Nr. 89 März 04


Die Reaktorpleite - THTR 300 Die THTR-Rundbriefe
Studien zum THTR uvm. Die THTR-Pannenliste
Die HTR-Forschung Der THTR-Störfall im 'Spiegel'

Die THTR-Rundbriefe aus 2004

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THTR Rundbrief Nr. 89 März 2004


Ja, Jülich!

Das Forschungszentrum Jülich ist mit 4.200 Mitarbeitern das größte interdisziplinäre Forschungszentrum Europas. Liest man seine Selbstdarstellungen, ist es eine Stätte pulsierenden Lebens und Heimstatt ungestümen Forschungsdranges. Nicht all zu weit der belgischen Grenze gelegen und damit auch nahe Brüssel. Fixpunkt der begehrlichen Blicke aller Lobbyisten hin zu den millionenschweren EU-Fördertöpfen. In diesem Forschungszentrum wird unermüdlich für den technischen Fortschritt geforscht – selbstverständlich zum Wohle der Menschheit. Ursprung und Wiege des atomaren Kugelhaufenreaktors, nie versiegender Quell ewiger Erkenntnis über die unbestreitbaren Vorzüge der HTR-Technologie. Hinaus in die ganze Welt mit der frohen Botschaft, nach Südafrika, China, Japan, Indonesien, Russland, ja sogar USA! Im Gepäck das Zertifikat: Export mit Duldung der Bundesregierung, da Sicherheitsforschung!

Das nötige Kleingeld für diese Missionen fließt immer noch reichlich, notfalls aus EU-Kassen. Keine Spur von einem Atomausstieg! Das Überwintern unter Rotgrün fällt in Jülich nicht schwer. Denn hier dient einfach alles nur der Sicherheit. Und die muss sein. Staatssekretäre, Minister und Abgeordnete und solche der Industrie geben sich hier seit Jahrzehnten die Klinke in die Hand. Parlamentarische Abende, Arbeitskreise, Symposien, Fachtagungen, Podiumsdiskussionen, Werkstattgespräche und Konferenzen aller Art sorgen für regen und furchtbaren geistigen Austausch. Einen hautnahen Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, der seinesgleichen sucht. Keine Frage, die zum Teil im Aufsichtsrat dieses Forschungszentrums sitzenden Minister und Staatssekretäre erlernen hier vor Ort – notfalls unter Hinzuziehung bewährter Repetitoren - die komplizierte Wissenschaft, warum in diesem Land aus der Atomenergie ausgestiegen wird und gleichzeitig immer noch viele Millionen Euro in die HTR-Forschung gesteckt werden müssen. Für Einige bleibt das immer noch schwer zu verstehen und deshalb sind sie hier in Jülich öfters zu Gast, um sich diesem Problem mit großer Hingabe zu widmen. Glücklicherweise brauchen sie nur ein paar Kilometer nach Hause zu fahren. Bis nach Düsseldorf oder Bonn, wo noch immer Teile des Bundesforschungsministeriums residieren, ist es nicht sehr weit. Wie praktisch! Doch trotz dieses intensiven geistigen Austausches und gegenseitiger Absprache über die Notwendigkeit der Forschung an der HTR-Linie wird die zuständige Ministerialbürokratie von einer bisher noch nicht ausreichend wissenschaftlich erforschten, viele Monate andauernden Sprachblockade und Auskunftshemmung heimgesucht, wenn wir als Bürgerinitiative mit ein paar ganz einfachen Fragen an sie herantreten. Wenn sie dann endlich ihre Sprache wiedergefunden haben, machen ihre überschwenglichen Dankesworte für unsere Briefe und unsere zahlreichen Erinnerungsschreiben und die Entschuldigungen für bedauerliche Büroversehen meist mehr als die Hälfte ihrer Antwort aus.

