen ist, und die Gründe dafür darlegen."

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Versorgung | FlüchtlingeExistenzminimum

Leben unter dem Existenzminimum

Gericht stoppt radikale Leistungskürzungen für Geflüchtete

Im Hamburger Dublin-Zentrum standen Geflüchteten nur noch Brot und Seife zu – Geld und Kleidung wurden gestrichen. Ein Gericht erklärt diese Praxis nun für verfassungswidrig.

Das Sozialgericht Hamburg hat drastische Leistungseinschränkungen für Geflüchtete im sogenannten Dublin-Zentrum für rechtswidrig erklärt. Die Einrichtung im Stadtteil Harburg war in die Kritik geraten, weil dort untergebrachte Männer nur noch ein Bett, Brot, Seife und medizinische Notversorgung erhielten – Geld, Kleidung oder Fahrkarten wurden nicht mehr gewährt.

Die Richter stellten klar: Diese Form der Versorgung verstoße gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Der Kläger, ein Geflüchteter aus Schweden, war nach der Dublin-Verordnung zur Rückführung in das Erstaufnahmeland vorgesehen. Doch eine solche Rückführung wurde laut Gericht nicht konkret vorbereitet – ein zentraler Punkt, denn nur bei kurzfristiger Ausreisemöglichkeit wären die Kürzungen rechtlich zulässig gewesen.

[...] Ausreise kaum möglich – Leistungen trotzdem gekürzt

Die Linksfraktion kritisiert das Konzept als "rechtswidrig und zynisch". Besonders schwer wiege laut des Gerichts der Umstand, dass Geflüchtete sich nicht eigenständig auf den Weg in das zuständige EU-Land machen könnten. Anders als EU-Bürger seien sie auf eine offizielle Überstellung durch Behörden angewiesen. Der Senat selbst bestätigt: "Freiwillige Selbstüberstellungen ohne Organisation eines Überstellungstermins werden derzeit nicht durchgeführt."

Das Gericht betonte, dass unter diesen Umständen Leistungskürzungen nicht gerechtfertigt seien – die Menschen würden so faktisch entrechtet. Welche Konsequenzen das Urteil für ähnliche Einrichtungen in anderen Bundesländern hat, ist offen.

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Israel | GazaVölkermord

Israel in Gaza: Von der ethnischen Säuberung zum Völkermord

Laut zwei namhaften israelischen Genozid-Spezialisten ist Israel daran, im Gazastreifen einen Völkermord zu begehen.

Seit Anfang März schneidet Israel das hermetisch abgeschlossene Gaza von Wasser, Nahrungsmitteln und medizinischer Grundversorgung ab. Die verzweifelte, ständig zur Flucht gezwungen Zivilbevölkerung soll eben der Hamas endlich Widerstand leisten, meinten israelische Regierungsvertreter.

Gleichzeitig bombardiert Israel praktisch täglich weiter. Über diesen Krieg in Gaza und die dortige ethnische Säuberung berichten viele Medien nur noch am Rande. Im Vordergrund der Aufmerksamkeit stehen Schicksale von Verletzten und Getöteten in der Ukraine.

Zwei israelische und jüdische Genozid-Spezialisten rufen dazu auf, den Krieg in Gaza als fortschreitenden Völkermord zu betrachten. Der Genozid-Forscher Professor Omer Bartov kritisiert namentlich Deutschland, weil es zur obersten Staatsmaxime die Sicherheit Israels erklärt und nicht das humanitäre Völkerrecht.

«Es braucht kein Auschwitz für einen Völkermord»

Ende 2023, zwei Monate nach dem Massaker der Hamas und dem massiven Gegenschlag Israels, hatte Bartov den Vorwurf des Völkermords noch zurückgewiesen.

Am 25. Januar 2025 begründete Barton seine Meinungsänderung in einem Interview mit dem «Spiegel». Hier einige Auszüge:

«Wenn man sagt, dass Israel in Gaza einen Völkermord begangen hat, lautet die Antwort stets sofort, dass es dort kein Auschwitz gibt. Aber ich finde, dass das völlig irrelevant ist, denn nicht alle Völkermorde sehen aus wie der Holocaust. Es gab auch einen Völkermord in Ruanda oder in Bosnien oder in Kambodscha.
Es gab zahlreiche Äusserungen von israelischen Politikern und Militärs in Machtpositionen, die zur Ausrottung aufriefen und die palästinensische Bevölkerung etwa als ‹menschliche Tiere› bezeichneten.
Die Bevölkerung dort zu dehumanisieren, ist Teil der Anstiftung zum Völkermord. Insbesondere nach dem Einmarsch nach Rafah im Mai 2024 konnte man auch die systematische Zerstörung von Wohnungen und Infrastruktur erkennen, dazu von Universitäten, Moscheen, Schulen, also von allem, was ein Volk als Lebensgrundlage braucht. Und im Oktober begann die Armee dann sogar damit, den nördlichen Gazastreifen zu entleeren. Es gibt ein Muster, das auf einen Völkermord hindeutet.
Momentan zieht Deutschland aus seiner Vergangenheit die falschen Lehren: Nicht Israels Sicherheit sollte Deutschlands Staatsräson sein, sondern das humanitäre Völkerrecht sollte die wichtigste Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg sein. Die deutsche Regierung und ein Grossteil der intellektuellen und akademischen Elite haben sich so sehr der Vorstellung verschrieben, dass sie Israel um jeden Preis unterstützen müssen, dass sie damit zur Schwächung der israelischen Demokratie beitragen.» ...

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PFAS | PFOSEwigkeitsgift | BodenseeLöschschaum

Giftige Ewigkeitschemikalie PFOS

Skandal: Wie eine Firma aus der Schweiz den Bodensee vergiftet hat

Hunderte Kilogramm giftiger Löschschaum flossen ungefiltert in den Bodensee. Jetzt kommt raus: Der Konzern wusste Bescheid, hat aber keinen Alarm geschlagen.

Bekannt ist: Auf dem Gelände der Firma Amcor Flexibles Rorschach, einer Verpackungsfirma am Schweizer Bodenseeufer, kam es zwischen 2020 und 2021 zu zwei schweren Chemieunfällen. In der Folge gelangten insgesamt 910 Kilogramm Löschschaum über die Goldach (Zufluss) in den Bodensee. Der Löschschaum war mit Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) belastet, einem in der Schweiz seit 2011 verbotenem Stoff. Nicht bekannt ist: Der Skandal ist viel schlimmer als bisher angenommen - das beweisen Akten, die jetzt freigegeben wurden. Dazu später mehr.

In Deutschland und der Europäischen Union wurde ein schrittweises Verbot von PFOS bereits im Jahr 2006 beschlossen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung schrieb wenig später in einer Stellungnahme: „PFOS und PFOA verbleiben nach der Aufnahme lange im menschlichen Organismus. Beide Stoffe besitzen im Tierversuch lebertoxische, krebserregende und reproduktionstoxische Eigenschaften.“ Im Dezember 2023 klassifizierte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) PFOS als Gruppe 2 B (siehe Box), möglicherweise krebserregend für den Menschen.

Behörden sahen keinen Handlungsbedarf

Zum Umweltskandal in der Schweiz führte ein defekter Schieber der Meteorleitung. Die Öffentlichkeit wurde nicht informiert, auch die Inhaltsstoffe wurden vom Konzern vorerst nicht genannt. 2022 erst wurde der Vorfall in den ausländischen Medien publik.

Doch wie kann eine Firma Löschschaum mit seit mehreren Jahren verbotenen Inhaltsstoffen lagern? Das
St.Galler Tagblatt erstritt sich wohl wegen dieser und weiterer Fragen jetzt vor dem Schweizer Bundesgericht die Akteneinsicht im Umweltskandal - und machte schwerwiegende Versäumnisse publik. Zudem soll der Konzern versucht haben, die Vorfälle geheim zu halten ...

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SMR | Siemens Energy | Rolls-Royce

Wirtschaft

Mini-Atomkraftwerk von Rolls-Royce: Siemens Energy wird Partner

Mülheim. Der Mülheimer Standort von Siemens Energy könnte vom Deal mit dem britischen Hersteller Rolls-Royce profitieren. Was genau vereinbart ist.

Siemens Energy und der britische Kraftwerksbauer Rolls-Royce SMR wollen in Zukunft eng bei der Entwicklung von Mini-Atomkraftwerken zusammenarbeiten.

Beide Unternehmen haben jüngst eine Vereinbarung geschlossen, die die Grundlagen jener exklusiven Partnerschaft zur Entwicklung von modularen Kernkraftwerke festlegt. Ziel ist es, dass Siemens Energy alleiniger Lieferant für die „Turbine Island“ wird und damit für den nicht-nuklearen Teil des Kraftwerks. Das umfasst Dampfturbinen, Generatoren und weitere Hilfssysteme für die geplanten modularen Kernkraftwerke der Generation 3+ des britischen Herstellers. Der endgültige Kooperationsvertrag mit allen Details soll bis Ende des Jahres ausgearbeitet sein.

Siemens Energy und Rolls-Royce: Erste Projekte in den 2030er-Jahren denkbar

Die von Rolls-Royce entwickelten „Small Modular Reactors“ (SMR) sieht Siemens Energy als „vielversprechende Technologie für die Zukunft der Kernenergie und als Garant für das Gelingen der Energiewende“. Sie seien kompakter, sicherer und kosteneffizienter als herkömmliche Kernkraftwerke. Rolls-Royce SMR entwickelt derzeit ein solches „Mini-Atomkraftwerk“, das dank seiner standardisierten, modularen Bauweise deutlich schneller in Betrieb gehen können soll als konventionelle Bauweisen. Etwa ist denkbar, dass die Mini-Reaktoren in einer Fabrik vorgefertigt werden und anschließend am Standort des Kraftwerks nur noch installiert werden müssen.

Siemens Energy ist seit Jahrzehnten als Lieferant und Service-Dienstleister für Komponenten der „Turbine Island“ tätig. Die Produkte, die Siemens Energy für Kernkraftwerke anbietet, umfassen Dampfturbinen und Generatoren mit Leistungen zwischen 20 und 1900 Megawatt sowie betriebliche Leittechnik und Kontrollsysteme. Turbinen für mögliche gemeinsame Projekte mit Rolls-Royce kämen auch aus dem Werk in Mülheim. Bislang aber ist nur eine Partnerschaft vereinbart ...

