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Die THTR-Rundbriefe aus 2006

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THTR Rundbrief Nr. 109, Nov. 2006


Drama in drei Akten

NRW-Arbeitsgruppe soll zukünftige THTR-Forschung vorbereiten

Wer kennt das Bedürfnis nicht? Endlich mal Ruhe zu haben und von bestimmten nervenden politischen Problemen nichts mehr zu hören und nichts mehr zu sehen?? Ganz besonders nichts vom derzeit arg umstrittenen und umkämpften THTR-Pleitereaktor, der im Begriff ist, zu neuem Leben erweckt zu werden.

Da kenne ich einen guten Tipp für diejenigen, die von all dem nachrichtenmäßig absolut nichts mitbekommen wollen – selbst dann nicht, wenn sich der Deutsche Bundestag mit fast kompletter Minister- und Politprominenz als Redner auf 22 (!!) Protokollseiten zum großen Schlagabtausch über die Zukunft unserer Hammer Spitzentechnologie zusammenfindet: In unserer allseits beliebten Hammer Lokalzeitung "Westfälischer Anzeiger" steht darüber garantiert kein einziges Wort; man spart sich die ganze Aufregung und erfährt von alldem nichts. Das schont die Nerven und man müsste dieser Zeitung eigentlich noch einen kleinen Wellness- und Entspannungsobulus extra zukommen lassen, dass sie uns mit dererlei Ungemach so rücksichtsvoll in Ruhe lässt.

Denn so eine Zurückhaltung ist keineswegs selbstverständlich. Für eine recht konservative Zeitung wäre es doch ein Genuss darüber zu berichten, wie die ehemalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn nach einer flammenden Anti-THTR-Rede (übrigens: fast alles aus unserer Homepage "übernommen") flugs den Plenarsaal verlässt und anschließend mit süffisanten Anmerkungen der CDU bedacht wird.

Die hochgeschätzten Parlamentarier lesen natürlich nicht ohne Grund lieber den weltoffenen und gutinformierten THTR-Rundbrief, wenn es um den Reaktor geht und nicht so ein hinterwäldlerisches Provinzblatt wie den WA. Die Debatte im Bundestag ist allerdings auch uns erst dadurch aufgefallen, weil in den drei Tagen zuvor mehrere Hundert BesucherInnen mehr als durchschnittlich auf unserer Homepage surften, um dort abzuschreiben (SPD, Grüne: warum nicht schon früher, als ihr noch an der Regierung wart?) oder um sich mit Grausen abzuwenden (FDP, CDU).

Aber wie das so ist, wenn Parlamentarier viel reden, Sinnvolles kommt dabei nicht heraus, wie wir noch sehen werden. Das Drama in drei Akten, von dessen Kunde uns der WA so fürsorglich verschont hat, beginnt:

I. Die Akteure betreten die Bühne

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Nach dem zweiten Vorstoß von NRW-Forschungsminister Pinkwart und der wohlwollenden Schützenhilfe von NRW-Wirtschaftsministerin Thoben für eine verstärkte Förderung des THTR´s in NRW gewinnt die nukleare Debatte in einigen parlamentarischen Gremien und Ministerien immer mehr an Fahrt.

Am 28. 6. 2006 debattierte der Deutsche Bundestag über die möglicherweise ganz neue Zukunft des THTR. Das immerhin 22 Seiten lange Protokoll mit teilweise äußerst entlarvenden Beiträgen einiger Redner (und Zwischenruf-Schreihälsen) ist nachzulesen unter www.kotting-uhl.de/reden. Bundesumweltminister Gabriel, Frau Höhn und Flach kamen unter anderem hier ausführlich zu Wort.

Eine neue Atom-Arbeitsgruppe hat nach TAZ-NRW-Berichten vom 3. August 2006 Beatrix Vierkorn-Rudolph vom Bundesministerium für Bildung und Forschung angekündigt. Sie soll zukünftige nukleare Forschungsaufgaben des Forschungszentrums Jülich sondieren, das bisher intensiv zum THTR geforscht hat. Vor zwei Jahren wurden solcherlei Absichten von der gleichen Person noch vehement in Abrede gestellt. Die Zeiten ändern sich offensichtlich. Um es genau zu wissen, haben wir eine Anfrage gestellt.