Sehr auskunftsfreudig sind die Ministerien in der Substanz jedenfalls nicht, obwohl sie ja andauernd in Jülich konferieren. Worüber reden sie da blos die ganze Zeit, wenn sie anschließend uns so wenig zu sagen haben? Vielleicht liegt es ja daran, das unsere Fragen noch konkreter und noch präziser gestellt werden müssen und diese Damen und Herren Gefallen daran finden, dass jedes noch so kleine Informatiönchen einzeln aus ihrer Nase gezogen werden muss. Den Eindruck, wir wären neuerdings bei unserer Fragestellung irgendwie etwas zu penibel, weisen wir entschieden zurück. Wir lernen lediglich aus unseren bisherigen Erfahrungen.

Am 03.03. haben wir das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefragt, ob es von der Millionen-Förderung auf der EU-Ebene gewusst hat (siehe RB Nr. 88). Und was es gegen die Bemühungen des Forschungszentrums Jülich unternommen hat, die HTR-Linie weiterzuentwickeln und auf internationaler Ebene den Bau dieser Reaktoren intensiv zu fördern. Welche offenen und möglicherweise verdeckten Zuwendungen dieses Forschungszentrum für den weltweiten Aufbau dieser speziellen Atomreaktorlinie erhält. Weiterhin hätten wir gerne gewusst, welche Form der europaweiten Zusammenarbeit das Forschungsministerium konkret in Atomkraftfragen pflegt, welche Einwirkungsmöglichkeiten bestanden und bestehen. Und natürlich, wie das ganze Ausmaß der HTR-Förderung aussah, was zur Zeit so geplant ist und ob dieses Ministerium gar irgendetwas unternehmen wird. Die insgesamt 14 ausführlichen Fragen sind auf unserer Homepage (aktuelles) genauer nachzulesen.

Am 16.02.2004 berichtete die "Junge Welt" in einem längeren Artikel über den HTR-Export nach Japan und China. Die März-Ausgabe der "anti atom aktuell" druckte den JW-Artikel vom Januar zu Südafrika nach.

Hochtemperaturreaktoren: Nuklearkontakte zu Indonesien

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Das Forschungszentrum Jülich (FZJ) nennt als Kooperationspartner im Bereich "Prozeß- und Komponententechnik sowie sicherheitstechnische Verbesserung nuklearer Anlagen" die Nationale Atomenergiebehörde von Indonesien (BATAN). Das bevölkerungsreichste islamische Land der Welt wurde bis 1998 durch eine Militärdiktatur unter Suharto regiert. Viele hunderttausend Oppositionelle sind in dieser Zeit ermordet worden. Bereits seit den frühen 70er Jahren besteht in diesem von der Atomindustrie umworbenen Schwellenland das Interesse an dem Bau von Atomkraftwerken. 1987 wurde in Serpong GA Siwabessy in Zusammenarbeit mit Deutschland ein nuklearer Forschungsreaktor (MPR-30) in Betrieb genommen. Als wenige Monate nach der Katastrophe in Tschernobyl und dem Störfall im THTR-Hamm im Jahre 1986 der sozialdemokratische NRW-Wirtschaftsminister Reimut Jochimsen (siehe RB Nr. 63: "‘Dealer‘ Jochimsen tot") diesen Reaktor in Indonesien besichtigte, empfahl er der dortigen Militärregierung den Bau der deutschen HTR-Technologie (Ruhrnachrichten vom 20. 2. 1987).

Die Siemens-Tochtergesellschaft Interatom, die den THTR mitentwickelt hatte, machte sich Hoffnungen auf das Atomgeschäft mit Indonesien. Am 09.07.1987 besuchte indonesiens Staatsminister für Forschung und Technologie, Professor Habibie, den THTR in Hamm-Uentrop und lies sich von Klaus Knizia (VEW) persönlich seine angeblichen Vorzüge erklären (WA vom 10.07.1987). ABB und Siemens betonten in der folgenden Zeit immer wieder ihre Hoffnung auf einen HTR-Export nach Indonesien (Spiegel 2/1989). Auf der Tagung der Internationalen Atomenergie-Organisation am 27. Juni 1991 in Wien berichtete die Zeitschrift "VGB Kraftwerkstechnik" (12/1991) in dem Artikel "Internationales Interesse für den Hochtemperaturreaktor" folgendes: "Ein spezielles indonesisches Interesse zeigte M. Nurdin an der besseren Ausbeutung von Ölfeldern mit HTR-Dampf, aber auch an der Kohlevergasung und –verflüssigung, Kraft-Wärme-Kopplung und Meerwasserentsalzung".