 


22. April


 

Polizeigewalt | BIPoC erschossen

Tödlicher Polizeieinsatz in Oldenburg

Drei Schüsse von hinten

Ein 21-jähriger Schwarzer wurde in der Nacht zum Sonntag erschossen. Nach der Obduktion sieht auch die Innenministerin „schwerwiegende Fragen“.

Oldenburg taz | Mindestens drei Schüsse von hinten. In Kopf, Oberkörper und Hüfte. Ein vierter soll ihn am Oberschenkel gestreift haben. Das ist das von der Staatsanwaltschaft bekanntgegebene Obduktionsergebnis des 21-Jährigen Lorenz, den ein Polizist in der Nacht auf Ostersonntag gegen 2:40 in der Oldenburger Innenstadt erschossen hat. Weitere Angaben zu dem Fall könne die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt nicht machen, teilte sie mit.

Nicht nur Angehörige und Freunde des Toten, sondern auch viele Bürgerinnen und Bürger wünschten sich Antworten, sagte der Oldenburger Polizeipräsident Andreas Sagehorn. Das sei emotional verständlich, doch zunächst müssten die Hintergründe lückenlos aufgearbeitet werden. Er habe dabei volles Vertrauen in die Staatsanwaltschaft.

Zur Aufklärung würden Zeugen befragt und sämtliche Spuren ausgewertet, sagte Sagehorn. „Öffentlich wird sich die Polizei nicht zum laufenden Verfahren äußern, um die sorgfältige und professionelle Ermittlungsarbeit nicht zu gefährden.“

Lorenz war schwarz. Schon direkt nach seinem Tod hatte sich ein Bündnis aus Freun­d*in­nen und Bekannten geformt, das eine lückenlose Aufklärung des Falls fordert. „Es zeigt sich immer wieder: Polizeieinsätze enden tödlich, wenn migrantisierte Menschen, BIPoCs und schwarze Meschen betroffen sind. Es handelt sich nicht um Einzelfälle“, schreibt die Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“ in einem Statement.

[...] Was genau passiert ist, bleibt weiterhin unklar. Die Obduktionsergebnisse schüren jedoch Zweifel an der offiziellen Version. „Diese Tötung verändert mein Verhältnis zur Polizei. Und ich weiß: Ich bin damit nicht allein“, sagt Mailitafi. „Wir brauchen endlich eine ehrliche, mutige Debatte über Polizeigewalt in Deutschland. Eine Debatte, die nicht wegschaut, nicht relativiert und nicht länger schweigt.“ Der Fall betreffe nicht eine einzige Familie, sondern eine ganze Community.

Gegen den Polizisten wurde, wie in solchen Fällen üblich, nach dem Einsatz seiner Schusswaffe ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Totschlags. Der Mann ist derzeit vom Dienst suspendiert, so die Staatsanwaltschaft ...

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Demokratiezerstörung | Autokraten | Nationalsozialisten

Kulturkampf der Neuen Rechten: Umdeuten, umschreiben, umlügen

Volker Weiß klärt über den Kulturkampf der Neuen Rechten und ihre Strategie der Demokratiezerstörung auf

Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft; wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit», heißt es in George Orwells dystopischem Roman «1984», in dem von einer Diktatur erzählt wird, deren Regime ununterbrochen damit beschäftigt ist, die Erinnerung der Bevölkerung zu manipulieren: Die Menschen sollen vergessen, welche historische Person was genau getan oder gesagt hat, insbesondere wenn sie an etwas gezweifelt oder etwas infrage gestellt hat. Oder besser: Die Menschen sollen sich falsch erinnern, also an eine Vergangenheit, die es so nie gegeben hat, dem Regime aber von Nutzen ist. Sie sollen sich an eine widerspruchsfreie, nachträglich geschönte Vergangenheit erinnern.

Der eingangs zitierte Orwell-Satz ist ein Satz, der auch für unsere politische Gegenwart gilt: Das fortgesetzte Umschreiben, Umdeuten und Umlügen der deutschen NS-Vergangenheit ist ein zentrales Interesse der AfD. Langfristiges Ziel ist es dabei, «alle Arbeitsergebnisse einer Aufarbeitung der (NS-)Vergangenheit abzustoßen», betont Volker Weiß. Die AfD will historisches Wissen zerschlagen, ein neues Geschichtsbild etablieren, in dem der deutsche Herrenmensch ohne Fehl und Tadel ist. Sie arbeitet emsig an der «kontinuierlichen Zerstörung historischer Urteilskraft», warnt der Historiker.

Wer Hitler und Goebbels zu «Linken» umlügt, wie Funktionsträger der AfD es taten, muss die NS-Verbrechen gar nicht mehr relativieren, sondern kann – zuverlässig begleitet vom permanenten Geklapper der konservativen Blätter und der willfährigen, für jeden neuen Twist und jede neue «Debatte» dankbaren Boulevardmedien – am Ende sogar behaupten, «die Linken» seien für den Holocaust verantwortlich, und so auf perfide Art die politische Rechte rehabilitieren.

[...] In seinem Buch weist Weiß auch nach, dass bereits die Nationalsozialisten mit der Methode arbeiteten, «Begriffe des Gegners mit neuer Bedeutung zu überschreiben» und derart «Umdeutungen und Aneignungen von politischen Kategorien» vorzunehmen. So eigneten sich die Nazis etwa den zur Weimarer Zeit bereits oft und missbräuchlich benutzten Begriff «Sozialismus» an und verkehrten diesen ins komplette Gegenteil. So schrieb Goebbels 1932 im NS-Kampfblatt «Der Angriff»: «Sozialismus bedeutet nicht Gleichmacherei. Er hat weder mit Pazifismus noch mit Internationalität das geringste zu tun (…) Der nationalsozialistische Sozialismus schließt die Klassen zusammen und schmiedet damit das Volk zu einer unlösbaren Blutseinheit aneinander.» Goebbels wollte also unter «Sozialismus» vor allem eine «Kampfgemeinschaft der Rasse und des Staates» (Weiß) verstanden wissen, in welcher es keinen Klassenkonflikt mehr gibt.

[...] In der Rechten paktiert man heute mit dem nationalistischen Autokraten Putin und definiert die DDR als das deutschere Deutschland, dessen Bürgern «nicht die nationale Identität genommen» worden sei. Während sich in einem nicht unbeträchtlichen Teil der Linken hierzulande leider noch immer «nicht die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass in Putins Russland von der Sowjetunion nur das imperiale und autoritäre Element übriggeblieben ist».
 

IMHO

Wie in grauer Vorzeit

Javier „no mercy“ Milei mit seiner Kettensäge und Don Trumpl mit der zum Kampf geballten Faust und seiner Fahnenknutscherei, sie und immer mehr andere Horrorclowns bedienen sich neben ihren Angst einflößenden Hasstiraden altbekannter und bewährter Stilmittel, um ihre Zuhörer mitzureißen. Heroische Gesten und Bilder, Fahnen, Symbolik und vor allem aber die Schaffung von scheinbar plausiblen Feindbildern. Sie stellen ihre eigenen Anhänger als arme Opfer dar und sich selbst als strahlende Retter, die dem Volk demütig dienen: „Unsere erbarmungslos grausamen Gegner wollen uns aussaugen und kaputt machen (Sozial Schmarotzer und Messermänner). Wir müssen uns wehren, sonst wird es unser Untergang sein (Apokalypse), ich werde euch den Weg zeigen!" (Der Retter)

All das erinnert sehr an „Duce“ Mussolini und „Gröfaz“ Hitler, die brachten ebenfalls zuerst die Reichen auf ihre Seite und dann die Presse auf Linie. Sie kriminalisierten ihre Gegner, schickten sie ins Gefängnis, ließen sie foltern und töten. Sie untergruben die Demokratie von innen und ergriffen schließlich die Macht wie alle anderen Gewaltherrscher vor ihnen ...

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Vereinigte Staaten | Universität | Bildung | Justiz | Fördergelder

Nach Schikane durch US-Präsident

Harvard zieht gegen Trumps Regierung vor Gericht

Das Weiße Haus drangsaliert die Bildungseinrichtungen der USA. Doch Harvard leistet Widerstand und wehrt sich nun gerichtlich. Für die Eliteuniversität geht es um Milliarden.

In den vergangenen Wochen war der Streit zwischen der Eliteuniversität Harvard und der US-Regierung eskaliert. Es geht um sehr viel Geld und die Frage, wie viel Einfluss eine Regierung auf die Bildungseinrichtungen im Land haben kann und darf. Harvard wendet sich nun an die Gerichte.

Die Klage der Uni zielt darauf ab, die Blockade milliardenschwerer Fördergelder zu lösen. Das Vorgehen der Regierung von Präsident Donald Trump verstoße gegen die im ersten Zusatzartikel zur US-Verfassung festgeschriebene Meinungsfreiheit, argumentiert Harvard unter anderem. Die Maßnahmen seien »willkürlich«, heißt es weiter.

Harvard weigerte sich, einen von Trump geforderten Kurswechsel umzusetzen, der etwa die Zulassung von Studierenden, Einhaltung von Verhaltensregeln und Einstellung von Hochschulpersonal betrifft. Die weitreichenden Forderungen wurden in einem Behördenbrief mit angeblich unzureichenden Maßnahmen gegen Antisemitismus begründet. Harvard-Präsident Alan Garber kritisierte, die Regierung wolle »kontrollieren, wen wir anstellen und was wir unterrichten«.

Nachdem die Universität die Forderungen abgelehnt hatte, legte die Regierung Fördergelder in Milliardenhöhe auf Eis. Zuletzt drohte Trump, Harvard könnte seine Steuervergünstigungen verlieren und wie eine politische Einrichtung besteuert werden. Er wirft der Uni seit Langem eine linke Ideologie vor. Es steht außerdem im Raum, dass Harvard seine Zulassung für internationale Studierende verlieren könnte. Auch das hätte schwerwiegende finanzielle Folgen für die Uni.