Im Kern geht es darum, dass die zur Debatte stehende Analyse der "Atomforschungskapazitäten in Jülich" jeglicher materiellen Grundlage entbehrt, weil die in Frage kommenden (Forschungs-)Reaktoren nicht mehr existieren – also die Sicherheitstechnik nicht mehr vorhandener Reaktoren auch nicht mehr verbessert werden könnte. Es sei denn, man will das bestehende Ausstiegsgetz brechen, neue Reaktoren bauen und sich damit strafbar machen, wie es Bundesumweltminister Gabriel in der Parlamentsdebatte bemerkenswert klar ausdrückte.

Noch am 20. 7. 2004 schrieb Beatrix Vierkorn-Rudolph vom Bundesministerium für Bildung und Forschung der Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm: "Das Forschungszentrum Jülich beabsichtigt keine Weiterentwicklung der HTR-Linie, eine Förderung mit Bundesmitteln erfolgt nicht. Das Forschungszentrum Jülich verfolgt auch keine Intensivierung dieser Forschungslinie auf EU-Ebene."

Das scheint inzwischen Schnee von gestern zu sein. Dieselbe Person verkündete als Mitglied des Aufsichtsrates im FZJ am 3. 8. 2006 in der TAZ die Gründung einer neuen Arbeitsgruppe: "Wir werden in dieser Gruppe erarbeiten, in welcher Form Atomforschungskompetenzen in Jülich genutzt werden können."

Offensichtlich bereitet Pinkwart, dessen NRW-Ministerium nur 10 % der Anteile am FZJ gehören, einen gezielten Vertragsbruch vor: Das "Atomausstiegsgesetz" soll missachtet werden, damit dieser habilitierte Chaosforscher seine ganz eigene Vision von einer Verbindung der HTR-Technologie mit Wasserstoffwirtschaft verwirklichen kann. Wie lange darf Pinkwart auf der Nase von Bundesumweltminister Gabriel herumtanzen?? Wie verhält sich die große Koalition dazu?

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm hat in einem Brief an das Bundesministerium für Bildung und Forschung nachgefragt. 

II. Die Gier der Nukleardemokraten

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Umweltministerin Thoben und Forschungsminister Pinkwart machen sich Sorgen, dass dieses große, sechzigjährige Energieland nichts mehr hat, womit es sich bei RWE und Konsorten einschmeicheln könnte und sie mit ein paar Milliarden Euro für einen neuen Pleitereaktor bei strahlender Laune halten kann – wie es damals beim THTR in Hamm-Uentrop geschehen ist.

Zu allem Unglück sind laut aktueller Forsa-Umfrage 73 Prozent der Deutschen für den Atomausstieg oder gar für dessen Beschleunigung. Was also tun in diesen Zeiten?

Man tut sich mit Gleichgesinnten zusammen, schreibt Diskussionspapiere und lässt das Ergebnis der nahestehenden Presse zukommen: "Mehrere Unionsländer wollen trotz der Koalitionsvereinbarung zum Atomausstieg mit einem gemeinsamen Vorstoß längere Laufzeiten von Kernkraftwerken durchsetzen. Die energiepolitischen Rahmenbedingungen hätten sich seit der Vereinbarung im Jahr 2000 ‚deutlich verändert‘, zitiert das Magazin "Focus" ein internes Papier. Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Christa Thoben habe das Schreiben für die Verhandlungen zu einem nationalen Energiekonzept erarbeitet." (SZ, 21. 8. 2006)

Die TAZ schrieb am gleichen Tag in ihrer NRW-Ausgabe dazu: " Die nordrhein-westfälische Energieministerin Christa Thoben stellt sich an die Spitze der Pro-Atom-Bewegung. (...) Der energiepolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Rainer Priggen, kritisiert den Vorstoß von Thoben: ‚Die Ministerin macht sich zum Büttel der großen Stromkonzerne.‘ Anders könne er sich die Federführung der NRW-Landesregierung bei dem Papier nicht erklären. Nur die Energieriesen E.on, RWE und EnBW profitierten von einer Verlängerung der Laufzeiten."