Die nukleare Zusammenarbeit des Jülicher Forschunszentrums mit Indonesien zeigt sich ebenfalls in einer im März 1992 von Lasman As Natio geschriebenen Dissertation "Neutronenphysikalische Untersuchungen zu dem indonesischen Forschungsreaktor MPR-30 im Hinblick auf den Einsatz von Silicid-Brennelementen".

1997 bezeichnet die mit deutscher Unterstützung geschriebene Energieprognose ("Markal-Studie") den Einsatz von Atomenergie in Indonesien als "unerlässlich". Das internationale Büro des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bezeichnet heute die indonesische Behörde für Nuklearforschung (BATAN) als wichtigsten Partner für die bilaterale Zusammenarbeit im Bereich der Materialforschung und verweist auf ein bereits ausgebautes Netzwerk von deutschen und indonesischen Forschungseinrichtungen. Mittlerweile seien im Rahmen der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit mehr als 20.000 indonesische Studenten in Deutschland ausgebildet worden.

In den Jahren 2002 und 2003 führte das durch nukleare Störfälle (mit PAC-Kügelchen des HTR, siehe RB Nr. 82) und eine hohe Leukämierate in der Umgebung ins Gerede gekommene Forschungszentrum Geesthacht (GKSS) ein wissenschaftliches Projekt in Jakarta (Indonesien) durch.

Professor Günter Lohnert hielt unter anderem in Indonesien Gastvorlesungen zum Thema inhärent sichere Reaktoren und HTR´s (siehe: Stuttgarter Unikurier 77/78). Dieser Mann übernahm 1973 bei Siemens/Interatom die Abteilung "HTR-Sicherheitsanalysen", schrieb 1982 in der Zeitschrift "Atomwirtschaft" den Artikel "Der modulare HTR – Ein neues Konzept für den Kugelhaufenreaktor" und 1990 einen weiteren Englischsprachigen über HTR-Module in einer Fachzeitschrift. 1997 hat Lohnert den Lehrstuhl an dem Institut für Kernenergietechnik und Energiesysteme (IKE) an der Universität Stuttgart übernommen, das mit EU-Geldern in den letzten Jahren HTR-Forschung betrieb (siehe RB Nr. 88). Es soll unter seiner Führung zu einem "Kompetenzzentrum für alle relevanten Fragestellungen der Kernenergie" ausgebaut werden.

Im Februar 2000 wurde Dr. Hans-Joachim Klar von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, die intensiv mit dem FZJ kooperiert, von der Nationalen Atomenergiebehörde Indonesiens (BATAN) zum Mitglied des Wissenschaftlichen Berater-Kommitees (SAC) ernannt. Klar hat bereits verschiedene Seminare und Workshops in Indonesien durchgeführt. "Die Ernennung würdigt seine Verdienste in verschiedenen wissenschaftlichen Kooperationen mit Indonesien" und "erfolgt aufgrund eines Dekrets der Indonesischen Regierung, das die Aktivitäten der nuklearen Energieversorgung regelt (...)", schreibt die RWTH Aachen März/April 2000 in einer Presseerklärung.

All diese Mosaiksteine belegen eine jahrzehntelange intensive technisch-wissenschaftliche Kooperation zwischen Deutschland und Indonesien, die auch auf dem Gebiet der Atomkraftforschung stattgefunden hat. Die weitere Entwicklung sollte genau beobachtet werden. Denn selbst nach dem verheerenden und weltweit beachteten islamistischen Terroranschlag am 12.10.2002 auf Bali wird sich die Atomindustrie nicht davon abbringen lassen, dieses Gefährdungspotential auch in Indonesien anwenden zu wollen.