[...] Die US-Regierung begründet ihr Vorgehen mit einer angeblich verfehlten »Ideologie« der Uni und Antisemitismus auf dem Campus. Der Vorwurf bezieht sich vorwiegend auf propalästinensische Demonstrationen an US-Universitäten wie Harvard oder der Columbia-Universität in New York seit dem Beginn des Gazakriegs am 7. Oktober 2023. Im März verkündete das US-Bildungsministerium auf dieser Grundlage die Überprüfung der staatlichen Unterstützung für insgesamt 60 Universitäten und Hochschulen.

Harvards Leitung widersetzte sich jedoch – anders als die zahlreicher anderer Universitäten – den Forderungen der Regierung. Dazu gehört, Diversitätsabteilungen zu schließen und die Einwanderungsbehörde beim Durchleuchten der Studenten zu unterstützen. Universitätspräsident Garber erklärte, die Einrichtung verhandele »nicht über ihre Unabhängigkeit oder ihre verfassungsmäßigen Rechte«.

Trump hatte in der vergangenen Woche öffentlich erklärt: »Harvard ist ein Witz, unterrichtet Hass und Dummheit und sollte keine öffentlichen Gelder mehr erhalten.« Die Universität könne nicht länger als eine der besten Hochschulen der Welt gelten ...

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Friedensbewegung | Antifaschist | Kriegstüchtig

Kriegstüchtigkeit im Feuilleton: Weiße Tauben im Visier

Wie mit der Friedensbewegung abgerechnet wird. Statt weißer Friedenstauben soll "robuster Antifaschismus" ans Werk, um Frieden zu erzwingen. Analyse und Kommentar.

Die weißen Tauben sind nicht mehr nur müde. Nein, ein, zwei Zeitenwenden weiter flattern sie nun "nach rechts", glaubt man Johannes Schneider, seines Zeichens (es ist nicht das Peace-Zeichen) "politischer Feuilletonist" bei Zeit und Zeit online.

Schaut man sich seinen aktuellen Artikel aus Anlass seiner ganz persönlichen Abrechnung mit den friedensbewegten Ostermärschen 2025 an, lässt sich festhalten: eher wohl mittlerweile ein militär-politischer Feuilletonist. Sein Text erscheint als ein Paradebeispiel oliv-grüner Kriegsertüchtigung vom Schreibtisch aus. Aber der Reihe nach.

Tief im Westen der alten BRD

Der Autor wählt einen typischen szenischen Einstieg, um das Publikum mitzunehmen:

"In meinem Elternhaus gab es einen alten Schreibtisch, und in dem Schreibtisch gab es eine Schublade."

Tief im Westen der alten BRD fand Schneider hier im Arbeitszimmer der Eltern neben allerhand anderem "Kram" auch Ansteck-Buttons mit Friedenssymbolen wie der weißen Taube auf blauem Grund.

Aber seine Eltern erklärten ihm das Ganze schon damals merkwürdig "rotwangig", also verklärend sehnsuchtsvoll und wohl etwas blauäugig. Jedenfalls weder wirklich cool noch echt realistisch – wir kommen darauf zurück.

Denn die schärfsten Kritiker der Elche waren ja früher oft selber welche, wie es F.W. Bernstein einst auf den kritischen Punkt brachte.

[...] DDR-Kinder-Lied "Kleine weiße Friedenstaube"

Und das DDR-Kinder-Lied "Kleine weiße Friedenstaube", die allen Menschen Frieden bringen möge, ist ganz sicher keine Musik in Schneiders Ohren. Genau dieses Lied wurde übrigens bereits 1990, als der westdeutsche Cornelsen-Verlag den DDR-Verlag "Volk und Wissen" gerade übernommen hatte, aus den Schul- und Liederbüchern gestrichen – sorry, Wikipedia liegt auch hier korrekt auf Linie: Es wird einfach "seit 1990 nicht mehr geführt". Man hätte auch schreiben können: Es wurde gestrichen oder zensiert. So klingt es putzig harmlos.

"Äußerst misstrauisch" jedenfalls war aus gutem Grund nach eigener schlechter Erfahrung mit "robustem" Fronteinsatz auch der Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky (1890 bis 1935).

Vor ziemlich genau 100 Jahren schrieb er, nach seinen Erfahrungen im Ersten Weltkrieg mittlerweile überzeugter Antimilitarist, im August 1925 in der Zeitschrift "Das Andere Deutschland":

Wer im Kriege getötet wurde, ist nicht zu feiern, sondern aufs Tiefste zu bedauern, weil er für einen Dreck gefallen ist.

Wäre das im Lichte der heutigen "Zeit" nur "Breitband-Pazifismus", oder doch schon "Lumpen-Pazifismus"?

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Israel und der korrupte Horrorclown BenJaNimm Netanjahu

Persönliche Loyalität verlangt

Israels Geheimdienstchef erhebt heikle Vorwürfe gegen Netanjahu

Israels Regierungschef und der Leiter des Schin Bet liegen schon länger im Clinch. Jetzt gibt der Geheimdienstchef eine eidesstattliche Versicherung ab, die für Netanjahu einige Brisanz bergen dürfte.

Der israelische Inlandsgeheimdienstchefs Ronen Bar hat in dem seit Wochen andauernden Konflikt mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schwere Vorwürfe gegen den Regierungschef erhoben. Netanjahu habe von ihm persönliche Loyalität verlangt, zitierte die Zeitung "The Times of Israel" aus einer eidesstattlichen Erklärung, die der Leiter des Inlandsnachrichtendienstes Schin Bet bei Gericht eingereicht hatte. Der Ministerpräsident habe gefordert, dass Bar im Falle einer Verfassungskrise ihm gehorche und nicht dem Obersten Gericht.

Bar erklärte in dem Dokument auch, Netanjahu habe ihm mehrfach gesagt, dass er vom Inlandsgeheimdienst erwarte, gegen an Anti-Regierungs-Protesten beteiligte israelische Bürger vorzugehen. Dabei müsse es einen "besonderen Fokus auf die Überwachung der finanziellen Unterstützer der Proteste" geben. Zudem bestätigte er Medienberichte, wonach Netanjahu den Schin-Bet-Chef um Hilfe gebeten habe, um seine Aussage im laufenden Korruptionsprozess zu verzögern.

[...] Netanjahu hatte die Entlassung Bars mit einem "Mangel an Vertrauen" in den Geheimdienstchef begründet. Kritiker werfen Netanjahu vor, sich in der Frage in einem Interessenkonflikt zu befinden. Bars Entlassung löste Massenproteste aus.

Der Schin Bet ermittelt unter anderem gegen Vertraute Netanjahus wegen möglicher illegaler Beziehungen zum arabischen Golfstaat Katar. Das Emirat gehört neben Ägypten und den USA zu den Unterhändlern bei den indirekten Gesprächen mit der islamistischen Hamas, gilt aber auch als Unterstützer der Terrororganisation.

 


21. April


 

Klimaziele | Verkehrspolitik | ÖPNV

Schwarz-rote Verkehrspolitik

"Ein fataler Vorrang fürs Auto"

Der Mobilitätsforscher Helmut Holzapfel sieht im Koalitionsvertrag von Union und SPD einen gewaltigen Rückschritt im Verkehrssektor. Aus Angst vor der AfD würden Fachwissen und Bürgerwünsche ignoriert und die Zukunft der Autoindustrie aufs Spiel gesetzt.

Klimareporter°: Herr Holzapfel, Union und SPD versprechen in ihrer Koalitionsvereinbarung einen "Aufbruch in der Mobilitätspolitik", mit der auch die Klimaziele für 2030 und 2045 erreicht werden sollen. Dazu muss an wissen: 2045 darf der Verkehrssektor kein CO2 mehr ausstoßen.

Der ADAC findet die schwarz-roten Pläne gut, Sie als Verkehrsforscher bezeichnen sie als "ökologische Katastrophe". Warum?

Helmut Holzapfel: Die künftige Koalition zementiert den absoluten Vorrang des Autos vor den anderen Verkehrsmitteln. Also des Zustands, der die großen Probleme verursacht hat, mit denen wir heute zu tun haben – von unwirtlichen Städten bis zum Stillstand beim Klimaschutz.

Union und SPD ignorieren damit die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Gesundheits- und Umweltfolgen falscher Mobilitätspolitik. Das ist ein Schritt zurück in die 1970er Jahre, als man begann, die Städte und das Land auto- statt menschengerecht umzubauen.

Immerhin wollen die künftigen Koalitionäre das Deutschlandticket erhalten, das den öffentlichen Verkehr attraktiver gemacht hat …

Das Deutschlandticket ist einer der wenigen Lichtblicke, auch wenn es eigentlich verbilligt gehört. Für eine solche Maßnahme will die künftige Koalition kein zusätzliches Geld bereitstellen, anders als für die Erhöhung der Pendlerpauschale.

Das Ticket soll ab 2027 "schrittweise und sozialverträglich" teurer werden, obwohl eine Verbilligung den Verkehrsdruck in den Kommunen entlasten würde. Auch ob genügend Mittel bereitstehen, um den ÖPNV gerade auf dem Land auszubauen, steht in den Sternen.

Das würde viele zusätzliche Investitionen erfordern.

Richtig. Aber Geld ist ja offensichtlich da. Es fließt nicht nur in eine höhere Kilometerpauschale, sondern auch in die Förderung des Agrardiesels und die Subventionierung des umweltschädlichen Flugverkehrs inklusive der Regionalflughäfen. Das ist widersinnig ...

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Widerstand | Kampf | Opposition

Mehr Kampfgeist gegen Trump gefordert:

Aufstand der Linken erreicht Parteispitze der US-Demokraten

Mit Trumps Amtsantritt erstarren die US-Demokraten wie vor der Schlange. Aber nicht die Basis, die immer mehr Druck von links aufbaut. Ein junger Co-Vorsitzender der Partei bricht nun eine goldene Regel und kündigt Kampfkandidaturen gegen die alte Garde an.

In Duarte, einer der Vorstädte von Los Angeles, wo der amerikanische Traum von einem Aufstieg in die Mittelschicht von jedem Vorgarten, Auto in der Auffahrt und farbig bemalten Haus lebendig gehalten wird, verhandeln zwei Frauen die Zukunft der US-Demokraten. "Wir müssen einen Konsumboykott starten und so dem Kongress Feuer unter dem Hintern machen", meint die 81-jährige Doris Anderson, politisch aktiv seit den Zeiten John F. Kennedys. "Sie haben den Kontakt zur Basis verloren", kritisiert die 43-jährige Lokalpolitikerin Melissa Taylor die Demokraten eindringlich. "Wir werden auseinandergerissen und reden über Eierpreise!"