Machtlos müssen die Grünen nun mitansehen, wie selbst der von ihnen mitinitiierte äußerst unzulängliche "Atomausstieg" schon ein paar Monate nach dem Verlust ihrer Regierungsbeteiligung von neun CDU/FDP-regierten Landesregierungen sturmreif geschossen wird. Jede aktuelle grüne Presseerklärung zum "Atomausstieg" demonstriert eindrucksvoll aufs Neue die Versäumnisse und fahrlässigen Unterlassungen der ehemaligen rotgrünen Regierungen. Da die Grünen inzwischen das Demonstrieren verlernt haben, bleibt am Ende nur noch ein zahnloser Papiertiger übrig, der auf das Wohlwollen von Zeitungskonzernen angewiesen ist: Ob wenigstens diesmal ein paar mitleidige Zeilchen als sichtbarer Ausdruck grünen Jammers abfallen?? Wirklich beeinflussen wird dies den Gang der Ereignisse ohnehin nicht mehr.

Wir leben in einer energiepolitischen Übergangszeit. Was danach kommt, ist dank rotgrüner Versäumnisse offen. Nur ein stillgelegtes Atomkraftwerk, dessen maßgebliche Komponenten demontiert wurden, wäre ein wirklich sicherer Schritt zum Ausstieg gewesen. Diese historische Chance wurde leichtfertig vertan.

Heute werden die energiepolitischen Richtungsentscheidungen anders determiniert; "Die Welt" vom 21. 8. 2006 schreibt es: "Unberechenbar ist aber auch die Entwicklung des Rohölpreises. Daraus ziehen neun unionsregierte Bundesländer nun die Konsequenz und rütteln erneut am Atomausstieg." Und ergänzt: "Bis der letzte Atommeiler in Deutschland vom Netz gehen wird, lässt der Atomkonsens immerhin noch 15 Jahre, um in die Nutzung von Sonne, Wind und Biomasse zu investieren." Die "Rheinische Post" fasste am gleichen Tag zusammen: " Das Thema (Atomausstieg, H. B.) ist jetzt endgültig enttabuisiert worden."

Eifrig gewerkelt an dieser Enttabuisierung wird in NRW nicht nur durch die Ministerien Pinkwarts und Thobens, sondern auch an der Ruhr-Uni Bochum, die im Juli ihren 4. Bochumer Energietag unter folgendem Titel abhielt: "Herausforderung Kernenergie im 21. Jahrhundert". Inhalt und Motto dieser Tagung deuten auf das Gegenteil von einem angestrebten Atomausstieg hin.

Am 24. 8. 2006 gab die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Cornelia Pieper für die FDP-Bundestagsfraktion eine Presseerklärung heraus, in der sie eine verstärkte HTR-Förderung im Rahmen des europäischen "Generation IV International Forum (GIF, siehe THTR-Rundbrief Nr. 93 und 94) anmahnte: "Das 7. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union sieht integrierte Forschungsprojekte und Netzwerke zur Fortentwicklung von Reaktorsicherheitskonzepten vor. Eine Entscheidung darüber, ob und wie deutsche Forschungseinrichtungen sich an den EU-Projekten beteiligen werden, steht bislang aus. Damit Deutschland nicht den technologischen Anschluß verliert, ist eine Rahmenvereinbarung der Bundesregierung zur Beteiligung deutscher Forschungseinrichtungen an den international offenen GIF-Projekten notwendig."

Was aus dem nationalstaatlich beschränkten Blickwinkel vielfach zu kurz kommt: Seit mehreren Legislaturperioden beteiligte sich auch unter Rotgrün Deutschland an der Nuklearforschung der EU, insbesondere der HTR-Forschung. Im zur Zeit verhandelten 7. Forschungsrahmenprogramm der EU werden die entscheidenden Weichen gestellt. Eine entschiedene Antwort von Umweltschützern, die diesen Sachverhalt überhaupt zur Kenntnis nimmt, steht immer noch aus.

Am 10. September wurde mit einem großen Festakt und einem Tag der offenen Tür das 50-jährige Jubiläum des Forschungszentrums Jülich (FZJ) gefeiert. Viele Reden wurden aus diesem Anlass gehalten, aber über ein besonders brisantes Thema findet das Tauziehen eher hinter den Kulissen statt: Der von Forschungsminister Pinkwart und Wirtschaftsministerin Thoben emsig forcierte Wiedereinstieg in die nukleare Forschung.
Jahrzehntelang wurde in diesem Zentrum an der umstrittenen Hochtemperaturreaktor (HTR)-Linie geforscht. Doch jetzt gehen die letzten Atom-Professoren in Pension. Das passt der CDU/FDP-Landesregierung nicht und deswegen muss neues Geld und müssen neue Professoren her, damit Deutschland fit für neue nukleare Abenteuer und "Innovationen" ist, wenn in drei Jahren eine neue CDU/FDP-geführte Bundesregierung den Atomausstieg rückgängig machen soll.
Werden jetzt den starken Worten, die Bundesumweltminister Gabriel bei der Bundestagsdebatte am 28. Juni 2006 über die neue geplante THTR-Forschung fand, auch konkrete Taten und Initiativen zu ihrer Verhinderung folgen?? Wir machten ihn in einem Brief auf diese Problematik aufmerksam. 