Südafrika: Konferenz wurde abgesagt, um Atomkonzerne nicht zu verprellen!

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In der Zeit vom 16. bis 17. Januar war in Kapstadt (Südafrika) im Rahmen eines zivilgesellschaftlichen Dialogs eine große Konferenz über Planungen und Entwicklungen im nukleartechnischen Bereich vorgesehen, an denen sich die südafrikanische Regierung beteiligen wollte.

Die südafrikanischen Umweltschützer und die Böll-Stiftung in Südafrika hatten sehr viel Arbeit in die Vorbereitung investiert und setzten viele Hoffnungen in diese Konferenz. Vier Tage vor Beginn hat die südafrikanische Regierung diese Veranstaltung plötzlich abgesagt. Die Enttäuschung bei den Umweltschützern ist groß.

Als Grund für diese Absage wird vermutet, dass der Atomkonzern Framatome (und damit auch Siemens) in das südafrikanische Atomgeschäft einsteigen will und hier den Kugelhaufenreaktor bauen will. Kurz vor den südafrikanischen Wahlen im April will die Regierung verhindern, dass allzu kritische Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt werden und den möglichen Investor irritieren könnte.

Die Pebble Bed Modular Reactor (PBMR) – Gesellschaft sucht händeringend nach neuen Investoren, um die bereits abgesprungenen Konzerne Exlelon (USA) und British Nuclear Field Limited (BNFL) zu ersetzen. Südafrikanische Umweltaktivisten haben jetzt aufgedeckt, dass der Energiekonzern Areva Group die neuen HTR´s nach Koeberg liefern soll. Diese im Jahre 2001 gegründete französische Holding namens Areva umfasst neben Framatome ANP und Cogema die Framatome-Tochter FCI und den Halbleiterhersteller ST Microelectronics. Zusammen erwirtschaften sie drei Viertel ihres Umsatzes von jährlich zehn Milliarden Euro mit Kerntechnik, wobei sie alle Bereiche vom Uranbergbau über den Reaktorbau bis zur Wiederaufarbeitung von Brennstoffen abdeckt. Areva beschäftigt über 45.000 Personen und befindet sich zu 84 Prozent in Staatsbesitz.

Siemens kooperiert seit 1989 mit Framatome und Cogema. In den letzten Jahren haben Siemens und Framatome ihre Atomsparten zusammengelegt. Entsprechend des Geschäftsvolumens halten die Franzosen 66 % und die Deutschen 34 % der Anteile des Gemeinschaftsunternehmens. Weltweit rückt die Atomwirtschaft enger zusammen und bemüht sich auf internationaler Ebene um neue Aufträge.

So ist es kein Zufall, dass im letzten Jahr ein Sprecher von Areva mit hochrangigen Vertretern von dem südafrikanischen Energieversorgungsunternehmen ESKOM und der südafrikanischen Industrie- und Handelskammer zusammengekommen ist, um ihnen ein Angebot für den Bau eines Atomkraftwerkes zu unterbreiten. Bei dem letzten Staatsbesuch von Staatspräsident Mbeki bei Chirac in Paris im Oktober letzten Jahres folgten weitere Diskussionen. Mit Anne Lauvergeon sitzt eine hohe Vertreterin von Areva in einem wichtigen Industrieberatungsgremium für den südafrikanischen Staatspräsidenten Mbeki. Offensichtlich um die Kooperationsgespräche mit der Atomindustrie nicht zu gefährden, ist die Atomkonferenz abgesagt worden, obwohl Teile des Parlaments weiterhin für eine Durchführung dieser Konferenz plädierten. Offiziell wurde diese Konferenz nur auf die Zeit nach der Wahl am 14. April verschoben, um das neue Wahlergebnis bei der Zusammensetzung der Konferenz mit zu berücksichtigen. Aber die neue Regierung wird in Südafrika mit Sicherheit die Alte sein.