[...] "Unsere Zeit läuft ab", sagt die 43-jährige Taylor mit eindringlich erhobener Stimme: "Sie kürzen alles weg, es werden Menschen sterben." Die Auswirkungen der Entscheidungen am anderen Ende der USA, die müssten sie hier vor Ort ausbaden. Etwa, wenn Lebensmittelmarken für Einkommensschwache gekürzt werden sollten.

Drei Monate nach Trumps Amtsantritt ist die Basis der Demokraten vor allem eines: wütend. In den Kongressbüros klingeln die Telefone. Auf Bürgersprechstunden stellen die Wähler ihre Vertreter lautstark zur Rede. Sie fordern mehr Widerstand gegen den Kürzungswahn des Sonderbeauftragten Elon Musk, gegen die geplanten Steuersenkungen für Reiche auf dem Rücken der einkommensschwachen Bevölkerung, die Abschiebungen, den Einfluss der Superreichen, die autoritären Tendenzen des Weißen Hauses. Die Emotionen kanalisieren sich derzeit über den progressiven Flügel der Partei und eine linke, außerparlamentarische Opposition.

[...] Der bisherige Politikstil der gemäßigten Töne, für den auch Joe Biden stand, ist angesichts der Trump'schen Aggressivität offensichtlich nicht gefragt. Erstmals seit Beginn einer jährlichen Umfrage im Jahr 2009 sind mehr Wähler der Demokraten mit der Arbeit ihrer Politiker im Kongress unzufrieden als zufrieden (49 Prozent zu 40 Prozent), haben die Meinungsforscher der Quinnipac University festgestellt. Im vergangenen Jahr waren noch 75 Prozent zufrieden.

"Demokraten bewegen sich zu langsam"

Vieles deutet also darauf hin, dass sich die Demokraten deutlich verändern müssen, um Wahlen gewinnen zu können. Die aktuelle Stimmung in der Partei kennen die Republikaner aus den Jahren vor 2016. Die Unzufriedenheit mit dem Politikstil der eigenen Vertreter trug Donald Trump und seine populistische Politik zweimal bis ins Weiße Haus. Hinter Sanders werden sich die Demokraten nicht mehr versammeln, so viel ist angesichts seines Alters klar. Trotzdem geht es darum, wohin sich die Demokraten bewegen: Orientieren sie sich nach links? Oder rücken sie in Richtung der Republikaner?

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US-Dollar | Souveränität | WeltordnungBRICS

Von der Blocklogik zur Multipolarität – Was BRICS wirklich bedeutet

Zwischen Sanktionen, Stellvertreterkriegen und geopolitischem Wettlauf um Einflusszonen bildet sich eine neue Weltordnung heraus. Doch sie entsteht nicht dort, wo man sie in westlichen Leitmedien verortet, sondern jenseits der Kameraachsen: im globalen Süden, getragen von Staaten, die lange als Empfänger, nie als Akteure galten. Das BRICS-Bündnis ist kein antizipierter Gegenspieler zur NATO, sondern Ausdruck einer leisen, aber tiefgreifenden Emanzipation.

BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) repräsentiert inzwischen über 46 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts und mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Mit der Erweiterung um Länder wie Ägypten, Äthiopien, Iran oder die Vereinigten Arabischen Emirate wird klar: Hier formiert sich eine neue Achse des Selbstbewusstseins. Nicht gegen den Westen, sondern jenseits seiner Vormachtstellung.

Der Westen, vor allem Europa, agiert in einer doppelten Projektion: Einerseits wird BRICS als unförmige Zweckgemeinschaft abgewertet, andererseits als bedrohlicher Block inszeniert, der „unsere Werte“ infrage stellt. Doch wer spricht hier von wessen Werten? Viele der BRICS-Staaten haben ihre Erfahrungen mit IWF-Strukturanpassungsprogrammen, mit westlicher Einflussnahme, mit Sanktionen, mit „Farbigen Revolutionen“, die allzu oft geopolitischen Interessen folgten. Sie wollen nicht länger Teil einer Weltordnung sein, die ihnen ihre Rolle vorschreibt.

Und was, wen BRICS das Undenkbare tut?

Das eigentliche Projekt von BRICS ist nicht militärisch, sondern strukturell: eigene Zahlungssysteme, Rohstoffbündnisse, ein alternatives Kreditinstitut, Handelsabkommen in nationalen Währungen. Es geht um Entkopplung vom Dollar, um wirtschaftliche Souveränität, um politische Handlungsspielräume. Und es geht um Deutungshoheit: Der globale Süden will seine eigene Geschichte erzählen. Nicht als Folie für westliche Fortschrittserzählungen, sondern aus eigener Perspektive.

Was aber, wenn BRICS eines Tages das Undenkbare tut? Wenn ein kollektiver Beschluss gefasst würde: Kein Handel mehr in US-Dollar. Kein Rohöl, kein Getreide, keine seltenen Erden, außer gegen Yuan, Rupien oder Real. Die Weltwirtschaft, wie sie sich seit Bretton Woods strukturiert hat, wäre innerhalb weniger Monate nicht wiederzuerkennen. Die USA könnten ihre gigantischen Defizite nicht mehr durch Geldschöpfung kaschieren. Der Euro wäre gezwungen, sich neu zu positionieren. Der IWF würde zur Nebensache. Die globale Ordnung würde nicht schleichend, sondern eruptiv multipolar werden ...

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Wissenschaft | Entlassungen | Evolution

Forschungsteam zieht Studie über Evolution aus Angst vor Ausweisung zurück

Das Thema Evolution spaltet in den USA Wissenschaft und Religion. Ein Forschungsteam hält nun eine Studie zurück – aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen.

Einige Tage bevor sie gemeinsam eine wissenschaftliche Arbeit einreichen wollten, erhielt ein Evolutionsbiologe in Europa eine unerwartete Anfrage von zwei Co-Autoren aus den Vereinigten Staaten. Nach reiflicher Überlegung erklärten die Co-Autoren, dass sie es vorziehen würden, die Veröffentlichung zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu riskieren. Einer von ihnen hatte gerade seinen Job aufgrund einer gestrichenen staatlichen Förderung verloren, der andere befürchtete ein ähnliches Schicksal, wenn sie die Arbeit veröffentlichen würden.

Obwohl beide sich legal in den USA aufhielten, befürchteten sie, ihre Aufenthaltsgenehmigung zu verlieren, wenn ihre Namen in einem potenziell kontroversen Artikel erscheinen würden. Das Thema: Evolution.

Fast ein Jahrhundert, nachdem ein Lehrer namens John Scopes in Tennessee wegen der Vermittlung der Evolutionstheorie für schuldig befunden wurde, ist die vom britischen Naturforscher Charles Darwin vorgeschlagene Theorie zu einem der Grundprinzipien der modernen Wissenschaft geworden. Doch die letzten Monate waren für die Wissenschaft eine schwierige Zeit.

Schwierige Zeiten für Wissenschaft in den USA

Die National Institutes of Health haben laut einer Klage, die letzte Woche von der American Civil Liberties Union gegen die NIH eingereicht wurde, Forschungsprojekte in vielen Bereichen ins Visier genommen und Fördermittel in Höhe von 2,4 Milliarden Dollar für Projekte gestrichen, die sich unter anderem mit HIV, Covid-19, Geschlechtsidentität, gesundheitlichen Ungleichheiten zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen und Impfskepsis befassen. Entlassungen in den Gesundheits- und Wissenschaftsbehörden des ganzen Landes haben die Forschung beeinträchtigt ...

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INES Kategorie 4 "Unfall" 21. April 1957 (INES 4) Atomfabrik Majak, UdSSR

11 Personen wurden verstrahlt und erkrankten, eine der Arbeiterinnen starb 12 Tage später.
(Kosten ?)

Nuclear Power Accidents
 

Im Laufe der Jahre haben sich in Majak etwa 235 radioaktive Störfälle ereignet, von denen nur wenige bekannt wurden ...

Die Nukleare Kette

Majak/Kyschtym, Russland

Atomfabrik

Die russische Atomindustrieanlage in Majak kontaminierte durch eine Serie von Unfällen und radioaktiven Lecks mehr als 15.000 km² mit hoch radioaktiven Abfallprodukten. Der Kyschtym-Unfall verseuchte 1957 eine große Fläche der östlichen Uralregion. Tausende Menschen mussten umgesiedelt werden. Bis heute zählt die betroffene Region zu den am stärksten kontaminierten Orten der Erde. 

Hintergrund

Die Produktionsgenossenschaft Majak war die erste und, mit einem Gelände von mehr als 200 km², größte Atomindustrieanlage der Sowjetunion. Zwischen 1945 und 1948 wurden an diesem Standort zwischen Jekaterinburg und Tscheljabinsk fünf Atomreaktoren gebaut, um Plutonium für das sowjetische Atomwaffenprogramm herzustellen. Die Anlage wurde kontinuierlich erweitert, bis 1987 die Produktion gestoppt und der Betrieb schrittweise eingestellt wurde. Von 1949 bis 1956 wurden insgesamt 100 PetaBecquerel (Peta = Billiarde) an radioaktivem Abfall in die Zuflüsse der Tetscha geleitet – unter anderem Strontium-90, Cäsium-137, Plutonium und Uran.1 Zum Vergleich: Die radioaktive Belastung des Pazifischen Ozeans durch den Super-GAU von Fukushima schätzt man auf etwa 78 PBq. Zudem kam es in Majak bis 1968 zu mindestens acht kritischen Unfällen ...
 

Wikipedia de

21. April 1957: Kritikalitätsstörfall in Behälter mit hochangereichertem Uran

In einem Behälter, der sich in einem Handschuhkasten befand, sammelte sich zu viel Uran-Lösung, so dass diese kritisch wurde. Der Behälter platzte daraufhin auf und Teile der Lösung liefen in den Handschuhkasten. Eine Arbeiterin erhielt eine Strahlendosis von 30 bis 46 Gray und starb 12 Tage darauf. Fünf weitere Arbeiter im selben Raum wurden mit jeweils über 3 Gray verstrahlt und daraufhin strahlenkrank. Fünf weitere Personen erhielten Dosen von bis zu 1 Gray.