III. Nuklearlobby siegt bei Professorenstellen-Besetzung

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In der TAZ-NRW vom 9. September 2006 zeigte Bundesumweltminister Gabriel deutlich, dass er nicht daran denkt, sich die Finger zu verbrennen: "Ein Sprecher Gabriels bestreitet jede Zuständigkeit und erklärt sogar: ‚Forschungsreaktoren sind vom Atomausstieg nicht betroffen‘." Der Bundesumweltminister, der ansonsten keine Gelegenheit auslässt, sich medienwirksam aufzuplustern, um sich als wortgetreuer Vollstrecker des "Atomausstiegs" zu präsentieren, zieht den Schwanz ein. Denn Lorbeeren sind hier nicht zum Nulltarif zu haben, da müsste man schon ein bischen mehr Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner riskieren!

Kurz darauf verkündete der Westfälische Anzeiger am 19. 9. 2006 das Resultat von Gabriels Untätigkeit, verschwieg allerdings in diesem Zusammenhang, dass es sich hierbei um spezielle THTR-Forschung handelt: "NRW-Innovationsminister Andreas Pinkwart sorgte dafür, dass drei Professorenstellen für Kernforschung an der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule (RWTH) Aachen neu besetzt werden – die Lehrstühle für Reaktorsicherheit und –technik, für nukleare Entsorgung sowie für Strahlenschutz. Zwei Professoren werden neben ihrer Lehrtätigkeit an der RWTH mit der Leitung des Instituts für Sicherheitsforschung und Reaktortechnik am Forschungszentrum Jülich betraut. Das Land wolle damit ‚ein klares Signal setzen‘, die Kernenergieforschung fortzusetzen, sagte der FDP-Landeschef." - Die Nuklearlobby kennt jedenfalls keinerlei Hemmungen, ihre Interessen frech und unverblümt durchzusetzen.

Dennoch ist der gesetzeswidrige nukleare Amoklauf von Pinkwart sogar im Forschungszentrum Jülich nicht unumstritten. In Europas größtem interdisziplinären Forschungszentrum wird auch viel sinnvolle Forschung betrieben und folglich gibt es auch hier besonnene Stimmen, die von Pinkwarts Nuklearabenteuern nicht viel halten. Deswegen agiert selbst der nach 16 Jahren scheidende Chef vom Forschungszentrum Jülich, Joachim Treusch, am 15. September 2006 in einem Interview mit "Technology Review" mittlerweile etwas zurückhaltender, wenn es um die Perspektiven der HTR-Linie in NRW geht:

"Der Konflikt ist vielleicht etwas gewaltiger dargestellt worden, als er am Ende ist. Klassische Kerntechnik mit Hardware hier in Jülich zu betreiben, hieße wieder völlig neu aufbauen zu müssen. Denn unsere Kerntechnikanlagen sind durch die Politik der vergangenen 15 Jahre ausgeblutet. Was noch da ist, ist eher auf der theoretischen Seite: Simulationsprogramme, wie man einen Reaktor sicher fahren kann. Dass wir das weitermachen, kann ich mir vorstellen. Aber den Hochtemperaturreaktor neu aufzulegen, macht keinen Sinn. (...) TR: Das heißt sie wollen auch, dass Deutschland wieder mehr an der Kerntechnik forscht? Treusch: In jedem Fall an Endlagern und Reaktorsicherheit. Ich glaube, um neue Reaktortypen zu entwickeln, ist die Welt im Moment auch ohne uns schlau genug." – Weil sie jahrzehntelang von Jülich aus "schlau" gemacht wurde. Nach den aktuellen Weichenstellungen von CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen wird das zumindest zum Teil so bleiben. 