Die "Verschiebung" der atomkritischen Konferenz wird überschattet von öffentlichen Diskussionen um die Glaubwürdigkeit der Atomindustrie. Den Betreibern des bereits bestehenden Atomkraftwerkes in Koeberg wird die Fälschung von medizinischen Berichten über Leukämiefälle vorgeworfen. Das AKW wurde unter anderem von Framatome gebaut. Kritik kommt auch an den 12 Milliarden Rand auf, die der geplante PBMR dem südafrikanischen Steuerzahler kosten wird. Südafrikanische Umweltschützer planen nun Proteste vor den französischen Botschaften in Kapstadt und Pretoria.

Der Bundesumweltminister Trittin "antwortet" auf unsere Fragen zum HTR-Export:

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"Vielen Dank für Ihre Schreiben vom 18. März und 18. November 2003, mit denen Sie Ihre Befürchtungen zur Weiterentwicklung der Hochtemperaturreaktor-Technologie speziell in Südafrika dargelegt haben.

Mit der Novelle des Atomgesetzes haben Bundesregierung und Bundestag einen verbindlichen Rahmen zur Beendigung der Atomenergie in Deutschland vorgegeben. Staatliche Mittel werden in Deutschland nicht mehr zur Weiterentwicklung von Kernkraftwerken eingesetzt. Dieses gilt auch für die HTR-Entwicklung im In- oder im Ausland. Dem Bundesumweltministerium liegen Informationen über aktuelle Anstrengungen in anderen Staaten vor, die HTR-Technologie weiter zu entwickeln. Solche Aktivitäten gibt es nicht nur in Südafrika, sondern zum Beispiel auch in China oder den USA. Auch europäische Unternehmen, zum Beispiel die französische Framatom, haben Interesse an der HTR-Entwicklung. Aus diesen Ländern sind auch Anfragen nach Sicherheitsanforderungen und Sicherheitsbewertungen erfolgt, die den beendeten Entwicklungsarbeiten in Deutschland zugrunde gelegt worden sind. Ich bitte um Verständnis, dass ich zu den von Ihnen angesprochenen Fragen wie den Beitrag des Forschungszentrums Jülich oder Prolieferationsrisiken der HTR-Technologie im Einzelnen nicht Stellung nehmen kann, da das Bundesumweltministerium hierfür nicht zuständig ist. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat nach meinen Informationen für seinen Zuständigkeitsbereich zu Ihren Fragen Stellung genommen." (09.02.2004)

Presseerklärung der Bürgerinitiative Umweltschutz zu der Antwort von Trittin:

Diese Antwort von Trittin ist eine einzige Zumutung. Nicht nur, dass wir fast ein ganzes Jahr auf sie warten mussten, nein, wir werden hierbei mit plattesten Redensarten zugemüllt. Er sagt nichts, was nicht in irgendeiner Weise schon hundertmal gesagt wurde. Dabei hatte sein Pressesprecher Michael Schroeren – ehemaliger "Graswurzelrevolution"-Redakteur in den 70er Jahren – Anfang Januar noch telephonisch eine ausführliche Antwort der zuständigen Fachabteilung versprochen. Die Bundesforschungsministerin musste im Mai letzten Jahres auf unsere Fragen hin einräumen, dass im Forschungszentrum Jülich (FZJ) immer noch nach einer dort erarbeiteten Expertise zu HTR´s weitergeforscht wird. Da wird also in Europas größtem "inter-disziplinären Forschungszentrum" mit 4.200 MitarbeiterInnen und 360 Millionen Euro Jahresetat weiterhin zum HTR gearbeitet und Trittin behauptet immer noch, dass in Deutschland keine staatlichen Mittel mehr für die "Weiterentwicklung von Kernkraftwerken" eingesetzt würden.