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20. April


 

Frieden | Abrüstung | Ostermarsch

Weitere Ostermärsche am Ostersonntag

Gegen Aufrüstung und Atomwaffen, für Frieden und Völkerverständigung - dafür gingen am Ostersonntag viele Menschen auf die Straße. Für Ostermontag sind weitere Ostermärsche geplant.

Für Frieden und gegen militärische Aufrüstung haben am Ostersonntag Menschen bei zahlreichen weiteren Ostermärschen demonstriert. Aktionen gab es unter anderem in Essen, Halle und Frankfurt (Oder), wie das Bündnis Friedens- und Zukunftswerkstatt mitteilte.

An den ersten Ostermärschen hatten sich in den vergangenen Tagen einige tausend Menschen beteiligt. Das Bündnis sprach "von einer guten, in einigen Städten auch von größerer Beteiligung an den bisher über hundert Veranstaltungen".

Beherrschende Themen der Ostermärsche in diesem Jahr sind die geplante Aufrüstung in Deutschland, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Nahost-Konflikt. Mit den Ostermärschen zeige die Friedensbewegung, dass sie sich "dem Zwangsdenken von Kriegspropaganda, Kriegsdrohungen und Kriegen" verweigere, teilte das Bündnis bereits am Samstag mit.

Kritik an Werbung der Bundeswehr und Wehrpflicht

Auf den Kundgebungen wurden Initiativen der Bundesregierung zur Ächtung und Abschaffung von Atomwaffen, Uranmunition und Landminen gefordert, hieß es weiter. Kritik wurde zudem laut an einer Werbung der Bundeswehr an Schulen, Hochschulen und in Arbeitsagenturen sowie einer Wiedereinführung der Wehrpflicht.

[...] In den vergangenen Jahren beteiligten sich jeweils einige zehntausend Friedensbewegte an den Aktionen. Angesichts der aktuellen Konflikte und Diskussionen um Aufrüstung erwartet das Netzwerk Friedenskooperative in diesem Jahr insgesamt mehr Zulauf.

Zum Abschluss der diesjährigen Ostermärsche sollen am Ostermontag Aktionen unter anderem in Sassnitz auf Rügen, Hamburg, Krefeld, Bochum, Dortmund, Marburg, Darmstadt und Frankfurt am Main stattfinden. Geplant seien zudem ein Gedenkmarsch zum Außenlager des KZ Sachsenhausen in Schwarzheide-Ruhland und eine Kundgebung am Fliegerhorst Büchel in der Eifel.

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Sachsen-AnhaltNeonazis | Security | Quedlinburg

Neonazis im Ordnungsdienst

Antifa allein zu Haus

Quedlinburg in Sachsen-Anhalt ist eine uralte Bilderbuchstadt. Zu ihrem Erbe gehört die rechte Gewalt der 1990er Jahre. Ein Besuch.

Ein kleiner Hund sitzt im Wappen von Quedlinburg. Sein Name ist Quedel, sagt die Legende, und dass er einst die Stadt gerettet hat. Er bellte laut und warnte die Bür­ge­r:in­nen so vor einer nahenden Räuberbande. Aus Dankbarkeit benannten sie die Stadt nach ihm: Quedlinburg.

Das ist viele Hundert Jahre her und vielleicht ist es auch gar nicht passiert. Warum fängt ein Text über An­ti­fa­schis­t:in­nen in einer Kleinstadt im Harz in Sachsen-Anhalt im Jahr 2025 so an? Wer ist der Hund in der Geschichte, wer sind die Bür­ge­r:in­nen, und wer sind die Räuber vor den Toren der Stadt?

[...] Quedlinburg liegt im Ostharz in einem Dreieck mit Wernigerode und Halberstadt. Ein Ort wie aus dem Bilderbuch. Verwinkelte Gässchen, buckeliges Kopfsteinpflaster, sanierte Fachwerkhäuschen in Pastellgelb, Rostrot, Hellgrau, und 20.000 Einwohnende. Der uralte Dom und das Schloss.

Die größte Sehenswürdigkeit ist aber die Stadt selbst. Unesco-Welterbe seit 1994, wegen des großen zusammenhängenden Teils der erhaltenen mittelalterlichen Altstadt, den der Lauf der Geschichte gerade noch vor Abrissplänen der DDR gerettet hat. In Quedlinburg fassen Tou­ris­t:in­nen die Häuser an, weil sie nicht glauben können, dass sie echt sind, heißt es.

[...] Im Landkreis Harz verschwimmen – wie vielerorts in Sachsen-Anhalt – die Grenzen zwischen AfD und Neonaziszene. 2024 standen bekannte Harzer Rechtsextreme auf AfD-Wahllisten. Und in den vergangenen Jahren haben sie Zuwachs aus Westdeutschland bekommen: Seit 2022 sind mehrere Neonazikader um Alexander Deptolla aus Dortmund ins benachbarte Halberstadt gezogen.

Unter seiner Führung habe sich „die zwischenzeitlich orientierungslose rechtsextremistische Szene im Landkreis Harz reorganisiert“, schrieb der Landesverfassungsschutz im Herbst auf eine Anfrage des WDR.

[...] Anfang der 1990er Jahre wurden in Sachsen-Anhalt Hunderte rechter Gewalttaten gezählt. Bis Ende 1994 hatten Neonazis drei Menschen ermordet. Die Zeit war auch in Quedlinburg geprägt von einer rassistischen Grundstimmung: Im September 1992, wenige Wochen nach den Ausschreitungen am Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen, griff ein Mob tagelang eine Unterkunft für Asylbewerber in der Oeringer Straße an, direkt um die Ecke der Reiche.

Damals stellten sich andere Qued­lin­bur­ge­r:in­nen, darunter DDR-Bürgerrechtler:innen, spätere Bürgermeister und Linksautonome, als Mahnwache vor die Unterkunft und den Angreifenden entgegen ...

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RüstungVerteidigung | MiK

German Angst vs. Verteidigungsfähigkeit: Der teure Weg zur Militärmacht"

Deutschland will zu den Top-5-Militärmächten aufsteigen. Die Ausgaben sollen massiv erhöht werden. Doch warum investieren wir Milliarden, wenn eine Studie zeigt, dass die Bundeswehr längst stark ist?

Die Hauptbegründung für viel mehr Geld ist - neben der Behauptung des "Kaputtsparens" (Verweis auf den ersten Teil: Rüstung um jeden Preis) - die Verteidigungsfähigkeit, oder wie es neuerdings heißt: Kriegsfähigkeit.

Das ist ein absoluter Kurswechsel und zeigt, dass es nicht nur um Verteidigung geht. Wie die Bundeswehr wirklich ausgerüstet ist und wie verteidigungsfähig wir sind, steht auf einem anderen Blatt. Eine Studie aus dem Jahr 2023 kommt zu einem gegenteiligen Ergebnis als das, was in der Öffentlichkeit suggeriert wird.

Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Bundeswehr durchaus auf Augenhöhe mit den Armeen Großbritanniens und Frankreichs ist. Aber es gab eine Reihe von, sagen wir, Fehlausgaben. Ich spreche von Lobbydeals, bei denen es nicht in erster Linie um die Verteidigungsfähigkeit ging, sondern um den Profit einiger Unternehmen.

Wenn wir also wirklich nicht gut gerüstet sind, dann sollten wir endlich analysieren, warum das so ist und wohin das viele Geld geflossen ist. Welche Lobbydeals haben stattgefunden, welche unsinnigen und unwirksamen Waffen(systeme) wurden gekauft, welchen Preis haben wir bezahlt? Was brauchen wir wirklich und wie gehen wir mit unseren Partnern um? Analyse und kühles Kalkül sind gefragt, nicht das Schüren von Angst und Panik.

Geht es wirklich um Verteidigung?

Wenn es wirklich vor allem um die Verteidigung geht und die Angst, dass Russland hier angreifen könnte, dann muss man die Gelder und die Ausrüstung in Relation setzen. Deutschland hat jetzt schon, ohne die weiteren Hunderte von Milliarden, die im Raum stehen, etwa 65 Milliarden Euro, das sind über 70 Milliarden US-Dollar. Im internationalen Vergleich läge Deutschland dann in Europa zusammen mit Großbritannien auf Platz 1 - weltweit auf Platz 5 oder 6.

Russland liegt mit rund 110 Milliarden weit abgeschlagen hinter China und noch weiter hinter den USA mit über 900 Milliarden. Das sind die letzten gesicherten Zahlen ...

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UkraineGaza | Sudan

Kriege und Völkerrecht

Kollektivbestrafung als neue Normalität

In Kriegsgebieten wird das Völkerrecht gebrochen. Früher haben Täter ihre Taten noch bestritten, heute rechtfertigen sie sie als Selbstverteidigung.

Sumy, Ukraine, Palmsonntag, 13. April. Am Vormittag fliegt Russland hier den bis dahin tödlichsten Angriff auf die Ukraine in diesem Jahr. Eine Präzisionsrakete des Typs Iskander trifft ein ziviles Gebäude. Als Nothelfer herbeieilen, explodiert über ihnen eine zweite solche Rakete, diesmal mit Streumunition. Mindestens 35 Tote und 120 Verletzte werden am Ende gezählt; die Straßen sind belebt, es finden gerade Gottesdienste statt.

Zamzam, Sudan, Dienstag vor Ostern. US-Wissenschaftler veröffentlichen Satellitenaufnahmen des größten Flüchtlingslagers von Sudan, in dem Hunderttausende Menschen leben, geflohen vor dem Terror der RSF-Miliz in Darfur. Am Palmsonntag hat der Terror sie eingeholt. Die RSF hat Zamzam erobert und großflächig in Brand gesteckt, wie Satellitenbilder zeigen. Viele Menschen werden getötet, Hunderttausende fliehen in die Wüste, ohne Nahrung, ohne Wasser.

Gaza, Aschermittwoch. Ein israelischer Luftangriff am frühen Morgen tötet die renommierte palästinensische Fotografin Fatima Hassouna in ihrem Elternhaus in Gaza-Stadt. Am Vortag erst war der Dokumentarfilm „Put your soul on your hand and walk“ der exilierten iranischen Regisseurin Sepideh Farsi über Hassounas Arbeit in Gaza für das nächste Filmfestival in Cannes ausgewählt worden. Nun ist die Heldin des Films, ohnehin die einzige Überlebende in ihrer Familie, tot, zusammen mit zehn weiteren Menschen in dem Haus.