Der Nachtrab: Gabriel antwortet uns

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Vielen Dank für Ihr Schreiben vom 3. September 2006. Meine grundsätzlich ablehnende Haltung zum Wiedereinstieg in die Hochtemperatur-Technologie habe ich bereits deutlich ausgesprochen. Ich sehe für einen derartigen Wiedereinstieg derzeit in Deutschland auch keine ernstzunehmenden Hinweise. Der Bau eines neuen Kernreaktors zur gewerblichen Energieerzeugung ist durch das Atomgesetz §7 AtG Abs. 1 ausgeschlossen.


Neue Forschungsreaktoren dagegen könnten weiterhin gebaut werden. Ein neuer Hochtemperaturreaktor-Forschungsreaktor würde jedoch aufgrund der konzeptionellen Unterschiede kaum zur Verbesserung der Sicherheit der in Deutschland bestehenden Anlagen beitragen können. Ich sehe demzufolge keinen Grund dafür, wieso sich die Bundesrepublik Deutschland an der Finanzierung eines derartigen Projekts beteiligen sollte.

Eine in diese Richtung zielende Forschung könnte vom Forschungszentrum Jülich nicht ohne Zustimmung des Aufsichtsrates der Forschungseinrichtung unternommen werden. Gemäß der Ausstattung des Forschungszentrums, auf die sie zu Recht hinweisen, stellt die Bundesregierung die zahlenmäßig stärkste Fraktion in diesem Gremium.

Die Fortführung der Nuklearforschung am Forschungszentrum Jülich, die Sie kritisieren, kann nicht nur unter dem Aspekt einer möglichen Fortführung der Hochtemperaturreaktorforschung betrachtet werden. In den kommenden 15 Jahren wird die Bundesrepublik Deutschland weiterhin Kernkraft nutzen. Es muss daher in unserem Interesse liegen, dass die Kompetenz für die Sicherheit von Kernreaktoren in Deutschland nicht verloren geht. Dies gilt natürlich noch mehr für die Kompetenz zur Entsorgung nuklearer Abfälle, die wir dauerhaft vorhalten müssen. Aus diesem Grund ist es notwendig, trotz des Atomausstiegs Forschung im Bereich der Reaktorsicherheit und Entsorgung in Deutschland zu erhalten.

Ich bin davon überzeugt, dass die neuerdings wieder vorgetragenen alten Visionen zum Neubau von Atomkraftwerken in Deutschland Gedankenspiele bleiben werden. Dafür werde ich mich mit vollem Engagement einsetzen. Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung bei der Verwirklichung dieses Ziels."

Sigmar Gabriel, 26. Oktober 2006 

Kommentar zum Nachtrab

Wir von der BI Umweltschutz Hamm bedanken uns für die Antwort des Bundesumweltministers und begrüßen seine ablehnende Haltung zum Wiedereinstieg in die HTR-Technologie.

Allerdings sehen wir einige Dinge etwas anders als in seinem Brief. Wenn NRW-Minister Pinkwart seine von ihm geforderten bestens ausgestatteten Professorenstellen in Aachen/Jülich, die sich größtenteils ganz speziel mit der HTR-Forschung befassen, ohne allzugroße Probleme durchsetzen kann – was ist das anderes als ein ernstzunehmender Hinweis auf einen möglichen Wiedereinstieg in diese Reaktorlinie? Gabriel verweist auf die derzeitige atomrechtliche Unmöglichkeit, neue Atomreaktoren zur gewerblichen (!) Energieerzeugung zu bauen, was genauso stimmt wie es vom Thema HTR ablenkt. Bekanntlich haben neu- und weiterzuentwickelnde Reaktorlinien eine Vorlaufzeit von bis zu 20 Jahren. Ein kommerzieller Reaktorneubau kann also gar nicht zur Zeit zur Debatte stehen. Es geht vielmehr um entscheidende forschungspolitische Weichenstellungen, die in NRW mit der Einrichtung der genannten Professorenstellen in den letzten Monaten vollzogen wurden! Und dies bei dem maßgeblichen Mitspracherecht des Bundes im Aufsichtsrat des Forschungszentrums Jülich. Wie das geschehen konnte, dazu sagt Gabriel nichts.