In welchen Räumen findet denn die HTR-Forschung statt, wer unterhält sie, wer bezahlt die laufenden Kosten dieses Wissenschaftsbetriebes, wer stellt das notwendige "Handwerkszeug" zur Verfügung, versorgt die mit dieser Forschung betrauten Personen mit dem seit Jahrzehnten in diesem Zentrum angehäuften Know How?? Niemand von Rotgrün hat diesem Forschungszentrum in den letzten Jahren wirklich ernsthafte Schwierigkeiten bereitet, an der HTR-Linie weiter zu forschen. 

Zum ausländischen Interesse heißt es bei Trittin: "Aus diesen Ländern sind auch Anfragen nach Sicherheitsanforderungen und Sicherheitsbewertungen erfolgt, die den beendeten Entwicklungsarbeiten in Deutschland zugrunde gelegt worden sind." – Was bedeutet dieser vermurkste Satz überhaupt? Was hat er zu diesen Anfragen gesagt (wir ahnen es!)? Arbeitet er höchstselbst bei der Weiterentwicklung der HTR-Linie fleißig mit der Atomindustrie zusammen – natürlich nur um der Sicherheit willen?

Wenn ein Bürger was begehrt, kann er was erleben!

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Die ganz besondere "Störfallchronik" – ein Beispiel für praktizierte Bürgernähe in Hamm:

  • 03.11.2003: Die Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm beantragt bei dem Beschwerdeausschuss der Stadt Hamm zusammen mit verschiedenen anderen Organisationen, dass zwischen Hamm und Kapstadt ein Erfahrungsaustausch zum Thema "Gefahren von Hochtemperaturreaktoren" hergestellt wird, um den Bürgern von Südafrika die umfangreichen kommunalen Erfahrungen mit dem THTR zugänglich zu machen.

     

  • November 2003: Die Sitzung des Beschwerdeausschusses fällt aus.

     

  • 01.12.2003: Der Oberbürgermeister schreibt uns: "Ich bestätige den Eingang Ihrer o. a. Anregung. Sie erhalten in Kürze weitere Nachricht."

     

  • Dezember 2003: Die Sitzung des Beschwerdeausschusses fällt aus.

     

  • 08.12.2003: Oberbürgermeister Hunsteger-Petermann schreibt uns, dass er dem Beschwerdeausschuss empfehlen werde, unsere Eingabe als erledigt zu betrachten, da seiner Meinung nach kein "konkreter Sachzusammenhang zwischen gemeindlicher Aufgabenstellung und Anregung" besteht.

     

  • Januar 2004: Die Sitzung des Beschwerdeausschusses fällt aus.

     

  • 30.01.2004: Die Geschäftsstelle des Beschwerdeausschusses gibt bekannt: "Die Sitzung des Beschwerdeausschusses am 11.02.2004 fällt aus, der vorliegende Bürgerantrag wird in der Sitzung am 31.03.2004 behandelt."

     

  • 02.02.2004: Wir weisen den Oberbürgermeister und den Beschwerdeausschuss in einer zweiseitigen detaillierten Begründung nochmals auf die Wichtigkeit des Anliegens hin (Dokumentation weiter unten).

     

  • 04.02.2004: Die Reaktion erfolgt sogleich. Das Büro des Oberbürgermeisters teilt uns mit, dass unser Antrag im Beschwerdeausschuss behandelt würde: "Dieser wird über die weitere Vorgehensweise entscheiden. Die nächste Sitzung des Ausschusses findet am 19.05.2004 statt, da die Sitzung im März ausfällt."

     

Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass hier nach allen Regeln der Kunst eine politisch missliebige Eingabe immer weiter auf die lange Bank geschoben wird. Wenn am 19.05.2004 der Beschwerdeausschuss denn tatsächlich – sechs Monate und 16 Tage nach dem Eingang unserer Eingabe! – tagen sollte, dann könnte es bereits zu spät sein. Wenn nicht zahlreiche Südafrikaner Einspruch gegen den THTR bei Kapstadt eingelegt hätten, wäre wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt schon mit dem Bau dieses Reaktors begonnen worden.