Die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilpersonen wird nicht nur ignoriert, sie wird für gegenstandslos erklärt

Sumy, Zamzam, Gaza: In allen Fällen ist die internationale Reaktion – nichts. Es gibt vereinzelte Äußerungen des Entsetzens, aber sonst: nichts. Gegen den russischen Raketenterror: nichts. Gegen das Wüten der sudanesischen Kriegsführer: nichts. Gegen die israelischen Angriffe auf Zivilisten: nichts. Man könnte einwenden: Was der Rest der Welt sagt, ist egal. Aber für die Opfer erscheint es so, als seien sie es, die egal sind. Als seien sie: nichts ...

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PFAS | PestizideNaturschutzgebiete

Pestizide verbreiten sich bis auf Berggipfel

Der Wind trägt Spritzgifte auf Spielplätze, in Naturschutzgebiete und bis auf Berggipfel, weist eine Untersuchung nach.

Synthetisch-chemische Pestizide breiten sich über erstaunlich weite Strecken aus. Forschende der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) wiesen dies in einer umfangreichen Studie einmal mehr nach. Die Chemikalien finden sich selbst weg von Äckern, wo niemand mit ihnen rechnet.

In ihrer im Fachmagazin «Communications Earth & Environment» veröffentlichten Arbeit untersuchten die Forschenden aus der Pfalz verschiedene Standorte am Oberrheingraben. Dabei fanden sie Pestizide kilometerweit weg von Stellen, an denen sie angewendet werden.

[...] Von den 93 verschiedenen Wirkstoffen, auf die die Forschenden ihre Proben prüften, fanden sich ausserhalb landwirtschaftlicher Flächen noch immer 63. Das sind mehr als doppelt so viele Wirkstoffe wie im Vinschgau, einem bekannten Apfelanbaugebiet in Südtirol. Der Vinschgau ist für seinen intensiven Pestizideinsatz bekannt.

Die Vielfalt der landwirtschaftlichen Kulturen im Oberrheingraben sei aber auch grösser, kommentieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Bereits im Vinschgau hatte sich herausgestellt, dass Pestizidwirkstoffe weit über die Apfelplantagen hinaus bis in die hohen Alpenregionen gelangen (Infosperber berichtete).

PFAS-Ewigkeitschemikalie am weitesten verbreitet

Die Studie belegt erneut, dass selbst abgelegene Gebiete nicht pestizidfrei sind. Sogar auf dem Feldberg wurden drei verschiedene Wirkstoffe nachgewiesen. Am weitaus häufigsten fand sich das Fungizid Fluopyram, das zu den PFAS gehört. Fluopyram zerfällt zu Trifluoracetat (TFA) – ein PFAS, das im Verdacht steht, gesundheitsschädlich zu sein, und zunehmend das Wasser verschmutzt (Infosperber berichtete).

[...] Unterschätzter Cocktail-Effekt

Die Forschenden aus Landau haben in fast allen Proben Gemische aus mehreren Stoffen entdeckt. Dieser Cocktail-Effekt ist womöglich besonders schädlich. «Pestizidcocktails sind besonders problematisch, da Wechselwirkungen auftreten und sich Effekte verstärken können», sagt der Ökotoxikologe Carsten Brühl, einer der Co-Autoren. Bei der Zulassung werde aber nach wie vor jede Chemikalie einzeln bewertet.

Die Studienautorinnen und -autoren fordern, den Pestizideinsatz dringend zu reduzieren, um die Gebiete rund um Äcker, Weinberge und Obstplantagen und damit die Gesundheit der Menschen und die Umwelt zu schützen.

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KlimaschutzFossil | Lobby

Lauer Klimaschutz, fluchterzwingende Hitze und die Freiheit der Wissenschaft

Beschränkt die US-Regierung die Freiheit der Wissenschaft, läutet sie den Niedergang des Landes ein, sagt Hartmut Graßl, Physiker und Meteorologe und Mitglied des Herausgeberrats von Klimareporter°. Als Europäer freue ihn das nicht, weil die USA so viel neues Wissen geschaffen haben wie alle Länder Europas zusammen.

Klimareporter°: Herr Graßl, der schwarz-rote Koalitionsvertrag bringt für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zu wenig, kritisieren Umwelt- und Sozialverbände. Beim Auto gebe es sogar klimapolitische Rückschritte. Können Sie sich an eine Bundesregierung erinnern, die jemals genügend für den Klimaschutz getan hat?

Hartmut Graßl: Alle Koalitionsparteien haben in ihren Reihen noch immer viele Lobbyisten für fossile Brennstoffe – für Kohle überwiegend in der SPD, für Erdöl stärker in CDU und CSU. Da überrascht es mich überhaupt nicht, dass der Koalitionsvertrag beim Thema Klimaschutz – im Vergleich zur Ampelkoalition – lau daherkommt.

Glücklicherweise stimmt noch wenigstens die Grundrichtung hin zu den erneuerbaren Energien. Auch fehlt, anders als im Wahlkampf, das Wort Kernenergie. Würde beispielsweise die AfD mitreden dürfen, wäre Klimaschutz in Deutschland, wie durch die Trumpisten in den USA, beendet.

Hilfreich für den Klimaschutz in den kommenden vier Jahren wird die von den Grünen noch im alten Bundestag in letzter Minute erreichte Umschichtung im Bundeshaushalt sein. In der Opposition kann die Partei daher eine überdurchschnittlich starke Rolle spielen.

Ein Grundproblem bei Investitionen den Klimaschutz bleibt aber unabhängig von jeder Koalition: Heute erzielte Emissionsminderungen bei Treibhausgasen bremsen die globale Erwärmung erst in Jahrzehnten, wegen der Verzögerung durch die langsam reagierenden Ozeane und Eisschilde. Deshalb hat bisher keine Regierung genügend für den Klimaschutz getan.

Deshalb werden die Kinder oder Enkel der heutigen Politiker auf ihre Ahnen schimpfen, weil deren Klimaschutz zu lau war. Allein schon die unerträglichen Hitzewellen zwingen dann so viele Menschen zur Flucht, dass die Migration ein bisher nicht gekanntes Ausmaß erreicht. Fehlender oder zögerlicher Klimaschutz durch die heutige zu lasche Politik tötet dann noch viel mehr Menschen.

Der Klimawandel trifft Europa besonders stark. Daten des Copernicus-Klimadienstes der EU zeigen schon länger, dass kein Kontinent sich schneller erwärmt. Das vergangene Jahr bestätigte nun den Trend. 2024 war in Europa das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Überraschen Sie diese Daten noch – und sollten wir das Pariser 1,5-Grad-Ziel nicht endlich als gescheitert ansehen?

Europa ist ein besonders weit vom Äquator entfernt liegender Kontinent, sodass er sich bei mittlerer globaler Erwärmung etwas stärker als die anderen bewohnten Kontinente erwärmt. Denn Gebiete hoher geografischer Breiten erwärmten sich auch in der Klimageschichte immer schon stärker als alle anderen Regionen.

Zusätzlich ist die früher über Europa wegen der hohen Industrialisierung besonders starke Lufttrübung inzwischen geringer als zum Beispiel über großen Teilen Asiens. Dadurch hat die erfolgreiche europäische Luftreinhaltepolitik seit etwa 40 Jahren auch zu dieser jetzt beklagten Situation beigetragen. Wir hätten schon früher auch die Treibhausgase und nicht nur die Sonnenlicht zurückstreuenden und die Luft trübenden Aerosolteilchen reduzieren müssen ,,,

 


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Aktuelles+

20. April 2025

PhilippinenRechtsstaatJournalismusIStGHJustitiaAutokrat und Horrorclown Rodrigo Duterte

"Du weißt nicht, wer du wirklich bist, bis du dich verteidigen musst"

Die Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa hat erlebt, wie ein autoritärer Herrscher eine Demokratie demontierte. Und sie weiß, wie man ihn zur Rechenschaft ziehen kann.

Sie ist Journalistin, Tech-Unternehmerin und eine zähe Optimistin. Maria Ressa erhielt den Nobelpreis für ihren kritischen Journalismus in der Zeit der autoritären Herrschaft von Rodrigo Duterte auf den Philippinen. Auch nach dem Ende seiner Präsidentschaft schien Duterte unantastbar. Bis er im März überraschend nach Den Haag ausgeliefert wurde und nun im Gefängnis auf seinen Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof wartet – wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das ist Anlass genug, mit Maria Ressa über ihr Werk und die Weltlage zu diskutieren. Das Gespräch ist hier in Ausschnitten wiedergegeben.

ZEIT ONLINE: Maria Ressa, wie lebt es sich nun auf den Philippinen?

Maria Ressa: Manila ist meine Heimat, aber ich verbringe viel Zeit in den USA, seit ich Journalismus an der Columbia-Universität lehre. Ich muss den Obersten Gerichtshof auf den Philippinen allerdings jedes Mal um Erlaubnis bitten, bevor ich in die USA reise.

Im Hintergrund ist durch ein Fenster die Skyline von Manhattan zu sehen.

ZEIT ONLINE: Warum?

Ressa: Zwei von den Prozessen, die der frühere Präsident Rodrigo Duterte und seine Vertrauten gegen mich angestrengt haben, werden bis heute weitergeführt, einer inzwischen in der letzten Instanz.

ZEIT ONLINE: Was droht Ihnen schlimmstenfalls?

Ressa: In einem Fall könnten es bis zu sieben Jahre Haft sein. Da geht es um eine angebliche Verletzung eines Gesetzes gegen Cyberverbrechen.

Duterte hat von 2016 bis 2022 als Präsident über die Philippinen geherrscht. In dieser Zeit haben Polizei und nicht staatliche Schwadronen mehrere Zehntausend Menschen getötet, viele davon, weil sie tatsächlich oder angeblich mit Drogenhandel zu tun hatten. Maria Ressa hatte damals schon ein Onlinemedium namens "Rappler" aufgebaut. Die Reporterinnen und Reporter von "Rappler" recherchierten die Umstände, unter denen Menschen zu Tode kamen, ließen deren Familien zu Wort kommen – und sie fanden Whistleblower, die ihnen offenbarten, wie systematisch und bewusst die Grundrechte der Philippiner verletzt wurden.