Der Bundesforschungsminister sieht "keinen Grund dafür, wieso sich die BRD an der Finanzierung eines derartigen Projektes beteiligen sollte". Das ist sehr löblich, aber seit vielen Jahren finanziert die BRD über die von ihr mitaufgebrachten EU-Nuklearforschungsgelder die von ihr mitgetragene europäische HTR-Forschung: Die BRD-Vertreter in den EU-Gremien haben den HTR-Projekten zugestimmt, wie die EU-Kommission mitgeteilt hat! Der Großteil der HTR-Entwicklung wird inzwischen im europäischen Rahmen durch eine gut organisierte Atomlobby vorangetrieben. Kleinkariertes Ressortdenken, das nur das eigene Aufgabengebiet im Auge hat, hilft hier nicht weiter.

Zum Schluss lenkt der Bundesumweltminister die Aufmerksamkeit auf die seiner Meinung nach notwendige Sicherheitsforschung für Atomkraft, da diese Energieform noch 15 Jahre in der BRD genutzt werden würde. Was hat das bitteschön mit der HTR-Linie zu tun, bei der in der BRD seit 1989 kein einziger Reaktor mehr in Betrieb ist?

Die seiner Meinung nach auch in Zukunft noch notwendige "Sicherheitsforschung" für Atomkraftwerke belegt allzudeutlich, dass der angeblich unumkehrbare Atomausstieg keiner ist: Die notwendige Kompetenz für den jederzeitigen nuklearen Wiedereinstieg in den Neubau von Anla-gen wird durch allseitige Forschungsaktivitäten vorgehalten. Bei einem Regierungswechsel hin zu einer CDU/FDP-Koalition könnte nahtlos an die derzeitigen Forschungsaktivitäten angeknüpft werden.

Den Atomauststieg sollte man deshalb nicht alleine den Politikern überlassen und sein Blickfeld nicht nur auf das modische Gorleben oder Ahaus beschränken. Erst in 15 bis 20 Jahren, wenn bei einer entsprechenden politischen Konstellation mit dem Bau kleiner mit Wasserstoff kombinierbarer HTR’s begonnen wird, werden viele Umweltschützer klüger als heute sein und und beim rekapitulieren ihrer eigenen Versäumnisse auf die Ereignisse im Jahre 2006 stoßen.

Epilog

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Es lässt sich ohnehin nicht mehr geheimhalten: Es gibt auch im Forschungszentrum Jülich Menschen, die die HTR-Forschung ablehnen. Ein Teil von ihnen hat sich (aus gutem Grund ohne Absenderangabe) mit den Bestrebungen und der Arbeit der BI Umweltschutz solidarisiert und auf einige wichtige Eckpunkte des zukünftigen Entscheidungsweges in Sachen HTR-Forschung hingewiesen. Für diese Unterstützung sind wir sehr dankbar. Bei einem Gespräch mit der TAZ-NRW bekundete diese Interesse an dem Brief, um über das Thema HTR-Forschung ausführlicher zu berichten. Da man gegenüber Journalisten nie vorsichtig genug sein kann, lies ich mir mehrmals nachdrücklich versichern, dass der obengenannte Brief selbst aus der Berichterstattung herausgehalten würde. Ich dachte, bei einer Zeitung, die sich noch vor 25 Jahren als "alternativ" bezeichnet hatte, würde diese Vereinbarung reichen. – Fehlanzeige! Der Redakteur Moritz Schröder liess in "bester" Bildzeitungsmanier den Max los und stellte nichts als haarsträubenden Unsinn an: In so ziemlich jedem Satz zum THTR selbst befinden sich etwa zwei sachliche Fehler. Marktschreierisch verkündete er "seht her, ich habe ein Papier ergattert, das sonst keiner hat". Das ist wirklich dumm gelaufen und ärgerlich. Und wird nicht wieder vorkommen. Schon gar nicht mit der TAZ-NRW. Und die Moral von der Geschicht: Traue keiner Zeitung, die du nicht selbst herausgibst.

Horst Blume

Liebe Leserinnen und Leser!

Hinweis: Ein Artikel über die Politik von WASG & Linkspartei mit dem Titel "Links und lahm" von Horst Blume befindet sich unter der Rubrik "Graswurzelrevolution" auf der Internetseite www.linksnet.de, einer Kooperation von etwa 30 linken Zeitschriften. Der Artikel "Goldgräberstimmung in Namibia" über Namibias Weg zur Nr. 1 der Welt unter den Uranabbauern ist einzusehen unter www.graswurzel.net (November) und in einigen Tagen auch auf dieser Homepage.

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