Wir hoffen, dass die Bürger Südafrikas die Genehmigung für den Bau eines neuen THTR´s so lange aufhalten können, bis der Beschwerdeausschuss in Hamm es schafft, zu tagen. Andernfalls werden wir uns bei ihm beschweren....

Am 04.02.2004 berichtete der Westfälische Anzeiger in einem längeren Artikel über diese Vorgänge.

Brief der BI an den Hammer Oberbürgermeister Hunsteger-Petermann vom 02.02.2004:

Ihr Schreiben vom 08.12.2003 haben wir erhalten. Sie erklären unseren Bürgerantrag formalrechtlich mit Bezug zur Gemeindeordnung NRW § 24 als erledigt, da Sie keinen konkreten Sachzusammenhang zwischen unserem Ansinnen - einen Erfahrungsaustausch zwischen den Städten Kapstadt und Hamm herzustellen - und gemeindlicher Aufgabenstellung erkennen können.

Wir bedauern diese Absage, möchten aber folgendes zu Bedenken geben:

Die Stadt Hamm - Bundeshauptstadt für Ökologie und Naturschutz 1998/99 und Ökologische Stadt der Zukunft - ist schon mehrfach per Ratsbeschluss überörtlichen Bündnissen, wie z. B. dem Klimabündnis Europäischer Städte oder der Initiative Cities for Peace beigetreten und hat somit deutlich zum Ausdruck gebracht, das weltweite Probleme weltweite Anstrenungen - auch vor Ort auf kommunaler Ebene - erfordern. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen! Die Stadt Hamm hat bisher selbstbewusst diese freiwilligen Aufgaben übernommen. Sinn und Zweck dieser Initiativen und Bündnisse ist u.a. der gegenseitige Austausch von Informationen zur Zukunftssicherung in unserer Welt.

Nicht unerwähnt bleiben sollten die vielen Anstrengungen der Stadt Hamm im Bereich der langjährigen Städtepartnerschaften. Diese Kontakte wurden in letzter Zeit intensiviert, wie die Beispiele im Jahr der Menschen mit Behinderungen belegen. Der neue Austausch mit der Stadt Istanbul - in Zusammenarbeit mit der Stadt Bradford - sind hier besonders zu erwähnen. Die Anstrengungen zur Mitarbeit im Rahmen der Internationalen Hanse der Neuzeit sollten dabei nicht außer acht gelassen werden.Die Unterstützung der privaten Initiative für die Hammer Zwangsarbeiter verdient lobende Erwähnung.

Auch bei der Planung des Leitprojektes des Masterplans "Hamm ans Wasser" - dem LippeSEE - bemüht sich die Stadt Hamm über ihren Partner "Lippeverband" um Kooperationen mit externen (ausländischen) Partnern.

Es ist also festzuhalten, dass die Stadt Hamm bisher sehr wohl auf internationaler Ebene an einem regen Informationsaustausch teilgenommen hat.

Wenn nicht die Stadt Hamm, wer sonst sollte die Erfahrungen mit dem THTR-Kraftwerk in Uentrop-Schmehausen vermitteln können?

Ob baurechtliche Fragestellungen, Fragen zur Sicherheit (Katastrophenschutzplan), kommunale Investitionen zur Herstellung der Infrastruktur, der Umgang mit dem THTR-Störfall 1986 oder mit dem Sicherheitseinschluss und den damit verbundenen Atommülltransporten sowie die Einrichtung eines Runden Tisches - die Stadt Hamm verfügt über einen immensen Erfahrungsschatz im Zusammenhang mit den konkreten Konsequenzen eines Standortes eines atomaren Pilotprojektes. In diesem Zusammenhang sollte nicht vergessen werden, dass die Zukunft der THTR-Ruine noch nicht abschließend geklärt ist – und welchen Beitrag die Stadt Hamm hier noch für die Beseitigung dieser hochbrisanten Altlast zahlen muss.