ZEIT ONLINE: Der Internationale Strafgerichtshof hat seinen Haftbefehl auf mindestens 43 Morde gegründet, für die Rodrigo Duterte verantwortlich sein soll. Haben die Recherchen von Rappler die Grundlage dafür geliefert?

Ressa: Das weiß ich nicht. Die Anklageschrift ist noch nicht öffentlich. Aber die Beweise liegen seit Jahren offen zutage. Wir haben bei Rappler ganze Artikelserien über die Ereignisse veröffentlicht.

ZEIT ONLINE: Wie hoch war das persönliche Risiko für Sie damals?

Ressa: Es gab Zeiten, in denen ich nicht wusste, ob ich überleben werde.

ZEIT ONLINE: Was würden Sie im Rückblick sagen: Welchen Einfluss hat diese Zeit auf Sie als Mensch gehabt?

Ressa: Ich sage immer wieder: Du weißt nicht, wer du wirklich bist, bis du dich verteidigen musst. Letztlich hat mir Rodrigo Duterte einen klaren Blick darauf ermöglicht, wer ich als Mensch bin und wie weit ich als Journalistin zu gehen bereit bin.

Seit dem Jahr 2015 sah sich Maria Ressa mit einer wachsenden Zahl von Verfahren und Prozessen konfrontiert. Sie richteten sich gegen ihr Unternehmen und sie selbst. Mal waren es Vorwürfe der Steuerhinterziehung, mal ging es um die Behauptung, "Rappler" sei im Besitz eines ausländischen Eigentümers. Diese Vorwürfe sind inzwischen fallen gelassen worden. Aber die Klage wegen angeblicher Cyberkriminalität ist noch anhängig, obwohl die Recherche von "Rappler", auf die sich die Staatsanwaltschaft bezieht, veröffentlicht wurde, bevor das angeblich dadurch verletzte Gesetz in Kraft war.

ZEIT ONLINE: Sie sind gerade in New York. Wenn Sie mit Ihren Erfahrungen auf die USA blicken: Was ist der erste Gedanke, der Ihnen kommt?

Ressa: Ich denke, dass viele US-Amerikaner ihre Freiheit bisher nie verteidigen mussten – und nun nicht wissen, wie.

ZEIT ONLINE: Ist das nicht ein zu harsches Urteil?

Ressa: Ich fürchte, wir sehen tatsächlich eine Philippinisierung der USA. Es ist, als würde ich ein zweites Mal durchleben, was auf den Philippinen unter Duterte geschehen ist.

ZEIT ONLINE: Aber Moment mal. Was genau meinen Sie? Auf den Philippinen wurden in dieser Zeit mehrere Zehntausend Menschen getötet. Das kann man doch nicht mit den USA vergleichen!

Ressa: Nein, natürlich nicht. Ich meine etwas anderes.

ZEIT ONLINE: Was genau?

Ressa: Präsident Duterte hat unsere Institutionen zerstört. Der philippinische Staat und unsere Verfassung, unsere Bill of Rights, sind nach dem Vorbild der USA aufgebaut. Wir haben drei gleichberechtigte staatliche Gewalten: Regierung, Parlament und Justiz. Und Duterte hat diese Balance zerstört. Innerhalb von sechs Monaten wurde er zum mächtigsten Herrscher, den unser Land je hatte. Einen ähnlichen Prozess sehe ich nun in den USA. Schauen Sie sich die Drohungen und die sich häufenden Fälle an, in denen Anwälte, Medien, Nichtregierungsorganisationen und die Wissenschaft finanziell unter Druck gesetzt werden. An wen sollen sich die Bürger denn wenden, wenn sie Gerechtigkeit wollen? Was ich also sehe? Der Rechtsstaat wird beschädigt.

"Im Hier und Jetzt haben Menschen ihre Rechte und Freiheit eingebüßt"

ZEIT ONLINE: Nicht alle Medien lassen sich knebeln. Beim sogenannten Signalgate hat der Atlantic darüber berichtet, wie enge Trump-Vertraute über den Einsatz der US-Armee gegen die Huthi-Rebellen chatteten. Und ob die US-Gerichte klein beigeben oder die Regierung von Donald Trump ein Urteil dauerhaft ignorieren wird, das ihr nicht passt, ist nicht entschieden. Letzteres wissen wir erst in Wochen oder Monaten.

Ressa: Ich hoffe wirklich, dass ich unrecht habe. Aber denken Sie an Kilmar Ábrego García aus Maryland, der immer noch in einem Gefängnis in El Salvador sitzt, weil er zu Unrecht für ein Mitglied einer Drogenbande gehalten wurde. Oder kennen Sie den Fall der türkischen Studentin, die ein gültiges Visum hatte und plötzlich von maskierten Männern festgenommen und in ein Gefängnis in Louisiana gebracht wurde? Lassen Sie es mich so sagen: Die drei staatlichen Gewalten arbeiten in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die Exekutivgewalt des Präsidenten wirkt sofort, und kurzfristig könnte ihn nur das Parlament aufhalten. Aber was, wenn das Parlament ihn gewähren lässt? Dann bleibt nur die Justiz, und sie ist bekanntlich die langsamste staatliche Gewalt. Und das bedeutet: Im Hier und Jetzt haben Menschen ihre Rechte und ihre Freiheit eingebüßt.

ZEIT ONLINE: Wenn Sie mit Ihren amerikanischen Freunden sprechen oder mit Kollegen, was raten Sie ihnen?

Ressa: Sie können es sich nicht leisten, geschockt zu sein und zu schweigen. Schweigen bedeutet Zustimmung. Und an jedem Tag, an dem sie ihre Rechte nicht verteidigen, verlieren sie dieselben. Meine Erfahrung ist: Es kostet wahnsinnig viel Energie, sich ein Recht zurückzuerobern, das man einmal verloren hat.

ZEIT ONLINE: Inzwischen hat der Supreme Court geurteilt, dass ein Bundesrichter die Deportation von vermeintlichen und tatsächlichen Gangmitgliedern nach El Salvador nicht blockieren darf, die Beschuldigten aber ein ordentliches Verfahren in dem Bundesstaat hätten bekommen müssen, in dem sie sich aufgehalten haben.

Ressa: Ich würde das Urteil so interpretieren, dass sich der Oberste Gerichtshof auf die Seite von Trump geschlagen hat.

ZEIT ONLINE: Aber die liberale Bürgerrechtsorganisation ACLU hat das Urteil zumindest als Teilerfolg gewertet.

Ressa: Letztlich sitzt der unschuldige Mann aus Maryland immer noch im Gefängnis in El Salvador …

Inzwischen behauptet US-Präsident Donald Trump, er könne ihn nicht zurückholen, das läge in den Händen des Präsidenten von El Salvador.

… und das erinnert mich eben an die Philippinen. Die Rechte von Einzelnen werden verletzt, und das Unrecht dauerte an, aus Sekunden wurden Minuten, aus Minuten wurden Stunden, dann Tage. Auf den Philippinen hat die Senatorin Leila de Lima sieben Jahre lang zu Unrecht im Gefängnis gesessen, weil sie sich mit Duterte angelegt hatte. Wir dürfen uns mit so etwas nicht abfinden, und ich habe insgesamt den Eindruck, dass in vielen Ländern dieser Welt der Rechtsstaat gerade infrage gestellt und beschädigt wird.

ZEIT ONLINE: Zugleich haben die Philippinen vor wenigen Wochen auf einen internationalen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs reagiert und den früheren Präsidenten Rodrigo Duterte festgesetzt und nach Den Haag ausgeliefert.

Ressa: Die Frage ist in vielen Ländern der Welt, ob das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit gilt, und die Philippinen haben dazu jetzt Ja gesagt. Es kann einem dabei der seltsame Gedanke kommen, dass die Philippinen in dieser Frage im Moment verlässlicher wirken als die USA.

Der Verhaftung von Rodrigo Duterte ging ein politischer Machtkampf zwischen der Familie von Duterte und der des aktuellen Präsidenten Ferdinand Marcos Jr. voraus. Die Tochter von Rodrigo Duterte, Sara Duterte, ist aktuelle Vizepräsidentin und war mit Marcos gemeinsam zur Wahl angetreten. Dies galt als Arrangement, welches die Macht der Familie Duterte sichern, aber zugleich die Verfassung wahren sollte, der zufolge ein Präsident nur zwei Wahlperioden lang regieren kann. Doch dann drohte Sara Duterte im vergangenen November damit, den aktuellen Präsidenten, dessen Frau und einen Cousin töten zu lassen. Vier Monate später wurde ihr Vater nach einer Auslandsreise festgesetzt und unmittelbar nach Den Haag ausgeliefert.

ZEIT ONLINE: Was bedeutet es für die Philippinen, für die Weltöffentlichkeit, wenn Duterte sich nun vor Gericht verantworten muss, als erster autoritärer Herrscher aus Asien überhaupt?

Ressa: Es wird dazu beitragen, das Vertrauen der Angehörigen der Opfer in den Rechtsstaat zu erneuern. Und die Verhaftung sendet eine Botschaft über die Philippinen hinaus: Niemand kann sicher sein, straflos davonzukommen, auch ein autoritärer Herrscher nicht.

"Man braucht weite Teile der Bevölkerung, um etwas zu erreichen"

ZEIT ONLINE: Nach Ihrem letzten Buch, dem Weltbestseller How to Stand Up to a Dictator, könnten Sie nun als Nächstes vielleicht "How to Jail a Dictator" schreiben. Anders gefragt: Was braucht es, um einen autoritären Herrscher zur Rechenschaft zu ziehen?

Ressa: In einem Zeitalter exponentiell zunehmender Lügen stellt sich die Frage für jeden Einzelnen, was sie oder er bereit ist, für die Wahrheit zu opfern. Und Opfer sind erforderlich, so viele Opfer, um die Beweise zu sichern, die Fakten zu dokumentieren, um an den Punkt zu kommen, an dem wir jetzt auf den Philippinen sind. Insofern habe ich auch gelernt, dass man weite Teile der Bevölkerung braucht, um etwas zu erreichen.

Der frühere Präsident Rodrigo Duterte verteidigt sich in Den Haag damit, dass er seinen "Krieg gegen Drogen" zum Wohl des philippinischen Volkes geführt habe, dass sein brutales Vorgehen ein Dienst an der Allgemeinheit gewesen sei. In einer ersten Anhörung bezeichnete sein Anwalt die Auslieferung als "Kidnapping". Der Internationale Strafgerichtshof mache sich zum Gehilfen einer innerphilippinischen Auseinandersetzung. Der Prozess gegen Duterte soll im September beginnen.

ZEIT ONLINE: Sie sind weiterhin Chefin des Onlinemediums und Tech-Unternehmens Rappler. Worauf konzentrieren Sie sich dort gerade?

Ressa: Wir haben eine eigene sichere App für unseren Journalismus und unsere Leser auf Grundlage des Matrix-Protokolls entwickelt.

Das sogenannte Matrix-Protokoll ist ein Programmierstandard für eine sichere Kommunikation übers Internet, das von einer gemeinnützigen Organisation in Großbritannien entwickelt wurde. Die Technik baut auf einer dezentralen Infrastruktur auf, das heißt, Matrix-Anwendungen fallen nicht aus, wenn ein Knotenpunkt ausfällt (oder abgeschaltet wird). Es macht die Technik besonders robust. Sie wird inzwischen unter anderem von der französischen Regierung eingesetzt, von der Bundeswehr und auch im deutschen Gesundheitswesen von der Gematik, dem Unternehmen, das die Einführung der elektronischen Patientenakte übernehmen soll.

ZEIT ONLINE: Warum sollte ein Medienunternehmen eine solche Technologie benutzen?

Ressa: Wir mussten erkennen, dass wir den großen Plattformen nicht trauen können. Sie kümmern sich nicht mehr um die Integrität von Informationen, die Glaubwürdigkeit von Journalismus. Politische Öffentlichkeit, die auf den Plattformen aufbaut und stattfindet, ist korrumpiert. Sie ist kaputt, weil die Tech-Unternehmer sie aus Profitgründen manipulieren. Ich erinnere nur daran, dass Meta kürzlich den Faktencheck in den USA abgeschafft hat. Von X, früher Twitter, müssen wir gar nicht reden. Deshalb müssen wir uns als Medium technisch unabhängig machen von den Konzernen.

ZEIT ONLINE: Deshalb bauen Sie nun Ihre eigene Infrastruktur?

Ressa: Das ist unser Ziel.

ZEIT ONLINE: Um Rappler zu zitieren: Sie versprechen Ihren Leserinnen und Lesern, dass sie sich in der App äußern, Fragen stellen und auch Hinweise geben können, ohne dass US-amerikanische Tech-Konzerne die Regeln vorgeben – und ohne von Desinformationen überhäuft zu werden. Sie schrieben beim Start vor einem Jahr, es ginge darum, eine "gemeinsame Wirklichkeit" zu erzeugen, gemeinsam mit Ihrem Publikum.

Ressa: Und wir hoffen, dass andere Medien es uns gleichtun und über die Zeit ein internationales Netzwerk von Onlinemedien auf der technischen Basis des Matrix-Protokolls entsteht, das unabhängig von den großen Plattformen ist. Ihre Redaktion könnte auch einmal darüber nachdenken.

 


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Hintergrundwissen

Die Karte der nuklearen Welt

Gewinner werden sein ... Menschen, die bereit sind für die Demokratie zu kämpfen!

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Die "Interne Suche"

PhilippinenRechtsstaat | IStGH

12. April 2025 - Internationale Strafverfolgung - Ein Schlag gegen das Völkerrecht

28. März 2025 - Reporter ohne Grenzen kritisiert Israels Angriffe auf Journalist:innen

9. Februar 2025 - Absage an Gewaltenteilung? Trump-Vize Vance attackiert Gerichte in den USA

26. November 2024 - G7 will bei Haftbefehl gegen Netanjahu Verpflichtungen einhalten

22. September 2024 - Bürokratieentlastungsgesetz: Steuerhinterziehung erleichtert?

1. Juli 2024 - Investoren-Klagen - Geheimtribunale greifen immer häufiger Klimapolitik an

29. Juni 2024 - Der CIA-Mordplan gegen Assange, Mike Pompeo und das Recht der Mächtigen

15. Mai 2024 - Die Freiheit schwindet und die Repression nimmt weltweit zu
 

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Die Suchmaschine Ecosia pflanzt Bäume!

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https://www.ecosia.org/search?q=Rechtsstaat

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Bundeszentrale für politische Bildung

Internationaler Strafgerichtshof (IStGH)

Warum gibt es diesen Gerichtshof?

Wer ein Verbrechen begeht, wird vor Gericht gestellt und verurteilt. Sehr viel schwieriger aber ist es, ein Verbrechen zu bestrafen, das im Auftrag eines Staates begangen wurde. Oft schon wurden große Grausamkeiten in einem Krieg verübt und die Täter kamen davon. Die UNO entschied deshalb 1998, den Internationalen Strafgerichtshof, abgekürzt IStGH, einzurichten. Seit 2002 arbeitet er im holländischen Den Haag. Der Strafgerichtshof arbeitet zwar mit der UNO zusammen, er ist aber eine unabhängige internationale Organisation.

Aufgaben

Hauptaufgabe des IStGH ist die Verfolgung und Bestrafung schwerster Verbrechen von internationaler Bedeutung. Dazu gehören Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Wenn ein Land ein anderes Land grundlos angreift, also einen Angriffskrieg führt, dann wird der Gerichtshof tätig. Angeklagt werden können nur Personen, die aus einem Land kommen, das die Arbeit des IStGH unterstützt. Das sind derzeit 124 Staaten der Welt, die EU-Länder gehören dazu. Die USA haben erklärt, dass sie mit dem IStGH nicht zusammenarbeiten wollen. Auch China, Indien, Israel, Kuba, Russland, Pakistan und andere Staaten haben ihn noch nicht anerkannt. Die erste Verhandlung vor dem IStGH fand im Januar 2009 gegen den kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga statt. Er soll unter anderem Kindersoldaten zum Kriegseinsatz gezwungen haben.

Unterschied zum Internationalen Gerichtshof

Vor dem Internationalen Gerichtshof werden Konflikte zwischen verschiedenen Staaten verhandelt. Vor dem Internationalen Strafgerichtshof wird gegen einzelne Verantwortliche dieser schweren Verbrechen verhandelt und geurteilt.
 

Rechtsstaat

Der Staat muss die Gesetze beachten

"Rechtsstaat" ist die Bezeichnung für einen Staat, in dem alles, was der Staat tut, nach den Regeln der Verfassung und nach den geltenden Gesetzen erfolgen muss. Alle Einrichtungen des Staates, alle die Ämter im Staat innehaben, zum Beispiel die Polizei oder Richterinnen und Richter, müssen sich an diese Regeln halten. In Deutschland ist das Grundgesetz unsere Verfassung. Es ist das wichtigste Regelbuch. Darin steht am Anfang, dass der Staat die Würde jedes Menschen achten und schützen muss. In einem Rechtsstaat sollen sich die Bürgerinnen und Bürger darauf verlassen können, dass ihre Rechte vom Staat geschützt werden. Das Handeln des Staates muss das Ziel haben, dass es im Staat gerecht zugeht.

Gewaltenteilung

Die Macht im Staat ist geteilt. Die Gesetze werden von den Parlamenten gemacht. Die "vollziehende Gewalt" (man sagt in der Fachsprache auch "Exekutive") wendet die Gesetze an. Die Link hat Vorschau-PopupInterner Link: Gerichte
kontrollieren, ob dabei die Gesetze eingehalten werden. Die Gerichte sind unabhängig. Niemand darf ihnen vorschreiben, welche Entscheidung sie treffen müssen.

Der Gegensatz zum Rechtsstaat

Der Gegensatz zum Rechtsstaat ist ein Polizeistaat oder eine Diktatur. Dort schützt der Staat nicht die Freiheit und Gleichheit der Menschen. In einem Polizeistaat oder einer Diktatur bestimmen die Machthaber die Regeln, die im Staat gelten. Es gibt keine unabhängigen Gerichte, vor denen die Menschen für ihre Rechte kämpfen können, und keine freien Wahlen. In Diktaturen herrschen Willkür und Rechtlosigkeit.
 

Wikipedia de

Philippinen#Politik

Am 11. Februar 1987 trat eine neue Verfassung in Kraft und seit 1987 sind die Philippinen wieder eine Präsidialrepublik. Der Präsident hat weitreichende exekutive Befugnisse. Er beruft das Kabinett ein. Der Kongress besteht aus Repräsentantenhaus und Senat. Es besteht de jure Wahlpflicht.

Die philippinische Politik ist sehr personenbezogen, so dass Parteien keine so große Rolle spielen. Viele philippinische Politiker gehören einer politischen Dynastie an: So ist zum Beispiel Macapagal-Arroyo die Tochter des ehemaligen Präsidenten Diosdado Macapagal oder der Sohn von Ferdinand Marcos, Ferdinand Marcos Jr., auch Bong-Bong genannt, Gouverneur der Heimatprovinz seines Vaters, Ilocos Norte, und der Sohn des ehemaligen Präsidenten Ramon Magsaysay, Ramon Magsaysay jr., ist Senator. Popularität und regionale Zugehörigkeitsgefühle zählen oft viel mehr als Sachthemen. In den letzten Jahren sind viele Schauspieler, ehemalige Basketballstars und ähnliche Medienpersönlichkeiten in die Politik gegangen.
 

Rodrigo Duterte

Von Juni 2016 bis Juni 2022 war er Präsident der Philippinen. Von 1988 bis 1998, von 2001 bis 2010 und erneut ab 2013 war er Bürgermeister der Millionenstadt Davao City auf Mindanao. Er gewann als Kandidat der Demokratischen Partei der Philippinen – Macht des Volkes (Partido Demokratiko Pilipino – Lakas ng Bayan, PDP-Laban) die Präsidentschaftswahl im Mai 2016. Seit 2018 laufen gegen ihn Ermittlungen am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Im März 2025 wurde Duterte in Manila aufgrund eines internationalen Haftbefehls von den philippinischen Behörden festgenommen und nach Den Haag gebracht ...
 

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YouTube

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In dieser Playlist finden sich über 150 Videos zum Thema Atom*

 


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Newsletter XVI 2025 - 13. bis 19. April

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