Gerade der Super-Gau in Tschernobyl hat deutlich werden lassen, dass Probleme und Fragen der atomaren Risiken der Kernkraftnutzung nicht an Staats-, Länder- oder Gemeindegrenzen enden.

Die Stadt Kapstadt steht dem möglichen Bau einer THTR-Variante 28 km vor ihrer Stadtgrenze entfernt kritisch gegenüber; die letztendliche Entscheidung steht in Südafrika noch aus. Deswegen wäre es für die Südafrikaner hilfreich, auf den Erfahrungsschatz der Stadt Hamm zurückgreifen zu können. Wir können nicht verstehen, dass Sie, Herr Oberbürgermeister, den offiziellen Vertretern der Stadt Kapstadt diesen Informationsaustausch nicht anbieten wollen. Wir sehen hierin keineswegs eine unzulässige Einmischung in die Entscheidungshoheit einer ausländischen Kommune, sondern das Angebot, sich vor einer solchen Entscheidung umfassend zu informieren - wie dies ja alltäglich sicherlich auch in ihrem Hause gängige Praxis sein dürfte (Stichwort: Cross-Border-Leasing).

Gerade vor dem Hintergrund, dass noch nicht abschließend geklärt ist, ob beim Bau, dem Betrieb und - wie vorgesehen - beim Export dieser Technik spaltbares Material auch für kriegerische Zwecke genutzt werden kann, appellieren wir an Sie, diese Gefahren, die auch uns als Stadt Hamm zukünftig in Form von Terrorattacken oder kriegerischen Einsätzen heimsuchen könnten, alles menschenmögliche zu unternehmen, damit Südafrika diese Standortentscheidung auf Grundlage fundierter Sachkenntnis treffen kann.

Wir möchten Sie von daher noch einmal eindringlich bitten, Ihre ablehnende Haltung zu überdenken.

Termine:

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Freitag, 2. April: Vom Europäischen Sozialforum und Gewerkschaftsbund sind Aktionstage gegen den Sozialkahlschlag beschlossen worden: betriebliche Aktionen, Streiks und hoffentlich auch Generalstreiks. In Deutschland wird es wieder einmal nur einen Tag später den von A. Roy bedauerten "Feiertagsprotest" in Form der üblichen Demonstrationen geben. Interessenten für die Fahrt nach Köln können sich in Hamm beim DGB melden. Es werden viele Busse eingesetzt. Meine Einschätzung ist unter www.graswurzel.net nachzulesen.

Samstag, 10. April: Beginn des Ostermarsches an der Pauluskirche in Hamm. Auftakt: 10.30 Uhr.


Liebe Leserinnen und Leser!

Alle, die in den letzten zwei Jahren keine (je nach Einkommensverhältnis) zehn oder zwanzig Euro für den weiteren Bezug des THTR-Rundbriefes bezahlt haben, werden hiermit dringend gebeten, dies zu tun!

Die kostenlose Belieferung von einem halben Dutzend Bibliotheken und Archiven ist mit der Ausgabe 88 eingestellt worden. Die Kosten für Recherchearbeiten steigen zur Zeit ziemlich stark.

Auf unserer Homepage, auf der dieser Rundbrief ebenfalls nachzulesen ist, haben wir erfreulicherweise zur Zeit monatlich ca. eintausend Zugriffe. Unter "Aktuelles" sind hier wie gehabt alle ein bis zwei Wochen die neuesten Arbeitsergebnisse, Presseerklärungen, Fragenkataloge sowie die spärlichen Antworten der Verantwortlichen nachzulesen. Die Auflage des Rundbriefes hat sich neuerdings durch seine Aufnahme in den Massenmailverteiler der WIGA Münsterland erhöht.

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Spendenaufruf

- Der THTR-Rundbrief wird von der 'BI Umweltschutz Hamm e. V.' herausgegeben und finanziert sich aus Spenden.

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